Kapitel 8

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Jeongin blieb bei mir, bis er zum Abendessen gerufen wurde. Nachdem ich ihm mehrfach versichert hatte, dass ich alleine bleiben konnte, brachte er mir das Handy aus der Küche, damit ich mich, laut ihm, nicht zu Tode langweilte. Als er verschwunden war, beschloss ich, endlich den Anruf zu tätigen, den ich machen wollte, seitdem der Vertrag vor meinen Füßen gelegen hatte.
Soobin, mein engster Freund, sollte als erster von den Neuigkeiten erfahren. Und das von mir.
Es dauerte einen kurzen Moment, bis der Ältere das Gespräch annahm.
"Ti! Freut mich, endlich wieder von dir zu hören. Gib mir nur einen Moment", kam es von der anderen Seite. Der Ältere klang so, als würde er gerade einen Marathon laufen. Ich hörte seine hallenden Schritte durch den Lautsprecher.
"Also", wollte er gerade fortfahren, als eine dumpfe Stimme im Hintergrund ihn zu unterbrechen schien.
"Soobin-Hyung, bitte. Ich möchte den Stream nicht alleine machen."
Es dauerte einen Moment, bis ich die Stimme zuordnen konnte. Hueningkai.
"Ich komme in 15 Minuten dazu. Yeonjun müsste Zeit haben."
"Aber... Na gut. Dann bist du in 15 Minuten dabei?"
"Ja, versprochen. Bis gleich", antwortete der Leader, bevor er sich erneut in Bewegung zu setzen schien. Noch ein paar Schritte und dann hörte ich eine Tür ins Schloss fallen.
"So, jetzt bin ich vollkommen da. Kurz vor dem Debut scheinen alle in diesem Dorm ein wenig verrückt zu spielen", erklärte er und lachte leise, "apropos, wie sieht es bei dir aus. Wie kommst du mit den Jungs zurecht? Geht es dir gut?"
Ein Lächeln machte sich in meinem Gesicht breit.
"Soobin-Hyung, ich hab es geschafft. Ich hab einen Vertrag", platzte es aus mir heraus und ich setzte mich mit einer schnellen Bewegung gerade auf. Das wiederum bereute ich augenblicklich. Zischend lehnte ich mich zurück. Soobin, der mich bereits mit Glückwünschen zu überhäufen begonnen hatte, verstummte augenblicklich.
"Ist alles in Ordnung? Hast du dir wehgetan?", fragte er. Bei meinem leisen Zischen war er augenblicklich hellhörig geworden.
"Ich hatte einen kleinen Unfall bei der Tanzprobe", murmelte ich nun. Anlügen könnte ich ihn sowieso nicht.
"Definiere einen kleinen Unfall", meinte der Ältere und ich sah förmlich wie er die Augenbraue hochzog.
"Ich hab mir ein Band im Fuß angerissen. Ich bin doof umgeknickt."
"Angerissen? Hat sich das schon ein Arzt angeschaut? Wenn du damit tanzt..."
"Ich weiß, ich weiß. Ich hab erstmal ein paar Wochen Bettruhe und dann Physiotherapie vor mir. Aber wenn alles gut läuft, darf ich in ein paar Monaten wieder richtig tanzen", unterbrach ich ihn.
"Aber das Comeback ist doch..."
"In ein paar Wochen? Exakt. Ich darf nicht mit auf die Comeback- Stage und auch sämtliche Auftritte fallen flach. Wahrscheinlich werde ich auch erst nur im Hintergrund mitmachen können, doch das Entertainment findet, dass es trotzdem die richtige Zeit ist, mich als neues Mitglied zu präsentieren", erläuterte ich.
"Verstehe. Hey, mach dich deshalb aber nicht fertig. Beim nächsten Comeback bist du sicher wieder fit", versuchte der 19- Jährige mich aufzumuntern. Dabei brauchte er das gar nicht. Zwar war die Situation nicht optimal, doch könnte so schnell nichts meine Euphorie zerstören. Ich war nun da, wo ich hinkommen wollte. Vorerst. Von nun an wollte ich beweisen, dass ich diesen Platz verdiente. Aber wenn das vorerst hieß, sich zurückzunehmen, damit ich in naher Zukunft mein Bestes auf der Bühne zeigen konnte, war das für mich in Ordnung.
"Ti?"
Ich lenkte meine  Aufmerksamkeit wieder auf das Telefonat.
"Ja?"
"Ich hätte vor dem Comeback nochmal Zeit, also, wenn du Besuch haben willst, kann ich es einrichten..."
"Wirklich? Das wäre wundervoll. Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen. Außerdem darf ich an den Proben ohnehin nicht teilnehmen, also liege ich nur rum."
"Gut. Ich könnte in den nächsten Tagen ein paar Stunden freihalten. Solange deine Jungs nichts dagegen haben, wenn ich vorbeikomme."
"Ich werde Innie gleich fragen. Danke, Soobin-Hyung", meinte ich und grinste breit.
"Dafür, dass ich einen Freund besuche?  Gerne", antwortete er mit einem leisen Lachen, bevor er wieder ernst wurde.
"Von nun an, pass aber besser auf dich auf! Ich möchte nicht, dass du im Krankenhaus endest."
"Versprochen, Hyung. Ich werde auf mich aufpassen. Und du auch auf dich."
Der Rest des Gesprächs blieb oberflächlich. Wir redeten über dies und das. Soobin sprach auch meinen Bruder an, dem ich von all dem noch berichten musste. Doch ich wusste, dass er momentan selber viel um die Ohren hatte. Dann konnte das noch ein paar Tage warten, bis ich genau wusste, was los war und wie es weitergehen würde. Und dann unterbrach erneut einer seiner Bandmitglieder das Telefonat. Dieses Mal vertröstete er ihn nicht auf später. Er nahm seine Rolle als Leader ernst.
"Die Anderen warten auf mich. Ich schreibe dir später, okay? Pass gut auf dich auf und ruh dich aus."
Damit legte er auf. Mit einem zufriedenen Seufzen legte ich das Handy beiseite, als bereits die Tür wieder geöffnet wurde.
"Ich hab Abendessen für dich", meinte Innie und setzte sich mit einer Schüssel Nudeln vor mich aufs Bett. Vorsichtig reichte er sie mir und lehnte sich dann gegen die Wand.
"Danke, Hyung", sagte ich, bevor ich mir bereits die erste Gabel mit Nudeln in den Mund schob. Ich war am Verhungern.
"Ich wollte nicht lauschen, Ti, aber ich hab gehört, dass du mit einem... Soobin gesprochen hast? Also... Soobin von..."
"Tomorrow X Together? Ja. Wir haben uns durch andere Trainees vor ein paar Jahren kennengelernt und angefreundet", erklärte ich und sah den Älteren kurz an, "Innie? Dürfte Soobin in den nächsten Tagen herkommen? Also nur, wenn das für euch okay ist. Schließlich ist das euer Dorm und..."
"Nein, es ist unser Dorm. Du gehörst jetzt dazu, Ti. Natürlich darfst du deinen Freund einladen", unterbrach mich der Dunkelbraunhaarige und schenkte mir ein Lächeln. Zufrieden lächelnd nickte ich.
Plötzlich änderte sich die Miene des 19- Jährigen und er wirkte unsicher.
"Innie? Was ist los?", hakte ich nach, nachdem ich einen weiteren Bissen meiner Nudeln herunter geschluckt hatte.
"Naja, du hast bis jetzt nicht viel von deiner Familie erzählt. Ich hab mich nur gefragt... solltest du sie nicht über deinen Unfall informieren. Sie machen sich doch sicher Sorgen", murmelte er nun verunsichert und warf mir einen kurzen Blick zu.
Das Thema Familie war für mich ... Schon immer etwas schwierig gewesen, aber vor meinen Freunden wollte ich keine Geheimnisse haben. Außerdem hatte ich das Gespräch schon lange genug vor mich hergeschoben.
"Naja, meine Eltern... meine Mutter ist verstorben, als ich 14 Jahre alt war. Mein Vater hat sich danach in die Arbeit gestürzt, weshalb ich die erste Zeit, bevor ich Trainee geworden bin, bei meinen Großeltern gelebt habe. Ich habe nicht viel Kontakt mit meinem Vater und meine Großeltern würden sich nur unnötig sorgen. Mein Bruder hat momentan selbst viel zu tun. Er ist ebenfalls Trainee. Also gibt es keinen, der davon dringend erfahren muss."
Der Ältere wirkte mit jedem Wort trauriger. Das wollte ich nicht erreichen.
"Hey, das ist vollkommen in Ordnung. Ich hab ja euch und Soobin.", beschwichtigte ich ihn, "Ich bin nicht alleine, also ist alles gut, nicht wahr?"
Der Dunkelhaarige wirkte unsicher und legte mir schließlich eine Hand auf die Schulter.
"Du bist wirklich nicht alleine. Wir sind da. Immer."

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