21. 54° 31′ N, 9° 35′ O

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Das Plätschern des Wasserfalls entfernte sich immer weiter. Ich ließ mich in die Tiefe fallen. Folgte dem Strohm des Wassers und tauchte tiefer in mein inneres ein. Der Schmerz der durch die Ketten pochte, schob sich weiter in den Hintergrund. Da war Zuri. Ich strich über ihren Kopf und tastete mich in der Dunkelheit meiner Drachenseele vor. Da! Die Kette war wieder da. Langsam griff ich sie. Ein schmerz schoss ganz plötzlich durch meinen Körper. Ich biss die Zähne zusammen und kämpfte mich weiter voran. Etwas griff an meine Hüfte und wollte mich zurückziehen. Ein Knurren. Zuri! Sie hinderte mich daran voran zu gelangen. Kämpfte gegen die schmerzhafte Verbindung. Schweiß rann mir über die Stirn. Ich rutschte ab, doch ich griff die Kette erneut. Noch einmal würde ich sie nicht loslassen.

Mit zusammen gebissenen Zähnen kämpfte ich mich unaufhaltsam weiter. Und plötzlich wurde es still. Kein Rauschen im Hintergrund. Kein Schmerz, nichts. Alles war pechschwarz.

Meine Sicht begann zu verschwimmen und wurde langsam grau. Ich blinzelte und griff die Kette fester. Kälte wickelte sich um meine Füße und dann langsam klärte sich meine Sicht. Ich stand in einem grauen Raum. Es musste eisig sein. Mein Atem schlug Wolken und alles war nur spärlich beleuchtet. Normal war ich nicht kälteempfindlich, doch diesmal zitterte ich am ganzen Körper. Zum ersten Mal spürte ich, wie es sich frieren anfühlte. Ich inspizierte den Raum. Graue Wände, kein Tageslicht. Ich versuchte etwas mit meinen Sinnen wahr zu nehmen. Blut und ein tiefer Chlorgeruch.

Stirnrunzelnd trat ich aus der Dunkelheit. Es war weniger ein Raum, als eine riesige Halle. Eine alte Lagerhalle. Der starke Chlorgeruch erinnerte mich an eine Chemiefabrik oder ein zu stark gechlortes Schwimmbecken. Tatsächlich sah ich in der Ecke ein kleines Becken. Vielleicht fünf Zehn Meter lang, aber tief schwarz. Schwarze Nebelschwaden schwebten über der Wasseroberfläche.

Langsam schritt ich weiter. Meine Glieder schmerzen. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten. Dort, da war ein Stuhl. Eine Person saß auf ihm.

Ich knirschte mit den Zähnen und schob mich weiter vor. Sie wirkte so schmal und klein. Ja sogar zerbrechlich. Ihre Hände und Füße waren in Ketten gelegt. Ihr Kopf hing matt nach vorne. Das dunkle Haar verdeckte mir die Sicht auf ihr Gesicht.

„Charlie!" ich stolperte auf sie zu.

Es kam keine Reaktion. Blut tropfte zu Boden. Beim Näherkommen bemerkte ich wie ein grünes Labyrinth aus Strichen sich über ihre Arme zog. Das Gift des Mistelzweiges. Selbst die Ketten glühten grün. Ich erinnerte mich daran, was passiert war, als ich das vergiftete Messer des Drachenjägers angefasst hatte. Charlwood war an diesem Metall festgekettet.

Mein Herz schmerzte heftig. Meine Beine gaben nach und ich knallte vor ihr auf die Knie. „Charlie!" es hatte keinen Zweck sie hörte mich nicht. Ich war nicht wirklich da. Ich war lediglich durch die Verbindung hier.

„Was haben sie mit dir gemacht?" ich legte meine Hand auf ihr Bein, doch ich glitt hindurch. Ich war nicht da.

Sie zitterte an ihrem Körper. Nicht nur durch die Kälte, sondern auch durch den Schmerz. Ihr Stuhl klebte von bereits getrocknetem Blut, was darauf hinwies, dass sie entweder schon länger hier saß, als ich spürte oder dass das Blut von irgendeiner Person vorher war.

Verzweifelt sah ich mich um. „Wo bist du Charlie?"

Mein Blick glitt über die Wände. Da hing ein Schild. Ich brauchte einen Moment bis ich verstand, das es deutsch war. „Achtung, gefährliche Dämpfe." ich schnaubte. Deutschland! Wieso war ich nicht vorher draufgekommen. Deutschland war die Geburtsstätte der Drachenjäger.

Verzweifelt sah ich Charlwood an. „Wo bist du nur?" ich wusste, ich konnte sie nicht anfassen. Trotzdem legte ich meine Hand an ihre Hand, als könnte ich sie berühren.

Die Kriegerin - der verlorenen ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt