Kapitel 14 - Ivy

8.2K 436 56
                                    


Ich fühle mich wieder wie die Siebenjährige, die voller Vorfreude auf Santa Claus wartet, als ich an unserem Fenster im Wohnzimmer stehe und auf die Straße hinaus blicke.

Landen und Jazmin müssen jeden Augenblick mit dem Taxi ankommen, denn sie sind vor knapp zwei Stunden auf dem University Park Airport gelandet. Jazmin hat mich während ihrer gesamten Reise mit lustigen Selfies versorgt, auf denen sie immer irgendwelche Grimassen geschnitten hat, während mein Bruder jedes Mal den exakt gleichen mürrischen Gesichtsausdruck aufgesetzt hat. Er hasst es fotografiert zu werden, ganz besonders schrecklich findet Landen Selfies.

Während ich noch über das letzte Bild, bei dem sich Jazmin beinahe auf die Gepäckausgabe gelegt hat, grinse, hüpfe ich auf und ab.

Ich weiß überhaupt nicht, wohin mit meiner Energie. Es ist beinahe paradox, denn die letzten Tage haben mich fast vollständig ausgelaugt. Ich bin von Vorlesung zu Vorlesung getrottet und habe bis spät in die Nacht an Hausarbeiten und Übungsblättern gesessen. Denn unsere Dozenten haben diese Woche noch einmal richtig Gas gegeben. Endlich haben wir einmal zwei Tage frei und jeder von ihnen denkt, wir könnten unseren Feiertag damit verbringen Hausarbeiten zu schreiben und Lektüren zu lesen.

Als meine To-Do-Liste für das Thanksgiving-Wochenende immer länger geworden ist, ist auch die Verzweiflung immer größer geworden. Ein paar Dinge habe ich schon in den letzten Nächten versucht zu erledigen, um den Rest werde ich mich Samstag und Sonntag kümmern müssen.

Im Gegensatz zu Summer habe ich nicht das ganze Wochenende verplant, worüber ich jetzt wirklich froh bin. Sie hingegen, dreht völlig durch. Heute Morgen habe ich ganze zehn Nachrichten von ihr gehabt, denn sie hat sich die komplette Nacht um die Ohren geschlagen, um Herr über die ganzen Arbeitsaufträge zu werden. Sich tagsüber an die Aufgaben zu setzen kommt für Summer nicht infrage, denn dann würde sie ihrer Mutter oder ihrem Vater die penibel exakt verteilten Minuten, die sie in Chicago ist, entziehen.

Plötzlich fährt ein Taxi vor und all meine Uni-Sorgen sind wie weggeblasen, als ich die große Statur meines Bruders aus dem Wagen steigen sehen.

Kreischend verlasse ich meine Position am Fenster, rufe Adam, der alarmiert aus seinem Zimmer kommt „Sie sind da!" zu und sprinte ohne mir Schuhe an zu ziehen die Treppen hinunter.

Ich eile über den kalten Boden unseres Innenhofes und werfe mich ohne Vorwarnung in Landens Arme.

Sein Geruch nach frischgewaschener Wäsche und dem Rasierwasser, das er seit Jahren benutzt steigt mir sofort in die Nase und ich fühle mich schlagartig wie Zuhause. Denn das ist Landen für mich, mein Zuhause, egal wo, egal wann.

Landes Oberkörper vibriert unter meiner Brust, als sein vertrautes Lachen ertönt und sich seine langen Arme um mich schließen.

„Hey, Smiley-Ivy!"

Sofort verziehe ich das Gesicht und löse unsere Umarmung. Ich zwinge mir einen strengen Ausdruck auf und bohre Landen den Zeigefinger in die durchtrainierte Brust.

„Wehe du benutzt diesen Spitznamen in Anwesenheit meiner Freunde. Ich warne dich Landen!"

„Versprochen, aber nur, wenn ihr zwei auf Selfies an diesem Wochenende verzichtet."

Lachend wuschelt er mir durchs Haar und dreht sich zum Taxifahrer um, um die Rechnung zu begleichen.

„Never ever! Ich habe keinerlei Probleme damit, wenn du Ivy so nennst.", wiederspricht ihm Jazmin.

Mein Blick huscht an Landens breitem Rücken vorbei und fällt auf das schwarze Haar mit den rotgefärbten Spitzen meiner großen Heimschwester. Mir ist vollkommen egal, dass Jazmin gerade dabei ist ihre Reisetasche aus dem Kofferraum zu hieven, als ich mich auf sie stürze.

At First SmileWo Geschichten leben. Entdecke jetzt