Ich stürze mich in meinen Lernstoff. Hämmere mir meinen Tagesplan mit Zusammenfassungen, Karteikarten schreiben und auswendig lernen voll.
Von der Bibliothek halte ich mich fern, stattdessen buche ich mir für die gesamte Klausurenphase einen der Einzellernräume, die einem kaum Platz zum Atmen lassen. Summer nennt sie Suizid-Boxen. Aber sie passen zu meiner Stimmung und der Automatisierung meines Körpers.
Ich fühle mich wie ein Roboter, verdränge jegliche Art von Gefühlen und versuche meine gesamte Energie in Produktivität umzuwandeln.
Es klappt erstaunlich gut. Nur, wenn ich abends in meinem Bett liege, habe ich meine Gedanken nicht hundert Prozent im Griff, dann schweifen sie zu Keith. Seinen Berührungen, seinen Küssen und der Enttäuschung, dass ich zu viel in die Sache zwischen uns hineininterpretiert habe, obwohl ich es hätte wissen müssen.
Aber dann erinnere ich mich daran, dass ich noch keine Gefühle für ihn entwickelt habe, dass wir Freunde sind und dass es mir gerade nur so beschissen geht, weil mich die Prüfungen nervös machen.
Und ich glaube meine eigenen Lügen.
In den ersten Tagen findet Summer mein plötzliches Pflichtbewusstsein übertrieben. Aber sie braucht keine zwei Tage und ein kurzes Zusammentreffen mit Keith, bei dem ich Schwierigkeiten haben, nicht dauerhaft auf seine Lippen zu starren und sie begreift. Allerdings ist sie so nett, es nicht anzusprechen. Sie lässt es mich auf meine Weise verarbeiten.
Ich glaube, auch Adam und Rick merken, dass etwas zwischen Keith und mir nicht ganz stimmt. Doch mit den Tagen, die verstreichen, wird es besser. Ich kann wieder mit ihm reden, ohne, dass meine Stimme zittert oder meine Wangen sich dunkelrot verfärben. Ab und an scherzen wir sogar miteinander.
Trotzdem ist es mir nur Recht, dass es keine zwei Wochen dauert, bis wir alle so beschäftigt und ausgelaugt von der Lernerei sind, dass gemeinsame Abende seltener werden.
Meine Freizeit beschränkt sich darauf, dass ich die Mittagspause mit Summer in der Mensa verbringe oder wir uns Abends noch etwas zu essen holen, bevor wir völlig erledigt in unsere Betten fallen.
Tatsächlich sehe ich Brooke häufiger, als vor der Prüfungsphase, denn der beste Ort zum Lernen ist für sie unser Wohnzimmer.
Als ich sie irgendwann frage, ob es ihr hier nicht zu unruhig ist, da ständig einer von uns ein oder aus geht, zuckt sie nur mit den Schultern und gibt zu, dass genau diese Unruhe ist, was sie braucht. Nach zwei Wochen intensivem Lernen, steht mir die finale Vorbereitungsphase bevor, aber ich blicke absolut nicht mehr durch in dem Chaos aus Modulen und Klausurterminen. Das ist der Punkt, an dem ich mich zu Brooke auf die Couch setze und sie mir hilft Struktur in meinen Lernplan zu bekommen.
Sie ist unglaublich. Wie eine Maschine erkennt sie, welche Module besonders viel Zeit benötigen und wann ich noch eine Lücke in meinem Tagesplan habe. Brooke geht völlig in ihrem Element auf und rettet mich mit Sicherheit vor dem absoluten Kollaps.
Ich komme gut durch die erste Prüfungswoche. In der zweiten habe ich nicht mehr ganz so viel Energie, aber ich beiße mich durch. Schließlich ist ein Ende bald in Sicht. Es ist ausgerechnet die Klausur Mathe I für Nicht-Mathematiker, die wir als letzte schreiben.
Als ich vor dem Blatt Papier sitze zittert meine Hand dermaßen, dass ich kaum meine Matrikelnummer in das Feld eintragen kann.
„Ich hoffe einfach nur, dass ich bestanden habe!", stöhnt Summer, als sie nach drei Stunden hinter mir den Hörsaal verlässt.
Da kann ich ihr absolut zustimmen. Mein Hirn ist Matsch, ich stehe kurz vor einer Sehnenscheidenentzündung und will einfach nur noch schlafen.
„In vier Tagen hängen sie die Ergebnisse aus. Dann werden wir es wissen.", murmle ich kraftlos.

DU LIEST GERADE
At First Smile
ChickLitAuf einmal ist Keith überall. Sein Duft steigt mir in die Nase und ich meine die Berührung seines Körpers auf jedem Zentimeter meiner Haut brennen zu spüren. Unsere Beine sind ein einziger Knoten, doch ich bekomme gerade so viel geordnet, dass ich s...