Like a victim-2

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Zu meiner absoluten Erleichterung war der Musikraum noch im gleichen Gang, sodass ich anstatt zu spät zu kommen wie es wahrscheinlich bei Amanda der Fall war, die quer durch die halbe Schule hechten musste, um zu den Naturwissenschaften-Trakt zu kommen, als erste da war.

Das hieß freie Platzauswahl für mich. Zumindest etwas. Ich wüsste nicht, was ich tun würde, wenn Mr Ferwood jetzt auch noch die Nicki Minaj in sich fand.

Mit hängenden Schultern setzte ich mich auf einen der Stühle in der ersten Reihe. So hatte ich schon mal bessere Chancen im Unterricht aufzupassen. Worauf ich aber eigentlich kein allzu großes Verlangen spürte.

Wieso konnte nicht jetzt einfach schon Schulschluss sein?

Ich hatte jetzt wirklich schon elf Jahre diesen ganzen Mist mitgemacht und jeder Tag ähnelt dem nächsten; früh aufstehen, fertig machen, den Bus in letzter Sekunde erwischen, sich von Kurs zu Kurs schleppen, die Minuten bis Schulschluss zählen, um dann wieder nach Hause zu fahren.

Zum Sterben langweilig.

Während ich mir eine rote Haarsträne um den Finger wickelte, sah ich, wie eine Gruppe von Mädchen in den Raum stolzierte. Alle drei warfen mir nur verachtende Blicke zu. Pam hatte wahrscheinlich keine Zeit verschwendet, ihnen Schlechtes über mich zu erzählen.

Ach ja, die Chancen, dass ich in diesen Kurs eine Freundin zum Quatschen finden konnte, standen gleich null.

Also zog ich nur genervt meine Augenbrauen hoch und die Truppe drängte sich an mir vorbei, wobei sie es nicht sein lassen konnten, nochmal ihre Haare über die Schulter zu schwingen.

Sollten sie das ruhig tun und am Besten sie stolperten auch noch über ihre Füße, was wirklich kein Wunder gewesen wäre, wenn man einmal ihre Schuhe unter Augenschein nahm. Bei diesen Absätzen wunderte es mich, dass sie noch nicht umgeknickt und in den Schnee gefallen waren.

Ich drehte mich wieder lustlos Richtung Tür, in der Hoffnung, dass vielleicht doch noch eine meiner Freundinnen dort auftauchen würde. Oder zumindest jemanden, mit dem ich mich unterhalten konnte, damit ich hier nicht wie der letzte Loser alleine rumhocken musste. So hatte ich mir den Start ins zweite Halbjahr jedenfalls nicht ausgemalt.

Aber selbst als der Raum voller und voller wurde, war noch keiner meiner Freundinnen zu sehen. Und in diesem Moment fasste ich einen Entschluss: Ich hatte defintiv zu wenig weibliche Freunde. Das war aber nicht immer unbedingt schlecht, so gab es auch nur wenige Leute, mit denen ich mein Essen teilen musste.

»Na, ist die kleine Jillian beleidigt, dass sich ihre Freundinnen nicht blicken lassen?"«

Erschrocken drehte ich mich zu der Stimme um, die mich hier fast zu einem Herzinfakt geführt hatte.

Vor mir stand ein grinsender Jerik, der sich anscheinend immer noch etwas darauf einbildete, dass er fast ein Jahr älter war als ich und seine Schwester. Was ich nicht nachvollziehen konnte...denn wenn ich ein Kind wie Jerik bekommen würde, das den ganzen Tag nur rumgeschrien hätte, hätte ich es mit Kind Nummer zwei ganz sicher nicht so eilig gehabt wie die Leech Eltern.

Andererseits wäre sonst vielleicht nicht seine Schwester entstanden, weil Jerik als Kleinkind laut detailreichen Erzählungen und eigenen Erfahrungen noch viel schlimmer gewesen war. Spätestens dann würde ich Kind zwei, und somit seine Schwester, aus meiner gesamten Zukunft streichen.

Seine Schwester, die seit der Junior Highschool meine beste Freundin darstellte.

Somit kannte ich ihn also auch schon ziemlich lange, was ja irgendwie unvermeidlich war. Ich meine, sicher konnte man das vermeiden, aber warum zur Hölle sollte man das tun?

Amor? There's just me, but it's actually the sameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt