Kapitel 9

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Das Röntgenbild hatte keine neuen Erkenntnisse gebracht und auch das Gespräch mit Park Jin-young hatte ich nun hinter mir. Nachdem er mir zum Vertrag gratuliert hatte, erklärte er mir, wie die nahe Zukunft aussehen würde. Ich dürfte bei den Proben der anderen zuschauen, müsste mich aber mindestens die nächste Woche mit meiner Bewegung stark einschränken. Das hieß viel Bettruhe. Danach würde meine Krankengymnastik beginnen, wenn die Schmerzen aushaltbar waren. Das hieß mit viel Glück war ich in wenigen Monaten wieder einsatzfähig. An den Konzerten könnte ich ebenfalls teilnehmen, zwar dürfte ich nicht tanzen, aber den Gesang könnte ich allemal übernehmen. Kurzgefasst: Die Situation war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte.
Zurück im Dorm half mir Seungmin ins Zimmer. Die anderen hatten beschlossen, nachdem ich mehrfach versichert hatte, dass es für mich vollkommen in Ordnung war, sich ihrer Tanzstunde zu widmen um dem Plan nicht nach zu hängen.
"Soll ich wirklich nicht bleiben?", hakte Minnie nach, nachdem er mir auf das Bett geholfen hatte.
"Ist schon in Ordnung. Du solltest den Tanzunterricht nicht verpassen. Ich kann wohl ein, zwei Stunden alleine bleiben, keine Sorgen", versicherte ich ihm und schenkte ihm ein Lächeln.
Zögernd musterte mich der Ältere, bevor er schließlich nickte und sich verabschiedete. Sobald die Tür ins Schloss gefallen war, seufzte ich leise und lehnte mich zurück. Darüber nachgedacht, was ich machen könnte, hatte ich noch nicht. Die Sachen für die Schule hatte ich natürlich im Wohnzimmer vergessen. Meine einzige produktive Option war es, die neuen Texte zu lernen. Obwohl ich keinen langen Part hatte, las ich mir die Songtexte in jeder freien Minute durch. Ich wollte optimal vorbereitet sein. Ein Fehler in der ersten Show war für mich das schlimmste Szenario, welchem ich allemal aus dem Weg gehen wollte.
Ich überflog gerade meinen Teil des Liedes, als mein Handy meine Aufmerksamkeit erregte. Sicher Soobin. Ich fischte es von meinem Nachtschrank und wollte gerade den Anruf bestätigen, als mein Blick auf das Namenfeld des Anrufers fiel. Thahan. Nach kurzem Zögern akzeptierte ich den Anruf. Es war ungewöhnlich, dass er sich bei meldete. War etwas passiert?
"P'Thahan? Hier ist Ti", murmelte ich, während meine Besorgnis wuchs und wuchs.
"Ti. Was fällt dir eigentlich ein? Wie kannst du mir nicht Bescheid sagen, wenn du dich verletzt hast? Geht es dir gut? Ist es was ernstes?"
Die Stimme meines Bruders überschlug sich. So besorgt hatte ich ihn lange nicht mehr erlebt.
"P'Tha, bitte beruhig dich. Es ist nichts schlimmes. Ich bin schnell wieder fit, versprochen."
"Ti...", er seufzte, "Entschuldige. Ich wollte dich nicht so anfahren. Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Was ist passiert und wieso hast du mir nicht Bescheid gesagt?"
Nun überkam mich das schlechte Gewissen. Ich setzte mich, so gut es ging, auf und seufzte leise.
"Ich bin beim Tanztraining umgeknickt... und dann ist mir jemand aufs Bein gefallen. Der Arzt meint, dass die Sehne angerissen ist. Aber mit Bettruhe und Physio werde ich schnell wieder fit. Das heißt, dass ich sogar mit auf die Konzerte kann."
Das letzte platze aus mir heraus, bevor ich überhaupt darüber nachgedacht hatte, was ich da von mir gab.
"Konzerte? Welche Konzerte?"
Richtig. Das hatte ich ja auch noch nicht erwähnt.
"Ich... ich wurde in einer Band aufgenommen."
Ich hatte damit gerechnet, dass es Tha knicken würde, das zu hören, schließlich war er schon länger Trainee, der noch nicht die Chance gehabt hatte sich zu beweisen. Aber er reagierte anders, als ich erwartet hatte.
"Wirklich? Das freut mich zu hören. Es ist sicher eine Newcomer- Band, oder? Wie heißt sie?"
Ehrliche Freude war in seiner Stimme zu hören und seine Besorgnis schien sich nach und nach zu legen.
"Naja, also... es ist keine Newcomer-Band. Ich ehm... wurde bei Stray Kids aufgenommen", murmelte ich, erneut mit schlechtem Gewissen.
"Warte... Stray Kids? Die JYP- Band?"
"Genau die. Ich wollte es dir wirklich erzählen. Auch das mit dem Unfall. Aber ich weiß, dass du viel zu tun hast. Ich wollte auf den richtigen Moment warten", versuchte ich mich zu erklären.
Mein Bruder seufzte leise. Jetzt hatte ich ihm doch die Laune versaut.
"Ach, Ti. Jetzt hör mir mal ganz genau zu. Ich bin dein Bruder und auch, wenn ich nicht jeden Tag anrufe oder jede Woche in deinem Zimmer hocke, heißt das nicht, dass ich mich nicht für dein Leben interessiere. Du bist mir wichtig, das weißt du. Erzähl mir solche Sachen bitte. Ruf mich einfach an. Ich werde für dich Zeit finden. In Ordnung? Ich mache mir sonst nur Sorgen."
Ich brachte nur ein gemurmeltes "Ja" zustande. Erneut wurde mir klar, wie sehr ich ihn vermisste und wie sehr ich es hasste, dass wir uns kaum sahen. Er war die einzige Familie in Korea, die in meiner Nähe war. Für einen Moment war es still und als hätte er meine Gedanken gelesen, griff Thahan wieder das Thema auf.
"Es ist meine Schuld, dass du mir kaum noch etwas erzählst, richtig? Natürlich. Ich war in den letzten Monaten kaum da für dich. Thinnakorn, ich... es tut mir leid. Wie wäre es, wenn wir uns demnächst wieder treffen, solange du dich auskurierst? Die nächsten Wochen werden ruhiger, also hätte ich etwas Zeit."
Sein Angebot überraschte mich, doch hatte ich dagegen nichts einzuwenden. Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen.
"Das klingt toll. Das würde ich gerne."
"Großartig. Wie sieht es nächste Woche bei dir aus? Darf ich vorbeikommen?"
Nächste Woche dürfte ich wieder aus dem Bett. Das hieß, dass ich mit meinem Bruder und den Jungs gemeinsam Abendessen könnte.
"Nächste Woche klingt gut. Schreib mir einfach, wann du Zeit hast. Ich gehe ja nirgendwo hin."
Den letzten Spruch konnte ich mir nicht verkneifen.
"Gut, ich werde mich melden. Ruh du dich gut aus, ja? Und melde dich, wenn irgendetwas sein sollte. Ach und Ti? Ich bin stolz auf dich."
Mein Lächeln wuchs.
"Danke, P'Tha. Ich freue mich schon dich nächste Woche zu sehen. Pass auf dich auf."
Und damit endete unser Gespräch. Das beste Gespräch zwischen uns seit langem.

Die nächste Stunde verbrachte ich weiter alleine im Zimmer. Jeongin war der erste, der mein Zimmer betrat und sich zu mir aufs Bett saß.
"Hey, du. Alles klar bei dir? Tut mir leid, dass wir dich alleine gelassen haben."
"Hey, schon gut. Ihr hattet Probe, kein Grund sich zu entschuldigen. Bei mir ist alles gut. Sag Mal... es ist doch kein Problem, wenn mein Bruder in der nächsten Woche zu Besuch kommt... oder? Ich dachte mir, dass wir alle gemeinsam zum Abend essen könnten..."
Meine schüchterne Frage wurde von Innies euphorischer Antwort abgelöst.
"Dein Bruder will herkommen? Das klingt toll. Wir wollen ganz sicher mit euch essen. Hattest du nicht erwähnt, dass auch er Trainee ist? Ich freue mich schon ihn kennenzulernen", plapperte er los, was mir ein Grinsen ins Gesicht zauberte. Wenn die anderen nur annähernd so freudig darüber waren wie Innie, würde alles super laufen.
Unser Gespräch wurde von dem Klopfen an der Tür unterbrochen. Meine Aufmerksamkeit legte sich auf Chan, der die Tür öffnete.
"Ti, du hast Besuch."

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