Ivy wird zum ersten Mal mit Keiths Problemen konfrontiert. Was denkt ihr, was es ist, dass ihn so verschlossen macht?
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Ich gähne. Schon wieder.
Obwohl ich in meiner Thermoskanne schon die vierte Portion Instant-Kaffee habe, bin ich noch immer unglaublich müde.
Wie ich die dreißigminütige Fahrt zurück in die Stadt überstehen soll, ohne einzuschlafen, ist mir ein Rätsel. Einmal ganz abgesehen von der Theaterprobe, die mich in zwei Stunden im Kindergarten erwarten wird.
„Wenn du weiter so rumgähnst, schlafe ich am Steuer auch noch ein.", murrt Keith. Aber ich kann das Zucken um seine Mundwinkel herum ganz genau sehen.
Seine Augen sind hell wach. Ganz im Gegensatz zu mir scheint der die wenigen Stunden Schlaf, die wir hatten nicht damit verbracht zu haben, sich hin und her zu wälzen.
Nachdem Keith und ich gestern Abend mit reichlich Verspätung am Haus von Adams Eltern angekommen waren, haben wir den Kamin angefeuert, einen riesen Pott Eintopf gekocht und uns schließlich mit auf Schaschlikspieße gedrückten Marshmallows vor dem Kamin zusammengelümmelt.
Ich hatte viel zu viele S'Mores gegessen, weil ich süchtig nach der Kombination aus Butterkeksen, Schokolade und Marshmallows bin. Aber die Übelkeit ist nicht Grund dafür gewesen, dass ich keinen Schlaf gefunden habe. Das schiebe ich ganz offen auf Rick und Adam, die nach unserem Abendessen eine Box mit Blackstories herausgeholt hatten.
Blackstories der ganz besonders gruseligen Sorte. Mich hat es bei jedem neues Rätsel geschüttelt und ein nervöser Schauer hat den nächsten gejagt.
Was Horrorstories betrifft muss ich auf jeden Fall noch abhärten, wenn ich in diesem Freundeskreis überleben will.
Dass vielleicht auch Jazmins Nachricht über Rebeccas Freilassung und diese innigen Momente zwischen mir und Keith am See etwas mit meiner schlaflosen Nacht zu tun haben, will ich mir selbst nicht eingestehen.
„Ich hoffe...", wieder gähne ich. „... das Kind, das den Bär im Winterschlaf spielt, ist heute krank und ich kann die Rolle übernehmen."
Mein nächstes Gähnen vermischt sich eigenartig mit meinem und Keiths Lachen, während ich die Arme in die Höhe strecke.
Wir haben letzte Woche in der Villa Pusteblume mit den Vorbereitungen für das Theaterstück im Januar gestartet, weshalb ich versuche an so vielen Probeterminen wie möglich mit dabei zu sein, um die Erzieher zu unterstützen. Das ist nicht gerade einfach mit meinem eigentlich übervollen Stundenplan, vor allem, da ich dazu neige, Vorlesungen, die mir keinen Spaß machen zu vernachlässigen.
Selbstdisziplin zu zeigen und Fächer zu besuchen, die nicht gerade zu den Favoriten gehören ist meiner Meinung nach mit die größte Umstellung von der High-School auf die Uni. Ich habe immer gedacht, ich wäre pflichtbewusst und würde damit keine Probleme bekommen, aber es ist etwas ganz anderes, wenn kein Lehrer mit der Anwesenheitsliste wartet und man nicht mehr für jede Fehlstunde eine Entschuldigung vorlegen muss.
Die Anonymität eines großen Hörsaals sorgt dafür, dass das eigene Fehlen nicht auffällt. Zum Glück habe ich noch immer ziemlich großen Respekt vor der kommenden Klausurenphase, weshalb ich mich jedes Mal zu den Vorlesungen quäle. Nur letzte Woche habe ich ein zwei Soziologiegrundkurse geschwänzt, um im Kindergarten sein zu können. Den Stoff werde ich spätestens in den kommenden Weihnachtsferien nachholen.
„Wir suchen übrigens noch Eltern, die uns beim Theaterstück unterstützen.", sagt plötzlich mein Mund von ganz alleine.
Ich verdränge den Gedanken, dass ich das nur sage, weil ein kleiner – na gut, vielleicht auch ein ziemlich großer – Teil von mir mehr Zeit mit Keith verbringen will und rede mir ein, dass wir wirklich Hilfe gebrauchen können. Auch, wenn wir schon vor zwei Wochen Elternzettel und eine Aufgabenliste ausgegeben haben.

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At First Smile
ChickLitAuf einmal ist Keith überall. Sein Duft steigt mir in die Nase und ich meine die Berührung seines Körpers auf jedem Zentimeter meiner Haut brennen zu spüren. Unsere Beine sind ein einziger Knoten, doch ich bekomme gerade so viel geordnet, dass ich s...