Ich schrie.
Anders wusste ich nicht mit dem aufgestauten Frust in meinem Inneren umzugehen. Ich wollte dieses Zimmer nicht teilen. Natürlich hatte ich gesehen, dass hier zwei Betten standen und dass es zwei Schränke gab und dass man dieses Zimmer eigentlich teilen musste. Aber ich wollte dieses scheiß verfickte Zimmer nicht teilen!! Ich war in beiden Schränken, denn ich brauchte meinen Platz. Seit Monaten hatten sie sich nicht die Mühe gemacht mit irgendeinen hässlichen Spasten in das Zimmer zu packen, die wusste, dass das eh nichts wurde.
Ich meinte, was sollte das werden? Es war nicht so, als seien nicht auch andere Zimmer frei waren, warum sollte dieser Kackvogel zu mir? Nicht nur, dass ich keinen Bock auf ihn hatte, so war ich auch wirklich keine gute Person, um ein Zimmer zu teilen und irgendwie tat er mir leid.
Mein Problem waren Aggressionen und Wut, kleinste Dinge reichten, um mich so anzupissen, dass ich mit Sachen um sich warf. So jemanden wollte man nicht als Roomie. Vielleicht bekam ich ihn ja vergrault und er bettelte bei der Heimleitung selbst an, in ein anderes Zimmer zu kommen.
Der Gedanken, mich an irgendwen anpassen zu müssen, machte mich rasend und ich hasste ihn einfach aus Prinzip jetzt schon. Sollte das ein Weihnachtsgeschenk sein?! Will ich nicht. Danke, Ich verzichte. Die Anspannung in meinem inneren wollte einfach nicht nachlassen, also nahm ich eines der Bücher von Regal und warf es so fest ich konnte an die gegenüberliegende Wand. Das reichte immer noch nicht, also schnappte ich mir mit einem wütenden Knurren das nächste, dann noch eins. Es wurde irgendwie schlimmer mit jedem Wurf. Ich wurde irgendwie wütender, was dafür sorgte, dass ich auch nicht aufhörte, als die Tür aufging.
Immerhin schien er gute Reflexe zu haben, denn er zuckte wieder raus aus dem Raum und wartete, bis ich lautstark fluchend mein letztes Buch geworfen hatte. Mein Regal war nun leer und alle meine Bücher lagen teils offen, teils zu auf meinem zweiten Bett, was sich dieser Scheißkopf unter den Nagel reißen wollte. Ich atmete schwer und sah ihn wütend an und er erwiderte meinen Blick nur ruhig und trat in den Raum ein. Er schloss die Tür an und lehnte sich gegen diese. Dann betrachtete er kurz mein Werk, dann wieder mich.
Seine Haare waren feucht und zerzaust und auch sonst sah er aus, als hätte er sich einmal den Arsch abgefroren, mein Blick huschte zum Fenster und erst jetzt bemerkte ich, dass das Wetter erstaunlich gut zu meiner Stimmung passte, denn da draußen tobte ein fucking Blizzard. Naja, oder es schneite wirklich stark, wenn man es nicht übertreiben wollte. Meine Augen glitten zurück zu dem Eindringling.
Ich wartete darauf, dass er etwas sagte, doch das kam nicht. Er versenkte einfach nur seinen Blick in meinem und schien dann für sich eine Entscheidung zu treffen, die wohl darin gipfelte, dass sich ein strahlendes Lächeln auf seinen Lippen ausbreitete.
Das traf mich so unvorbereitet, dass ich mich spontan abregte, einfach, weil es so irritierend war. Sollte er mich nicht erst mal unsympathisch finden? Oder irgendwie über mich urteilen? Doch nein, er stand einfach in der Tür und zeigte mir das schönste Lächeln, welches ich je an einem Menschen gesehen hatte. Seine Augen funkelten so fröhlich und warm, dass es mich glatt ein wenig verlegen werden ließ. Unsicher trat ich einen Schritt zurück und stieß dabei mit den Waden vor meine Bettkante, was mich aus dem Gleichgewicht brachte und wie ein nasser Sack auf mein Bett kippen ließ. Das war peinlich. Wie wirkte das denn? Als hätte mich sein dämliches, blödes, freundliches, offenes, hübsches Grinsen umgehauen.
Irgendwie regte mich das nur von Neuem auf und wieder fühlte ich Tränen der Wut in meinen Augen brennen, dieses Mal nicht, weil mir was weggenommen wurde, sondern, weil ich mich blamiert hatte und mich schämte. Ich ballte meine Hände zu Fäusten, um der Anspannung in wenig Raum zu geben und grub dabei meine Fingernägel in meine Handflächen so fest ich konnte, um mich auf was anderes konzentrieren zu können. Ich blieb einfach liegen und warf ihm einen bösen Blick zu. Er lächelte immer noch. Dann stellte er seine Tasche neben das Bett, welches ich so schön mit meinen Büchern dekoriert hatte und setzte sich dann auf dieses.
