„Na du wie geht es dir?"
„Was? Keine Ahnung." Die Frage löste in mir nichts als Verwirrung aus. Seufzend rieb ich mir über meine Augenlider, während ich mir den Hörer an das Ohr hielt „Musst du nicht arbeiten?" Meine Kopfschmerzen machten es mir nicht einfacher. Leider waren sie nicht der einzige Störenfried. Völlig verschlafen versuchte ich mich auf die Worte des braunhaarigen Idioten zu konzentrieren.
„Mach du dir um meine Arbeitszeiten mal keine Sorgen." sagte er bescheiden „Hast du schon was gegessen?"
„Ein wenig." Am anderen Ende war ein Seufzen zu hören.
„Immerhin.", sagte er mehr zu sich selbst „Und sonst so? Wie war deine Nacht?"
„Nicht sehr angenehm. Konnte nicht wirklich schlafen. Wie immer."
„Sind durch die Tabletten irgendwelche neuen Beschwerden aufgetreten?"
„Vielleicht, vielleicht auch nicht, ich nehme sie ja erst seit ein paar Tagen."
„Das will ich hoffen... Du bereitest mir echt Sorgen, wusstest du das?"
Mit schlechtem Gewissen blickte ich in meinen Schoß. Ich wusste nicht, inwieweit ich seinen Worten Glauben schenken konnte. Gerne hätte ich gewusst welchen Wert sie bei ihm hatten.
Stumm nickte ich, vergaß, dass er mich gar nicht sehen konnte. Still saß ich da und spürte wie mich meine Gefühle übermannten. Auf einmal fühlte ich mich klein und nutzlos. Ich fragte mich, warum man sich nur Sorgen um mich machen konnte, warum ich nur negative Gefühle in anderen erwecken konnte. Schmerzerfüllt kniff ich die Augen zusammen und versuchte das Gefühl der bedrückenden Trauer zu ignorieren, doch nach und nach schossen mir Bilder der Freundschaft mit Hanji und Erwin in den Kopf, der Streit im Auto bahnte sich vor meine Augen, das Gefühl allein und im Stich gelassen zu werden zog mir die Realität aus den Fingern. Die Welt wurde grau und kalt. Mein Leben zog an mir vorbei und ließ mich den Faden Geschmack aller schlechten Ereignisse noch einmal kosten.
Hilflosigkeit, Einsamkeit und Vergessenheit.
Verzweifelt versuchte ich mich an ein schönes Gefühl zu erinnern, doch es brachte mir nichts als weitere schlechte Erinnerungen. Ein schwerer Kloß setzte sich in meinen Hals.
Warum hatte mich niemand gern?
„Hallo?"
Warum war ich so allein?
„Bist du da?"
Wieder nickte ich. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Hilflos presste ich meine Lippen zusammen, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Erschöpft vergrub ich mein Gesicht in der noch freien Hand. Meine Lippen trennten sich voneinander, als ich meine Zähne zusammenbiss.
„Hörst du mich? Hallo?"
Ich wollte schreien. Meine Gedanken schwirrten einer nach dem anderen durch meinen Kopf. Jeder war eine Schnur, die sich immer mehr mit den anderen verhedderte und je mehr ich versuchte, das Chaos zu lösen, desto schlimmer wurde es. Stress durchflutete mich. Mit jeder schummrigen Welle, die durch meinen Körper preschte, überkam mich Wut, ausgelöst durch Selbsthass und Verzweiflung. Ein strömender Fluss schien mich in die Tiefen eines pechschwarzen Meeres zu ziehen, dessen unendliche Weiten so mächtig erschienen, dass sie meine eigene Hilflosigkeit bewiesen. Es gab kein Entkommen. Keine Hand der Welt konnte mich hier rausziehen.
„Irgendwie hörst du mich nicht..."
Der Griff um mein Handy wurde stärker, als ich den erneuten Drang zu Schreien verspürte. Mir war gerade alles zu viel. Ich legte einfach auf, schmiss mein Handy quer über das Bett, sodass es ungewollt mit einem Knall auf dem Boden landete und ließ mich anschließend mit einem kräftigen Schluchzen in das Kissen fallen. Ich konnte mir denken was in mich gefahren war. Die Tränen flossen unaufhaltsam nach draußen. Entkräftet schluchzte ich vor mich hin, fing an meinen Kopf mit meinen Händen in das Kissen zu drücken, begann zu klopfen, bis ich mich schließlich schlug, in Hoffnung diese ganzen Gedanken loszuwerden und im besten Falle gar nichts mehr zu spüren.

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Blutmond || Ereri FF
FanfictionIsoliert von den grauen Wänden des Krankenhauses. Mein größter Kampf sollte es sein den Krebs zu besiegen und zu leben, doch es war das Leben selbst, dass mir den größten Schmerz bereitete. Nach etwa einem Jahr wurde ich nun endlich entlassen. Ich h...