Rotlicht

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Mein Freund strahlte, er sprühte gerade vor Euphorie. Unter anderen Umständen hätte mich für dieses Glück, das er ausstrahlte, gefreut. Ich wollte ihn aber auch nicht bremsen, ihm diesen Moment stehlen. Also lächeln aufsetzen und ihn freudig umarmen. Ich war eine Hexe und Hexen schaffen Magie.

Sie schaffen natürliche Ereignisse, die dem Gegenüber suggerieren, willentlich und selbstbestimmt zum eigenen Vorteil zu handeln, um dadurch die Lösung eines oder ihres Problems zu erkennen. In meinem Fall, um meinen Freund Glauben zu lassen, alles sei wie vor einigen Stunden.

In der Hoffnung, er würde dieses Chaos, dieses Trümmerfeld, das in mir herrscht, nicht erkennen.

Wobei dies eine unsinnige und wage Hoffnung war und ich eine lausige Schauspielerin.

„Was ist mit dir Frauke, etwas stimmt nicht. Was war bei meiner Großmutter. Komm schon, ich sehe es, du schauspielerst".

Ich konnte und wollte ihn nicht anlügen, wobei er eine Lüge ohnehin durchschaut hätte. Diese Zerrissenheit, die in mir herrschte, machte es mir unmöglich. Das also war diese Selbstkontrolle, von der Martha immer gesprochen hat. Eine Hexe hat diese Selbstkontrolle. Ich hingegen war meilenweit davon entfernt. Blieb nur eines, Ablenkung.


„Tom, was war auf dem Weg zu diesem Bauern mit dir los?

Ich habe es gespürt, du warst in Panik, diese Angst. Du hattest ein Messer in der Hand. Also, wer hat dich angegriffen"?

Meine Taktik ging offenbar auf, denn Tom lies sich auf diese Gegenfrage ein und hielt mich an beiden Händen fest.

„Verzeih mir, ich wusste nicht, dass du meine Gefühle so stark wahrnimmst.

Bei der Berganfahrt, hatte ich plötzlich Suse und Faithful in meinem Kopf. Dann war da dieses Erlebnis, ich war in diese Decke gewickelt und konnte mich nicht gegen ihn zur Wehr setzen. Ich habe mich verkrampft und alles um mich herum wurde immer enger".

Eines war klar, mein Freund begann sich bereits wieder, in dieses Erlebniss hinein zu steigern. Er gestikulierte und atmete viel zu schnell.

„Dann war da sein Atem, ich habe seinen Atem gehört, direkt neben mir. Er wollte mich und alles hat sich gedreht".

Es war das Signal, ihn ins hier und jetzt zurückzuholen. Seine Erzählung würde sonst in einer erneuten Panikattacke enden.

Die beste aller Lösungen war immer noch Küssen. Seine Wangen in die Hände nehmen, tief Luft holen, Küssen. Seine Nase zuhalten und bis dreißig Zählen.

Ja, ich gebe es zu, das war nicht die erotische Welt, aber psychologisch gut.

„Und geht es wieder"?

Ja, er war wieder da, sein Puls ging runter und die Atmung in den normalen Bereich.

Während des Küssens hatte ich meinen Finger an Toms Halsschlagader und konnte so seinen Zustand überwachen.

Wie gesagt: Keine Erotik, sondern Medizin. Was die Allüren meines Freundes anbetraf, war ich vermutlich voll auf Überwachung getrimmt.

Jetzt galt es, ihn auf einen Alleingeng vorzubereiten. Es war seine Suche, seine Familie.

Ich musste meine Geschichte im Rotlichtmilieu am Bahnhof suchen.

„Tom, wir müssen diese Sache mit Anna und Suse nochmals besprechen. Ich fühle mich dabei nicht gut, das Ganze ist eine Familienangelegenheit. Es wäre nicht richtig, wenn ich diese Sitzung anführe. Du hast gesehen, was Anna erlebt hat.

Ich kann nicht entscheiden, ob du Anna als Mutter und Suse als Schwester akzeptieren kannst.

Was, wenn Situationen auftauchen, die ich als außenstehende völlig anders einschätze als du.

Insignien Teil 2  "Die Farben der Liebe"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt