Einmal Veggie Delite

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Ich liege auf dem Bett, Kopfhörer in meinen Ohren. Ziemlich laut. Wenn dann sollte man schon das Gefühl haben, dass die Musik um einen herum existiert. Sie sollte alles ausfüllen. Wenn man dann noch die Augen schließt, hat man das Gefühl zu schweben. Ich liebe dieses Gefühl. Bin dann nicht mehr präsent, in einem anderen Universum, einer anderen Galaxie.

Deshalb höre ich das Klopfen an meiner Zimmertür auch nicht, auch nicht das jemand nach verzweifelten Versuchen eintritt. Ich öffne erst meine Augen, als diese Person mir auf die Schulter tippt. Ich setze mich leicht verwirrt auf, das Licht ist grell, nach der langen Dunkelheit und meine Orientierung sowie die Stabilität meines Körpers braucht auch ein paar Sekunden um zurückzukehren. Ich ziehe die Stöpsel aus meinen Ohren.

Vor mir steht Marina. Sie ist das Hausmädchen.

„Es gibt gleich essen.", lächelt sie entschuldigend für die Störung.

„Oh. Okay, ich komme gleich." Ich erhebe mich vom Bett.

Sie nickt und verlässt wieder den Raum, immer noch leicht beschämt, dass sie ohne Zustimmung den Raum betreten musste.

Ich fahre mir noch einmal mit der Bürste durch meine inzwischen verzottelten Haare, vom Liegen auf dem Bett und creme meine Hände und mein Gesicht ein. Viel besser.

Nina und Ian sitzen schon am Tisch, als ich zu ihnen stoße. Nina hat ihren Arm mit dem von Ian verschlungen, vor ihnen jeweils ein Glas Wein und sie scheinen ein reges Gespräch miteinander zu führen, denn sie bemerken mich erst als ich vor dem Tisch stehe.

„Oh, Larissa. Setzt dich, das Essen kommt gleich.", sagt Ian und deutet auf den Stuhl gegenüber von ihnen.

Ich nicke und setze mich, da kommt schon Irina, Ians persönliche Köchin durch die Küchentür. In der Hand zwei Teller, für mehr haben wohl die Arme nicht gereicht.

Sie platziert sie von meiner und Ninas Nase, während sie „Ladys First." lächelnd schmunzelt.

Mein Magen krampft sich zusammen als ich den Inhalt darauf sehe, wie benommen kann ich meinen Blick nicht abwenden. Was mache ich jetzt nur? Habe ich es vergessen zu erwähnen?

Von meinem Teller lacht mir ein riesiges Stück Steak entgegen, daneben zwei kleine Kartoffeln, sonst fühlt das Fleisch die gesamte Fläche des Tellers aus.

„Was ist los, Larissa?", fragt Ian mir gegenüber, als ihm gerade sein Teller serviert wird.

Ich starre ihn an, kann es nicht aussprechen.

„Das Fleisch ist hervorragend, probiere." Er nimmt das Besteck in die Hand und macht sich ans Werk es zu zerteilen.

Ich schlucke ein weiteres Mal. Wie komm ich da bloß raus?

„Ähm Ian...?", murmle ich stotternd.

Er hebt das Gesicht: „Ja?"

„Ich...." Ich beiße mir auf die Lippe: „...hab keinen Hunger." Mit zittrigen Beinen erhebe ich mich von meinem Stuhl und flüchte aus dem Esszimmer, während ich mir Ians verwundertes Gesicht im Rücken nur ausmalen kann.

Ich hätte es sagen sollen. Was ist daran schon so schlimm? Warum habe ich das nicht schon viel früher erwähnt? Am Telefon oder in einer der vielen Nachrichten, die wir uns geschickt haben?

Doch ich habe es vergessen, habe nicht bedacht, dass es zu einer solchen Situation kommen könnte.

Während ich mich auf mein Bett setze, meine Beine an meinen Körper ziehe und mich in Abgrund schäme, für den raschen Abgang den ich vor wenigen Sekunden hingelegt habe, erinnere ich mich an den letzten Sommer, indem ich beschloss meinen Ernährungsplan komplett umzustellen. Ich habe vorerst klein angefangen. Kein Fleisch, hieß meine Divise. Anfangs war es natürlich fürchterlich schwer, die Finger von solchen Sachen zu lassen und es hat mich auch meist angestrengt, nur nach vegetarischen Lebensmitteln Ausschau halten zu müssen. Aber der Entschluss nicht mehr an der Massenproduktion beteiligt sein zu wollen und die Hingabe und Liebe, die ich zu Tieren empfinde haben mich durch die schwierige Anfangsphase hindurchgebracht. Heute fällt es mir nicht schwer darauf zu verzichten, ganz im Gegenteil, ich kann es kaum noch sehen.

Vor wenigen Wochen hat eine Freundin von mir, mir eine Packung vegetarische Wurst mitgebracht. Es sah aus wie Fleisch, hat sich angefühlt wie Fleisch und hat geschmeckt wie welches. Fünf Minuten später habe ich es wieder ausgekotzt und habe es seitdem nicht wieder angerührt.

Schon seltsam irgendwie, aber ich habe mich komplett daran gewöhnt und ich will noch weiter gehen. Mein nächstes Ziel ist vegan. Komplett auf tierische Produkte zu verzichten, aber das ist noch ein kleiner Traum, noch kaum umsetzbar in meiner Zeit und meinem momentanen Budget in Hamburg. Aber irgendwann werde ich auch das schaffen.

Es klopft. Ich sehe auf und wünsche mich an einen anderen Ort, in eine andere Zeit.

„Larissa?" Es ist Ian, natürlich.

„Ja?"

„Du hättest mir ruhig sagen können, dass du Vegetarierin bist."

„Woher...?"

„So viele Schlussfolgerungen kann man daraus nicht machen, wenn jemand von einem Tisch flieht auf dem drei Stück Steak liegen."

Ich muss lächeln.

„Irina weiß schon Bescheid."

„Danke, Ian."

„Kommst du trotzdem nochmal runter? Irina macht dir gerade einen Salat und Nina und ich sind schon fertig mit dem Essen, bleiben aber noch gerne mit am Tisch sitzen."

„Okay." Erleichtert erhebe ich mich.

Warum habe ich darum überhaupt so ein Theater gemacht? Hallo? Das da draußen ist mein Bruder.

Wenn der das nicht versteht, wer dann?

Lebensduft (Ian Somerhalder FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt