Kapitel 3

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Eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner. Das passt zu ihm, denke ich und erinnere mich an früher. Den Tag, an dem er mich zum ersten Mal in den Blumenladen seiner Eltern mitgenommen hat, werde ich wohl nie vergessen. Für ein paar Stunden hatte ich damals tatsächlich das Gefühl gehabt, an einem völlig anderen Ort zu sein und ich hatte verstanden, dass diese stille Welt sein wahres Zuhause war. Auch jetzt, als wir hier in unserer Runde am Lagerfeuer sitzen, sehe ich dieses Funkeln in seinen Augen, als er von seinem Berufswunsch erzählt und trotz dieser komischen Stimmung zwischen uns, zupft ein leichtes Lächeln an meinen Mundwinkeln.

Als dann jedoch auch Melanie anfängt, von ihren Zukunftsplänen zu erzählen, finden meine Gedanken schnell wieder ihren Weg zurück in die Wirklichkeit. Sie strebt an, erstmal ihr Abitur so gut wie möglich zu machen, sagt sie, anschließend will sie eine Ausbildung zur Bankkauffrau machen. Außerdem planen sie und Leon, so bald wie möglich zusammen zu ziehen. Immer noch genauso zielorientiert wie früher, denke ich. Ich weiß noch, dass sie sich immer das perfekte Leben gewünscht hat – perfekter Beruf, perfektes Haus, perfekter Mann...alles eben. Als ich sehe, wie sie bei ihren letzten Worten Leons Hand nimmt und ihn glücklich anlächelt, spüre ich einen leichten Stich. Sie scheint ihn wirklich zu lieben. Und auch, wenn es für mich immer noch so unwirklich scheint, dass die beiden zusammen sind, stelle ich fest, dass sie gut zusammen passen. Das perfekte Paar, schießt es mir durch den Kopf. Schnell wende ich den Blick ab und lausche den Erzählungen der anderen.

Das zuckende Licht der Flammen wirft einen rötlich tanzenden Schimmer auf die Umgebung. Währenddessen malt die aufziehende Dämmerung die Bäume um uns herum schwarz, sodass sich ihre Kronen zackig vom dunkler werdenden Blau des Himmels abheben. Trotz der immer noch lauwarmen Sommerluft, zieht mir eine leichte Gänsehaut über die Arme.

Die fortschreitende Zeit habe ich längst aus den Augen verloren, daher weiß ich nicht, wann genau wir vom Essen zum Reden übergegangen sind. Mir kommt es vor, als säßen wir schon seit Stunden hier, schwelgend in den Ereignissen der Vergangenheit und uns über unsere gegenseitigen Zukunftsvorstellungen austauschend – um uns herum die abendliche Idylle, die dem Klang unserer Erinnerungen lauscht und sie zu konservieren scheint.

Kurz schließe ich die Augen und bin für einen Moment so in mir selbst versunken, dass ich erst gar nicht merke, dass ich angesprochen werde.

„Erde an Lou", tönt Lukas' Stimme an meine Ohren und ich schrecke ein wenig zusammen. Alle Augen sind auf mich gerichtet. „Hau raus, was hast du für Pläne, wenn du mit der Schule fertig bist?"

Ich verdrehe die Augen, muss allerdings grinsen. Ich denke, meine Träumereien sind etwas, an das sich wiederum die anderen noch gut bei mir erinnern. Ich räuspere mich.

„Also, als erstes mache ich mein Abitur", erkläre ich. „Und danach möchte ich gerne Tiermedizin studieren."

„Tiermedizin?" Lukas pfeift anerkennend durch die Zähne. „Ist ja allerhand. Braucht man dafür nicht einen extrem guten Schnitt?"

„Ach", winkt Mirjam ab, die links neben mir sitzt, und haut mit der Hand auf meinen Oberschenkel. „Den Schnitt hat die jetzt schon locker in der Tasche, du solltest mal ihre Noten sehen!" Sie grinst mich an und zwinkert.

„Ach was", erwidere ich nur. „Warten wir's mal ab, wir sind grade mal mit der 11 fertig. Da kommen noch zwei Jahre."

Mirjam macht nur eine abwehrende Geste. Lukas grinst immer noch, nickt dann jedoch anerkennend.

„Es passt aber zu dir", dringt plötzlich eine heisere Stimme zu mir herüber. Als ich mich umdrehe, hat sich Leon mir zugewandt und seine dunkelbraunen Augen sind direkt auf mich gerichtet. „Du hast dich früher schon viel mit Tieren beschäftigt. Das war dir wichtig."

WOLVES - the secrets we remember || BAND 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt