Do you have Cookies?

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Das Warten verging so schnell, das man es gar nicht mehr wirklich Warten nennen konnte. So schnell, wie es auch bei der baldigen Aneinanderreihung meiner Probleme gehen würde.
Und schon war die Zeit weg und dafür Melissa da. Mit einem strahlendem Lächeln auf dem Gesicht, das allerdings aufgrund unserer zahlreichen Erscheinung von etwas Unsicherheit unterstrichen wurde.
Jerik trug nach der herzzerreißenden Begrüßung ihren Koffer die Treppe hoch und wir konnten nur von Glück reden, dass ich nicht zu dieser Aufgabe verdammt wurde. Ein Genickbruch wäre sicher drin gewesen, wenn ich samt Koffer die Treppe runtergefallen wäre.
Es war einer dieser Momente, in denen man sich einfach schrecklich unnötig fühlt. Chase und Beth waren in einem Gespräch verwickelt, Lissa lobte ihre Tochter für die gute Arbeit und ich und Shawn standen da rum wie Kartoffeln. Aber verdammt coole Kartoffeln musste man anmerken.
Aber schon bald wurden wir nach oben verscheucht, weil die Auftraggeber jeden Moment kommen sollten. Ich könnte mir gar nicht ausmalen, unter welchem Druck Lissa und Am standen. Den Job als Innenarchitektin stellte ich mir ziemlich schwierig und anspruchsvoll vor, weshalb ich nicht verstehen konnte, warum Am in die Fußstapfen ihrer Mutter treten wollte. Als ich sie genau das mal gefragt hatte, hatte sie nur lachend gemeint, dass es ihr mehr Spaß macht, Wohnungen zu errichten als sie zu zerstören. Ich denke, es war klar, dass sie mit der zweiten Kategorie Mensch mich meinte.
Schon als wir in Jeriks Zimmer ankamen, klingelte es unten, was bedeutete, dass die Gäste schon da waren. Und das wiederum hieß, dass es jetzt 18 Uhr war und ich meine Mutter jetzt 24 Stunden lang nicht gesehen hatte. Zwar ging ich nicht davon aus, dass sie sich große Sorgen machte, aber schaden konnte es auch nicht, wenn ich mich mal zuhause melden würde.
Nach dem altbekannten Tuten ging dann endlich Nathalie ans Telefon. Und weil meine Freunde ja so nette Menschen waren, redeten sie einfach munter weiter, ohne darauf zu achten, etwas leiser zu sprechen.
"Also hatte Mum mit ihrer Vermutung vielleicht doch Recht; Du bist gar nicht bei Amanda, sondern auf einer Party oder so." Genau so fing unser Gespräch an. Kein 'Hi', kein 'Wie geht es dir?', stattdessen eine schräge Vermutung meiner Mutter aus, die durch den Lärmpegel in diesem Zimmer nur noch mehr bestätigt wurde.
Es herrschte einige Sekunden Stille an der anderen Seite, dann lachte meine Schwester gekünstelt."Sorry, falscher Text. Eigentlich sollte ich sagen:Oh Gott, Jillian, wir haben uns ja solche Sorgen um dich gemacht. Wir wollten schon die Polizei rufen." Diese Desinteresse mit der sie sprach, passte überhaupt nicht zu dem Inhalt.
"Echt?", fragte ich trotzdem ungläubig, was direkt mit einem hysterischen Lachen quittiert wurde."Natürlich nicht, Dummerchen", meinte sie und ich verdrehte nur genervt die Augen.
"Ist Mum da?", wollte ich wissen. Die freute sich hoffentlich mehr, mal wieder was von ihrer Tochter zu hören. Doch auch diese Hoffnung wurde von Natty zunichte gemacht."Nein, die schleimt sich gerade bei einer Bekannten ein, um dir noch ein Praktikumsplatz zu sichern, reichlich spät muss man sagen." Und das wäre der perfekte Moment gewesen, mein Handy fallen zu lassen, um mit offenem Mund überrascht dazusitzen und mir nach einem halben Jahr endlich mal Gedanken um das Praktikum zu machen, doch dafür blieb mir gar keine Zeit mehr übrig.
Denn genau in diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und eine Melissa mit hochrotem Kopf trudelte ins Zimmer. Mein Unterbewusstsein reimte sich schon sämtliche Möglichkeiten zusammen, wie ihr Kopf zu einer Tomate wurde. Von Ausschlag über Wut bis zu einer plötzlichen Bombardierung. Sie zog die Aufmerksamkeit des ganzen Raumes auf sich.
"Ihr beide", zischte sie und fixierte erst Jerik und dann mich mit ihrem Killerblick. Warum hatte ich nur das Gefühl, dass die Röte in ihrem Gesicht auf ihre Wut zurückführbar war?
Schnell ging ich alle Sachen durch, die ich in den letzten Stunden verbrochen haben könnte. Aber bis auf ein paar kleine Ausnahmen war da nichts. Ich war für meine Verhältnisse echt brav gewesen.
Mit ihrem Blick gab sie uns zu verstehen, dass wir mitkommen sollten. Trotz des flauen Gefühls in meinem Magen folgte ich ihr und Jerik. Verzweifelt dachte ich an die alleingelassene Pizza, die jetzt sicher kalt werden würde. Aber hauptsächlich versank ich im Selbstmitleid. Hatte ich in den letzten Tagen nicht schon genug Ärger gehabt? Anscheinend nicht.
Vor der Wohnzimmertür stoppte Jeriks Mum plötzlich und drehte sich zu uns. Ihr Blick war wie versteinert, als müsse sie sich anstrengen, uns nicht in Grund und Boden zu schreien.
"Ich will jetzt keine Erklärungen von euch, die könnt ihr später abliefern. Ihr geht da jetzt rein, entschuldigt euch höflich und bringt es wieder in Ordnung. Dafür bin ich nämlich leider zu blöd." Jedes Wort, was sie in den Mund nahm, löste nichts als völlige Verwirrung in mir aus.
Mit einem Ruck öffnete Melinda die Tür und sofort suchte ich den Raum mit meinen Augen ab, in der Erwartung, etwas zu finden, an dem wir Schuld sein könnten.
Der Boden war nicht überschwemmt, die Wände sauber, und der Raum von Grund auf aufgeräumt.
Und dann glitt mein Blick zum Fernseher. Ein Fehler, so könnte man es nennen.
Dort war ich abgebildet. Das Bild von gestern Nacht. Ich, mit Augenringen, Jogginghose und Schokoladenflecken im Gesicht. Geschockt sah ich zu Jerik, doch auch der zuckte nur ratlos mit den Schultern und schaute unentschlossen Richtung TV.
Was ging hier nur ab? Wie konnte es sein, dass mein Bild jetzt auf den Fernseher übertragen wurde? Steckte Jerik dahinter? Oder vielleicht Shawn? Bethany?
Nach einem strengen Blick Melinda seits machte ich noch ein paar mehr Schritte in das Innere des Raumes und Jerik tat das Gleiche.
Der Scham war mir ins Gesicht geschrieben. Gott, war das peinlich! Das schlimmste Bild von mir wurde auf einen Fernseher übertragen, sodass zwei alte Knacker jede Pore meines Gesichts studieren konnten.
Ich nuschelte eine Entschuldigung, obwohl ich eigentlich mal wieder unschuldig war und beobachtete Jerik dabei, wie er am Fernseher rumhantierte.
Ich konnte förmlich die Blicke der Kunden auf mir spüren.
Missbilligung, Spott, Fremdschämen.
Eins war klar:Jerik schuldete mir eine Erklärung.
Nachdem er mehrere Knöpfe auf der Fernbedienung gedrückt hatte, wechselte der Bildschirm zu einer Frontansicht eines Raums. Erleichtert und ohne einen weiteren Blick nach hinten zu riskieren lief ich aus dem Raum. Bevor ich aber die Treppe nach oben eilen und dort Sachen zerstören konnte, hielt mich Jeriks Mum am Arm fest. War ja klar, dass das noch nicht ganz beendet war.
"Meine Kunden werden es wohl noch zwei Minuten ohne mich aushalten", zischte sie,"Und jetzt erklärt ihr mir bis ins Detail, was das gerade war." Verständnislos schüttelte ich mit dem Kopf."Woher sollen wir das wissen?" Melissa warf mir einen Das-kann-doch-nicht-dein-Ernst-sein-Blick zu und meinte seufzend:"Dann sagt mir doch erstmal, woher das Bild ist."
Auffordernd stemmte sie die Hände in die Hüfte und schien auf eine Antwort zu warten. Dass die Frage unnötig war, interessierte Niemanden, als wir zu einer Erklärung ansetzten.
Bevor Jerik eine stundenlange Rede halten konnte, indem er alle W-Fragen beantwortete, wie wir es brav in der Schule gelernt hatten, fing ich an zu sprechen:"Das ist von letzter Nacht."
Melissa nickte langsam und blickte dann zu Jerik."Gib mir mal dein Handy", verlangte sie fordernd und streckte ihm ihre Hand entgegen. Verwirrt fischte er sein IPhone aus der Hosentasche und gab es ihr. Wortlos checkte sie es ab und schlug sich dann die Hand gegen die Stirn. Das könnte entweder ein Zeichen für Jeriks Dummheit oder die ihre sein. Realistischer war das Erste, aber wünschenswerter das Zweite. Ich war echt zu dumm, um diese Unterhaltung zu verstehen. Eins weiß ich jetzt: Konversationen waren um Einiges einfacher, wenn man nicht so vage wie das Orakel von Delphi sprach.
"Was habe ich dir vor meiner Abreise gesagt?", fragte sie mit einem tadelnden Blick zu dem Jungen unter uns. Warum fühlte ich mich gerade nur wieder so überflüssig?
"Dass ich der beste Sohn bin, den man sich wünschen kann." Typisch. Dass Jerik in so einer Situation überhaupt noch spaßen konnte. Melissa konnte ganz schön angsteinflößend sein, wenn sie wollte. Währenddessen ich so angsteinflößend war wie eine Katze ohne Krallen, hatte Amanda mal gesagt.
"Und was hab ich dir strikt verboten?", startete seine Mutter einen weiteren Versuch, die Antwort aus ihm herauszubekommen. Also meiner Mum wäre die ganze Fragerei schon viel zu anstrengend geworden.
Jerik grinste nur breit."Dass ich nicht die Speisekammer plündern soll", antwortete er mit einem fetten Grinsen auf dem Gesicht, was ich ebenfalls versuchte zu unterdrücken.
Melissa verdrehte gereizt die Augen und atmete scharf die Luft ein."Du weißt genau, auf was ich hinaus will. Und du weißt, wie wichtig das war, obwohl es nicht viel verlangt war. Deine Schwester hat viel mehr geleistet." Mit diesen Worten rauschte sie wieder ins Wohnzimmer und ließ uns hier alleine stehen. Tausende Fragen kreisten in meinem Kopf herum, aber, wenn ich ehrlich war, traute ich mich nicht, sie zu stellen. Stattdessen fragte ich ihn was Anderes:"Habt ihr noch Cookies in der Vorratskammer?"

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Sorry, dass jetzt 3 Wochen nichts kam, aber ich hatte viel zu tun und war auf Klassenfahrt :) Leider wird das jetzt nicht besser werden weil ich mich in 1 Woche oder so schon im Urlaub befinde und dort komm ich dann auch nur selten zum schreiben.
Jetzt aber zu was Positivem! :D Danke für die 10k Reads!!! Und für die 100 Follower! *-* Ihr seid die besten :)

Amor? There's just me, but it's actually the sameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt