Unlike Pluto
Don't Know What To Say
„Und der Nächste ist..." Eine junge Frau betrat den Raum. Braune Augen funkelten mich an „Herr Ackermann." Der Klang meines Namens erweckte den Impuls mich von meinem Platz zu erheben. Träge ging ich in Petras Richtung und ließ mich von ihr in das heutige Behandlungszimmer führen. Hinaus aus dem Wartezimmer, geradewegs in Richtung des endlos erscheinenden Flures, welcher das wenige Sonnenlicht nicht mehr erreichte und mit jedem weiteren Schritt in ein kaltes Kellerlicht tauchte. „Wie geht es dir?" Grellweiße Wände, welche nur von ein paar abstrakten Gemälden beschmückt waren, zogen sich an meinen Seiten entlang und ließen es beinahe so wirken, als würde der Gang immer enger werden. Erwartungsvoll sah sie in meine Richtung. „Ganz okay." – „Schön zu hören." Sie lächelte mich an und deutete auf eine angelehnte Tür, welche sie mit einem kurzen, kraftvollen Stupser einen Spalt weit aufdrückte, sodass ich einen kleinen Blick erhaschen konnte. Zu meiner Verwunderung befand sich sogar schon ein braunhaariger Junge am Pult. Eren. Mit der linken Handfläche stützte er sich am Pult ab, während er mit der rechten einen Stift über das Blatt wandern ließ. Der Arzt saß neben ihm, deutete auf ein paar Stellen auf dem Rechner und sah immer mal wieder zu dem noch relativ neuen Krankenpfleger herauf. Sein Mund bewegte sich, doch heraus kam nur ein für mich unverständliches Gemurmel. Immer wieder wurde genickt.
Ich öffnete die Tür und sah ein letztes Mal zu Petra, welche an Ort und Stelle stehen geblieben war. Ich trennte kaum meine Lippen voneinander, da sprach sie schon von selbst: „Oh, ich bin heute nicht dabei. Herr Jäger hat dich mir geradezu weggeschnappt." Sie schüttelte den Kopf und führte die dazu passende Handbewegung aus, während sie einen kleinen Schritt zurückging „Aber keine Sorge. Er ist ein ganz Lieber.", erklärte sie eilig, in Unwissenheit darüber, dass Eren und ich uns ein wenig besser kannten, als sie in diesem Moment wohl annahm. „Viel Erfolg!", ergänzte sie, bevor sie mir den Rücken zukehrte und eilig weiterlief.
Ich zog die Tür leise hinter mir zu und machte die beiden so auf mich aufmerksam. Erst dann warf ich ein knappes „Hallo." in den Raum. „Hallo Levi.", begrüßte mich der Arzt, während er sich kurz von seinem Platz erhob und den Stuhl mit einem kurzen Kratzen, welches das nicht funktionierende Rad verursachte, nach hinten schob. Der sich direkt daneben befindende Junge schien nur auf meinen Augenkontakt gewartet zu haben, denn sobald sich unsere Blicke trafen, schmiegte sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen.
„Das ist Herr Jäger. Ihr solltet euch schon letztes Mal begegnet sein, aber das ist schon eine Weile her." Mit einer kurzen Handbewegung stellte er mir Eren vor. Unser Kontakt die letzten Wochen schien durch diese trügerische Distanz, die der Arzt und Petra zwischen uns herstellte, unvorstellbar zu sein. In diesem Moment hätte ich mir zugetraut, dass all das was zwischen Eren und mir passiert war, nur ein Traum gewesen war. Er blieb seiner Rolle als Krankenpfleger treu und ich war nichts weiter als ein Krebskranker auf dem Weg durch die letzten Therapien. Ich fand dieses relativ banale Gedankenspiel recht unterhaltsam weswegen ich die Realität immer weiter hinter eine unscharfe Wand drängte, sodass die Bilder vor meinen Augen zum Greifen nah erschienen. Ich versuchte mir vorzustellen, dass Eren nichts weiter, als eine Einbildung gewesen war, dass er eine gespaltene Persönlichkeit von mir war, die niemand außer ich in diesem Raum sehen könnte und dass er die Aufgewecktheit, Zielstrebigkeit und Lebensfreude war, die ich bereits verloren hatte. Das wäre zumindest eine Art von Antwort darauf, warum er mir helfen wollte. Er war meine innere Stimme, die die Hoffnung in das Leben noch nicht verloren hatte und tapfer kämpfte.
„Dann können wir nun beginnen." Ich schüttelte mir den Tagtraum aus den Gedanken, sodass wieder der bloße Krankenpfleger-Neuling vor mir stand. Der Arzt blätterte durch den dicken Aktenordner. Erneut trat Stille ein, welche nur aus dem Kratzen eines Kugelschreibers und den hörbaren Atemzügen des Arztes bestand. Hier und da setzte er ein paar Unterschriften, bis er schließlich das heutige Datum eintrug und mich nach Strich und Faden ausfragte. So wie Eren es die letzten Wochen getan hatte, nur mit einer anderen Vorangehensweise. Es war in genau diesem Moment, als ich die Bedeutung hinter diesen vermeintlich unnützen Einstiegsfragen realisierte. Eren war zwar niemand, mit dem ich über meine Probleme reden würde, aber er war auch kein vollkommener Fremder. Anders als bei meinem Arzt, den ich schon seit viel längerer Zeit kannte. Meine Aufmerksamkeit driftete zu dem Neuling. Konzentriert stand er an der Theke neben dem Instrumentenwagen und blickte dem Arzt über die Schulter. Wie er sich wohl gerade fühlte? War schon eine ganze Weile her, als wir uns das letzte Mal zusammen in einem Behandlungszimmer befunden hatten. Er schien in seinen Bewegungen sicherer geworden zu sein. Die Tatsache, dass nun jemand mit mir hier war, den ich zu kennen schien, schenkte mir einen Hauch von Sicherheit. Es war das erste Mal, dass sich diese markante Einsamkeit in mir nicht in den Vordergrund stellte und das war definitiv etwas, an das ich mich gewöhnen konnte.

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Blutmond || Ereri FF
أدب الهواةIsoliert von den grauen Wänden des Krankenhauses. Mein größter Kampf sollte es sein den Krebs zu besiegen und zu leben, doch es war das Leben selbst, dass mir den größten Schmerz bereitete. Nach etwa einem Jahr wurde ich nun endlich entlassen. Ich h...