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Sail Away
„Wie hast du das denn geschafft? Ich glaube ich habe mir noch nie etwas gebrochen."
Genüsslich schluckte Eren seinen ersten Bissen vom Pfannkuchen herunter, ehe er zu erzählen begann: „Naja neben meiner Nase habe ich mir noch meinen Arm und meinen kleinen Zeh gebrochen. Oh, und ich habe mir ein Loch in meine Zunge gebissen."
Irritiert und leicht belustigt schüttelte ich den Kopf. „Ich frage erneut. Wie?"
„Ich bin mit 'nem Einkaufswagen gegen eine Wand gefahren." Erneut bis er in seinen zusammengerollten Pfannkuchen, als wäre das, was er eben gesagt hatte, das Normalste auf der Welt gewesen. Verdutzt sah ich ihn an, sodass der Raum für einige Sekunden in eine Stille von leichten Essgeräuschen, den vorbeifahrenden Autos und dem Ticken der bislang unbemerkten Wanduhr gefüllt war.
„Genaugenommen war es ein Wettrennen zwischen Jean und mir. Wir haben uns ein wenig provoziert und dann wollten wir wissen, wer schneller in einem Einkaufswagen einen Berg runterfahren konnte. Naja, der Berg war eine Tiefgarageneinfahrt und das Ziel letztendlich ein Arztbesuch, aber ich habe gewonnen."
Nachdem ein weiterer Pfannkuchen auf Erens Teller seinen Platz gefunden hatte, blickte er auf meinen immer noch leeren „Nimm dir doch auch einen." Mit skeptischem Blick sah ich auf den Stapel. Die dünnen Teigkreise dampften vor sich hin und erinnerten mich an die bittersüße Wahrheit. Die Wahrheit, die ich nicht auszusprechen wagte. Schließlich nahm ich also -Eren zuliebe- meinen ersten Bissen und ich würde Lügen, hätte ich gesagt, dass es mir nicht schmecken würde. Es war das lange Kauen, dieses seltsame Gefühl wie es immer mehr wurde und der Stress, der der nicht leer werdende Teller in mir auslöste, der mir das Essen so erschwerte. Eren sah mich eindringlich an. Nahezu als hätte er mich längst durchschaut und würde nur auf mein Geständnis warten. Als wäre das nicht alles schon schwer genug, nagte sich mein Gewissen regelrecht in meinen Magen, sodass ich es kaum ertragen konnte zu schweigen. So kaute ich also auf meinen eigenen Lügen herum.
„Kommst du mit der Dexamethason eigentlich gut zurecht?"
Beinahe verschluckte ich mich, so ertappt ließ er mich fühlen. Meine Brust zog sich zusammen „Ja..." Beschämt sah ich auf meinen Teller. Ich konnte spüren, wie die eigentlich richtigen Worte auf meiner Seele brannten und wie sie sich in mir zerquetschten und darum baten ausgesprochen zu werden, doch ich konnte nicht.
„Oh äh, hört sich gut an." Erens Augenbrauen runzelten sich. Ich fragte mich in diesem Moment, ob ich bei dem Versuch glaubwürdig zu wirken, genauso schlecht war, wie er.
„Stimmt was nicht?", hinterfragte ich.
„Ja.. nein... es ist nur...", er seufzte „Ich weiß nur wie empfindlich du auf Dexamethason reagierst aber du wirkst so unverändert... ich bin bloß skeptisch, aber ich will dir auch nichts unterstellen."
Was machte ich ihm nur vor? Ab diesem Punkt konnte ich ihm nicht mehr in die Augen sehen. Stumm fokussierte ich mich auf einen Punkt auf dem Tisch und war schon dabei diese Situation mental zu verlassen, da ich vor Unannehmlichkeiten zu zerreißen schien. Das alles wäre jedoch längst ein verlorenes Spiel, wenn nicht noch tief in mir die Stimme der Vernunft darum kämpfte, gehört zu werden.
Ich wollte Eren die Wahrheit sagen, ich musste ihm die Wahrheit sagen, wenn ich endlich die verlorene Freundschaft mit Hanji und Erwin hinter mir lassen und voranschreiten wollen würde. Das konnte die Chance für ein neues ich werden und die Neugierde, ob sich in meinem Leben noch ein letztes Mal alles ändern könnte, war weitaus größer als die dunkle Wolke, die mich in den tiefen Abgrund rief.

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Blutmond || Ereri FF
FanfictionIsoliert von den grauen Wänden des Krankenhauses. Mein größter Kampf sollte es sein den Krebs zu besiegen und zu leben, doch es war das Leben selbst, dass mir den größten Schmerz bereitete. Nach etwa einem Jahr wurde ich nun endlich entlassen. Ich h...