"Ich bin Hoseok", sagte er und lächelte mich noch freundlicher an, wenn das überhaupt möglich war. Was machte jemand wie er hier? Ich fragte mich, was er wohl für ein Problem hatte, dass ihn in eine Psychiatrie führte. "Wie heißt du?", setzte er fragend hinzu, doch ich hatte keinen Bock auf diesen irritierenden Menschen und drehte mich einfach mit einem Ruck um, um wütend die Wand anzustarren. Ich tat, als würde ich ihn ignorieren, doch in Wahrheit lauschte ich darauf, was er tat. Ich konnte hören, dass er meine Bücher wieder zusammen sammelte und aufnahm. Dann kam er näher und räusperte sich leise.
"Darf ich mich kurz zu dir setzen? Ich würde dir gern deine Bücher wiedergeben, ist das okay?"
Ich gab nur ein Geräusch von mir, auch wenn ich selbst nicht mal wusste, was ich ihm damit sagen wollte. Irgendwie fühlte ich mich schlecht, dass ich so ausrastete, während er so freundlich zu mir war. Es tat mir leid, dass ich so auf ihn geschimpft hatte, wo er doch auch nichts dafür konnte. Er war nicht derjenige, der sich ausgesucht hatte, zu mir ins Zimmer zu kommen. Ich lockerte meine Fäuste wieder ein bisschen und drehte mich wieder um. Er sah das als Zustimmung, denn er setzte sich in einigem Abstand zu mir und machte den Bücherstapel auf seinem Schoß etwas gerader, während ich ihn nur misstrauisch musterte.
"Sorry", nuschelte ich undeutlich und sah schnell wieder weg, doch im Augenwinkel konnte ich sehen, wie er mich wieder anlächelte. Ich setzte mich trotzig auf und zog die Beine an. Ich war einen Kontrollblick auf meine Handballen, doch ich hatte nur Abdrücke, nichts weiter schlimmes. Die wussten schon, warum sie meine Fingernägel immer schnitten und feilten.
"Ist schon in Ordnung", erwiderte der junge Mann und betrachtete das erste Buch genauer, ehe er es auf die Seite und somit auf mein Bett legte. Dann schaute er sich das Zweite an und das Dritte, das Vierte und auch die restlichen.
"Ich liebe dieses", sagte er und hielt eins hoch," und das hab ich mal angefangen, aber ich glaub ich habe es einfach nicht kapiert." Er zeigte ein Zweites. Er grinste mir zu und schob den Stapel mir zurück. Dann stand er auf und ging wieder rüber zu seinem Bett. Ich folgte ihm mit dem Blick und ließ meinen Blick einmal über seine ganze Erscheinung wandern, hörte aber sofort auf, als ich merkte, dass ich ihn irgendwie auscheckte. Ich wuschelte mir verlegen durch die Haare und heftete meine Augen auf meine Bücher, bevor ich sie mir heranzog und sortierte.
"Jimin", sagte ich leise.
"Freut mich", antwortete er, als hätte ich normal mit ihm gesprochen. Er schien da wohl irgendwie schmerzfrei zu sein. "Ein schöner Name", setzt er hinzu und als ich ihm einen Blick zuwarf, lächelte er mir nur wieder zu. Er hatte sich seine Tasche hochgestellt und warf einen vorsichtigen Blick in den Schrank, wo in einem Fach noch meine Sachen drin waren.
"Räume ich gleich raus", maulte ich und er lächelte.
"Hat Zeit", er winkte ab, "wenn du willst, kannst du das Fach auch haben und ich nehm den Rest vom Schrank, ich habe wirklich nicht so viel Zeug und mich stört das nicht." Ich überlegte kurz, dann zuckte ich mit den Schultern. Dann nickte ich und stellte meine jetzt etwas lädierten Bücher zurück auf mein Regal.
"Wie alt bist du?", fragte ich und er räumte weiter seinen Schrank ein. "Siebzehn", konnte ich seine Stimme gedämpft vernehmen, denn er steckte mit dem Kopf im Schrank. Er war also ein Jahr älter als ich. Ich wusste nicht wie alt ich ihn geschätzt hätte, aber er war in meinem Alter und vielleicht verstand ich mich ja doch mit ihm. Wie immer kam ich mir dumm vor, wenn ich mich erst mal abgeregt hatte.
"Weswegen bist du hier?", fragte ich also weiter und er kam mit dem Kopf wieder aus dem Schrank heraus. Er drehte sich zu mir um und schenkte mir wieder eines dieser schönen, strahlenden Lächeln, die wirkten, als könnten sie den Weltfrieden bringen und böse Krankheiten heilen.
"Depressionen", sagte er.
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Seven Years
FanfictionDas Leben ist nicht immer leicht und wenn jemand das weiß, dann ist es Jimin. Schon in jungen Jahren vernachlässigt holen ihn die Schatten seiner Vergangenheit ein. Ergebnis: geschlossene Therapie in einer entsprechenden Einrichtung. Dort lernt er H...