Kapitel 1

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Twenty One Pilots

Cancer


Hallo Eren,

Es tut mir leid, dass ich dir das nicht persönlich sagen kann. Wie hast du mich in Erinnerung? Vermutlich als den kleinen Eisklotz, der dir nie das zurückgegeben hat, was du dir gewünscht hast. Dabei war es nie viel gewesen... Es tut mir leid, dass mir das erst jetzt klar geworden ist, doch ich bin endlich aufgewacht, wurde als geheilt erklärt, jedoch schmerzt der Anblick der Wahrheit so sehr in meiner Brust, dass ich lieber krank geblieben wäre.

Ich hasse diese Welt. Ein Satz, den du mir immer wieder auszureden versuchtest, doch hast du dir die Menschen auf ihr schon einmal genauer angesehen? Siehst du nicht, was auf dieser Welt alles schiefläuft? Keine Empathie, kein Respekt... Ich hasse es hier und mich selbst hasse ich auch, auch wenn ich mich durch dich etwas mehr mögen gelernt habe.

Ich hoffe, dass es mir auf diesem Weg leichter fällt mit dem ganzen Scheiß klarzukommen. Du meintest immer, dass ich mit jemandem reden sollte, dann meintest du, dass ich Dinge aufschreiben soll, wenn sie mir zu viel werden, doch das zu tun, während du mir nahezu über die Schulter blickst, setzt mich etwas unter Druck.

Ich hoffe du liest das...

°°°°

Das Gebäude, in welchem Leben und Tod zu Freunden wurden, öffnete mir seine Pforten zur Entlassung, selbst wenn ich wie eine wandelnde Leiche aussah. Die Behandlung hatte ihre Spuren in sowie auf meinem Körper hinterlassen. Tag ein Tag aus war ich an diversen Geräten angeschlossen, die zum einen meinen Herzschlag und andere Organe im Blick behielten und zum anderen gab es noch meinen Herzkatheter, ein Zugang für die unzähligen Infusionen und Blutspenden, sowie anderen Antibiotika, dazu gehörten auch Schmerzmittel und natürlich die Chemos, denen ich zu verdanken hatte, dass mein Körper nicht ein einziges Härchen trug. Alles nur um meinen halbtoten Körper beim Kampf gegen den Krebs zu unterstützen. Der Herzkatheter, befand sich in einem Säckchen, das mit Schnüren wie eine Kette um meinen Hals befestigt war. Hierbei steckte die Nadel, beziehungsweise ein Kunststoffschlauch, in einer Vene in der Nähe meines Herzens.

Das Gefühl frei zu sein, war schon längst in Vergessenheit geraten. Jeder Tag glich dem anderen. Jede Sekunde, war eine Sekunde, die mit Schmerz, Angst und Verzweiflung die Realität vor meinen Augen davonzog und mich hinter die großen Mauern des Krankenhauses isolierte. Jede schlaflose Nacht, was im Grunde genommen durch die Medikamente, die ich alle drei Stunden einnehmen musste, jede Nacht bedeutete, riss mich in ein Meer aus Gefühlen und Emotionen, doch wenn ich erwachte fühlte ich mich leer und bedrückt. Täglich kämpfte ich mit anderen Schmerzen, musste hinnehmen, dass eines meiner Organe nach dem anderen seine Funktion aufgegeben hatte. Ich kollabierte wie ein Weltmeister, wies eine allergische Reaktion nach der nächsten auf, fing mir alle nur möglichen Infektionen ein, schaffte es nicht einmal meinen Körper mit ausreichend Wasser zu versorgen. Der Krebs spielte meinem Körper starke Appetitlosigkeit vor und das Trinken wurde nach all den Infusionen zu einer ernstzunehmenden Herausforderung, dabei war ich wie ein Fisch an Land. Ausgetrocknet und kurz davor zu sterben. Bei jedem meiner Schritte musste ich Angst haben zusammenzubrechen und an manchen Tagen fehlte mir selbst die Kraft dazu Worte zu bilden, die meine aussichtslose Lage beschreiben könnten. Für was sollte ich kämpfen, wenn mir der Tod als einziger seine Arme öffnete und mir dies nach all dem Leiden vorkam, wie eine Wiege, die mich in Sicherheit wog?

„Levi Ackermann?" Eine junge Krankenschwester mit rot-blonden Haaren streckte ihren Kopf in das heute vergleichsweise leere Wartezimmer hinein. „Zimmer zwei bitte", ergänzte sie dann als ich meine Anwesenheit bestätigen konnte. Sie hieß Petra Ral. Neben ihres Krankenschwesterdaseins war sie ebenfalls meine Therapeutin gewesen und hatte mich dementsprechend so gut es ging durch diese Zeit begleitet. Langsam erhob ich mich von meinem durchgesessenen Stuhl, um meinen halbtoten Körper in Richtung des Behandlungszimmers zu schleppen. Angestrengt setzte ich mich auf die Liege und konnte dasselbe wie immer anstarren. Weiße Schränke, der mulmig anzuschauende Instrumentenwagen und einen Tisch voller Akten mit meinem Namen darauf. An diesem Tag musste ich nicht so lange warten. Kurz nachdem ich mich hingesetzt hatte, kam mein Doktor zusammen mit Petra in das Zimmer und begrüßte mich mit einem viel zu starken Händedruck, ehe er sich in seinen Bürostuhl pflanzte und durch die überquellende Akte blätterte, die zuvor von der Krankenschwester Petra hereingetragen wurde. Er notierte sich auf verschiedenen Seiten etwas, bevor er seinen Blick wieder auf mich richtete und mir dieselben Fragen wie immer stellte: „Wie geht es dir? Irgendwelche Beschwerden?"

Blutmond || Ereri FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt