chapter 20 - tränen

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Rewis POV:

Im Takt der Musik, die in meine Ohren dröhnte, ging ich die vielen Treppenstufen zu meiner Wohnung hoch. In meinen beiden Händen befanden sich vollbepackte Tüten. Palle und ich warteten immer bis zum letztmöglichen Zeitpunkt, um einkaufen zu gehen. Also hatte ich mich heute geopfert, diese unbeliebte Aufgabe zu übernehmen. Auch wenn ich eigentlich viel lieber Zeit mit Felix verbringen wollte. Aber dafür hatten wir noch den ganzen Abend und die Nacht zusammen.

Genervt von meinen eigenen Gedanken, stellte ich eine der Taschen vor der Tür ab, um diese aufzuschließen. Ich konnte nicht einmal ein paar Minuten am Tag nicht an Felix denken. War das normal? Ganz bestimmt nicht.

Ich bückte mich, nahm die Tasche wieder auf und betrat die Wohnung. Die Tür trat ich hinter mir mit einem Knall wieder zu. Sollten sich meine Nachbarn doch beschweren, die waren schließlich auch nicht immer die leisesten.

Ich ging weiter in die Küche und legte dort die Tüten ab. Die Musik motivierte mich in gewisser Weise, weswegen ich die Inhalte der beiden Tüten gleich anschließend einräumte. Von wegen, ich wäre eine Niete im Bereich Haushalt. Palle konnte stolz auf mich sein!

Als ich fertig war, zog ich mir die Kopfhörer von den Ohren und machte mich auf den Weg ins Wohnzimmer. Verwundert blickte ich mich um. Eigentlich hatte ich hier Felix erwartet.

"Felix?", rief ich nach ihm und kam mir wie der letzte Idiot vor, als keine Antwort zurückkam. Wo war der Spast denn schon wieder?

"Hallo? Jemand da?", rief ich lauter und ging in mein Schlafzimmer. Doch auch darauf bekam ich keine Antwort und es war niemand zu finden. Nicht mal Palle war da.

Nachdem ich in jedem Raum der Wohnung nachgeschaut hatte, beschlich mich langsam der Gedanke, dass mich die beiden verarschten. Super, da tat man mal etwas Produktives und so wurde man belohnt.

Vielleicht waren sie auch zu den anderen gegangen? Nachschauen konnte nicht schaden. Ich machte mich also auf den Weg zu Simon, bei dem sich irgendwie immer alle trafen. Doch von den beiden war auch dort keine Spur. Und keiner der Anwesenden konnte mir sagen, wo die beiden sein könnten. Na super.

Frustriert ging ich zurück in meine Wohnung. Es war noch zu früh, sich wirklich ernsthafte Gedanken zu machen. Die beiden würden schon noch früher oder später auftauchen.

Ich holte mir aus der Küche einen Yoghurt, den ich genüsslich auf dem Sofa im Wohnzimmer verzehrte. Währenddessen checkte ich meine Twitterbenachrichtigungen. Unsere Zuschauer freuten sich nach wie vor über Felix' und mein Zusammensein. Es waren ausschließlich positive Nachrichten, die mich grinsen ließen. Ich hatte schon echt den besten Job der Welt!

Allerdings würde ich diese Nachrichten viel lieber mit der Person lesen, für die sie ebenfalls bestimmt waren. Mensch, wo blieben die nur? Ungeduldig wippte ich mit meinem Fuß unter dem Couchtisch auf und ab. Ich vermisste Felix schon sehr. Und dass eine Zuschauerin über seine "unglaublich riesigen roten Lippen" twitterte, half mir dabei auch nicht. Diese Lippen... Wie gerne würde ich sie jetzt auf meinen spüren. Oder noch besser um meinen-

Das Geräusch eines Schlüssels an der Tür unterbrach meine Gedanken. Endlich! Grinsend sprang ich auf und lief zur Tür. Bevor derjenige auf der anderen Seite die Tür öffnen konnte, hatte ich sie schon längst aufgezogen.

"Da freut sich aber jemand, mich zu sehen", lachte mich ein gut gelaunter Palle an. Nur Palle. Das war nicht ganz das, was ich erwartet hatte.

Verlegen strich ich mir meine Haare nach hinten und trat einen Schritt zur Seite, damit er hereinkommen konnte. Nachdem er an mir vorbeigegangen war, schaute ich mich im Treppenhaus um. Aber auch hier befand sich kein Felix. So langsam fing ich doch an, mir Sorgen zu machen. Was war, wenn er sich verlaufen hatte? Es wurde mittlerweile dunkel draußen und er kannte sich in Köln nicht so gut aus.

