Ich schnappte mir ein Kissen, welches ich umklammerte, nur um mich damit wieder vorsichtig auf mein Bett zurückzulegen, um meinen Rücken nicht allzu sehr zu beanspruchen. Draußen wurde es allmählich dunkel, sodass das einzige, was den Raum beleuchtete eine kleine Nachttischlampe war. Im Hintergrund konnte man leise Musik spielen hören. Die Wände waren dünn und ich war viel zu paranoid, dass mich jemand hören könnte. Ich hatte gehofft mich mit der Musik ein wenig abzulenken, doch irgendwie warf der Text nur noch mehr Fragen in mir auf. Im Endeffekt lag ich dann doch nur wieder unproduktiv in meinem Zimmer und starrte Löcher in die Luft. Alle fünf Minuten schaute ich dabei auf mein Handy, nur um feststellen zu können, dass niemand an mich dachte. Da fiel mir auf, dass es schon mehrere Stunden her war, seitdem ich mich von Eren verabschiedet hatte. Solange konnte er doch nicht nach Hause brauchen, oder?
In Gedanken vertieft, hörte ich Schritte, die den kleinen Flur entlangliefen. Hanji hatte wohl auch keine Lust mehr im Wohnzimmer herumzusitzen. Umso besser für mich, denn wenn ich auf die Uhr sah, wusste ich, dass ich meine Medikamente schlucken musste. Leise lief ich durch das Wohnzimmer, wo ich bemerkte, dass ich Hanji wohl oder übel wieder hinterher räumen musste, bevor ich weiter in die Küche konnte. Die Seite auf der sie saß war zerknittert, die Kissen verrutscht, die dünne Stoffdecke rücksichtslos hingeschmissen und das Geschirr stand auch noch dort. Gelangweilt von der Situation ließ ich meine Schultern mit einem kurzen Seufzer hängen. Mir kam es so vor, als hätte sie es von Tag zu Tag selbstverständlicher genommen, dass ich aufräumte, seitdem ich wieder allmählich in der Lage dazu war. Es nervte mich, denn auch wenn ich kein Problem damit hatte zu putzen, mochte ich es nicht auch noch den Dreck der anderen in Ordnung bringen zu müssen. So viel Anstand sollte man doch haben. Aufgrund meiner Rückenschmerzen nahm ich nur das Geschirr in die Hand und begab mich schließlich in die Küche, wo ich alles in die Spüle stellte, ehe ich mich dann gezwungenermaßen um mich selbst kümmern konnte.
Mit einem leeren Blick sah ich dem prickelnden Wasser dabei zu, wie es das Glas füllte. Ich hatte mir nicht einmal die Mühe gemacht das Licht anzumachen, weshalb mir der Schein der Laternen von außen als Hilfe diente.
Es folgte das gleiche wie jedes Mal. Mit demselben nichtssagenden Ausdruck schluckte ich die Kapseln und verharrte kurz an der Küchentheke, um dem bitteren Geschmack keine Chance zu geben, mich zum Würgen zu bringen. Zumindest waren diese Kapseln im Vergleich zu den Flüssigen Medikamenten ein Klacks gewesen, doch die anderen waren auch bald an der Reihe. Vor meinem Inneren Auge konnte ich mich schon das Badezimmer beanspruchen sehen.
Gerade als ich einen letzten Schluck Wasser trinken wollte, durchzog ein unangenehmes Ziehen meinen Brustkorb. Hustend nahm ich das Glas von meinen Lippen. Sich verschlucken während man den Brechreiz ignoriert. Ganz miese Kombination.
Während ich versuchte so leise wie möglich zu husten, um nicht von Hanji gehört zu werden, legte ich meine Hand reflexartig an die Einstichstelle des Katheters, der dieses Ziehen verursacht hatte. Das Teil war manchmal wirklich zum Kotzen. In diesem Moment konnte man das sogar wörtlich verstehen. Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt hatte, setzte ich mich erschöpft und mit einem gereizten Hals an den Esstisch. Ganz schön bescheuert, wenn einem selbst so ein Aussetzer immense Kraft kostete. Aber wie sollte es auch anders sein, wenn man ein Jahr lang nur in seinem Krankenbett lag und jeder Schritt zu einer Herausforderung wurde, welche man lieber nicht in Angriff nehmen wollte? Nur ungern erinnerte ich mich an diese Bilder, aber ich konnte sie einfach nicht vergessen. Ich konnte nicht vergessen, welche Schmerzen jeder Schritt mit sich brachte und wieviel Kraft ich aufbauen musste. Die Bilder, in denen ich mich hilflos an dem Infusionsständer krallte, weil ich Angst davor haben musste, gleich die Kraft in meinen Beinen zu verlieren und unaufhaltsam auf den Boden zu krachen. Und damit sowas passieren konnte, musste ich gerade einmal die wenigen drei Meter bis ins Badezimmer laufen, wenn man diese Fortbewegungsart überhaupt als Laufen bezeichnen konnte. Und wenn ich dann wie ein Skelett auf den Boden zusammengebrochen war, konnte ich mich darauf einstellen mir durch den Sturz alle möglichen Verletzungen zugezogen zu haben. Womöglich eine neue Infektion, die ich zu meiner Sammlung hinzufügen konnte.

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Blutmond || Ereri FF
FanfictionIsoliert von den grauen Wänden des Krankenhauses. Mein größter Kampf sollte es sein den Krebs zu besiegen und zu leben, doch es war das Leben selbst, dass mir den größten Schmerz bereitete. Nach etwa einem Jahr wurde ich nun endlich entlassen. Ich h...