Meine gute Laune verflog schlagartig und niedergeschlagen schloss ich die Tür hinter mir. Ich folgte Palle ins Wohnzimmer und setzte mich zu ihm aufs Sofa. Mein Blick war auf den Boden gerichtet. Ich wartete konzentriert darauf, erneut das Geräusch der Tür zu hören.

"Ehm, Rewi?", fragte mich Palle von der Seite, aber ich rührte mich kein Stück, "ist alles okay?"

Ich zuckte mit den Schultern. "Felix ist noch nicht da..."

"Hast du schon versucht, ihn anzurufen?", schlug er vor.

"Nee, ich dachte eigentlich, er wäre mit dir unterwegs, aber als er eben nicht mit dir zusammen kam...", versuchte ich zu erklären.

"Ich habe ihn nur heute Morgen einmal kurz gesehen", sagte er und stand auf. Auf dem Weg in die Küche meinte er noch: "Ruf ihn an, Rewi!"

Ich entschied mich dazu, seinem Rat zu folgen und tippte Felix' Nummer ein. Es wählte und wählte und dann wurde ich weggedrückt. Was sollte das denn jetzt?

"Felix? Ist alles in Ordnung? Warum hast du mich weggedrückt? <3", schrieb ich ihm.

Ich konnte es mir nicht erklären. Den ganzen Tag über war doch noch alles okay gewesen? Wir hatten gemeinsam das Video hochgeladen, hatten einige Folgen "Rewilz" aufgenommen. Wir hatten Spaß, hatten uns gut verstanden. Und jetzt drückte er mich einfach so weg? Irgendetwas musste passiert sein.

Lange starrte ich auf meinen Handybildschirm, auf dem immer noch Felix' Chat zu sehen war. Sein Profilbild zeigte uns beide an einem sonnigen Tag im Sommer, der schon wieder fast ein halbes Jahr her war. Er hatte die Nachricht bekommen, aber nicht gelesen. Schon seit Stunden war er nicht mehr online gewesen. Was war, wenn wirklich etwas passiert war? Sollte ich die Polizei verständigen? Oder vielleicht seine Mutter?

"Rewi, komm mal schnell!", schrie Palle mir aus der Küche zu. Was war denn jetzt los? Lustlos folgte ich seiner Stimme und erblickte ihn mitten in der Küche vor unserem Tisch stehend. Er blickte mir kurz zu, dann zeigte er auf etwas, das sich halb unter dem schmutzigen Geschirr befand. Sofort ging ich dort hin und zog es aus dem Müllberg heraus.

Es war ein Zettel. Die Handschrift, so krüppelig sie auch aussah, erkannte ich sofort. Es war ein Brief von Felix.

Verwirrt schaute ich zu Palle, dessen Gesicht meinen Ausdruck widerspiegelte. Er zuckte mit den Schultern und verließ dann den Raum. Er war echt ein guter Freund, der genau wusste, dass ich in dieser Situation alleine sein wollte.

Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich mich auf den hohen Küchenstuhl setzte und anfing zu lesen.

Basti,
Ich möchte mich nur von dir verabschieden. Weiß nicht, ob dir das überhaupt etwas bedeutet. Aber es ist wichtig für mich. ... großer Schritt für mich. Bitte suche nicht nach mir. Du würdest mein Herz nur zusammenflicken, um es danach wieder zu zerstören. Das halte ich nicht aus. Ich weiß, dass ich dir nichts bedeute, aber du ... viel. Von meiner Seite war alles Ernst gemeint. Aber das zählt jetzt ja eh nicht mehr.
Ich werde einfach versuchen zu vergessen. Auch wenn ... nicht leicht fallen wird. Du hast mich bestimmt eh schon vergessen. Ich werde das auch schaffen.
Ich liebe dich, Basti!
Felix.

An einigen Stellen war die Tinte verschmiert, sodass die Wörter nicht lesbar waren. Aber man konnte diese im Zusammenhang erschließen. Und mir gefiel absolut gar nicht, was ich dort las. Das war doch nicht sein Ernst, oder? Wie konnte er mir das antun? Ausgerechnet jetzt, wo alles so gut lief? Hatte er denn nicht verstanden, dass ich es auch Ernst meinte?

Und genau wie Felix' Tränen scheinbar das Blatt in meinen Händen verschmiert hatten, fielen jetzt auch meine Tränen hinunter. Direkt zu seinen. Immerhin war unser Leid vereint.

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A/N: ich kann gerade nicht so ganz fassen, dass wir schon bei kapitel 20 sind. wow! hätte nie gedacht, dass diese story so lange geht. geschweige denn, dass ich so viele reads & votes und vor allem kommentare bekomme. danke, danke, danke an euch. ihr seid cool. <3

erdbeersüß. | rewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt