Schnappschuss

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Ich brauche einen Plan, einen undurchdringlich ausgeklügelten Plan. Was kann ich sonst machen? Ich habe nur zwei Möglichkeiten. 1. Gestehen, dass ich das Geld verschenkt habe, Marina es angenommen hat. Ian dabei zusehen, wie er sie zuerst zur Sau macht und danach feuert, dass ich darauf bestanden habe, dass sie das Geld entgegen nimmt, wird in diesem Moment niemanden interessieren. Ich bin Ian in den Rücken gefallen, indem ich ihr Geld geschenkt habe, habe ich gleichzeitig gezeigt, dass Ian ein schlechter Arbeitgeber ist. Wie konnte ich nur? Wie konnte ich nur so blöd sein? Aber ich wollte doch nur helfen.

Oder 2. Mir einen Plan überlegen, wie ich über Nacht an 400 Dollar komme. Wie kommt man so schnell an einen solchen Batzen Geld?

Ich sitze an der Kante meines Bettes, mein Kopf in meinen Händen vergraben. Im Hintergrund höre ich Stimmengewirr. Nina und Ian, sie streiten sich nebenan, schon seit einer ganzen Weile. Wahrscheinlich fand Ian, Ninas Verhalten zu dreist und er steht für mich ein, aber das Geld werde ich so oder so vorzeigen müssen, sonst wird Nina niemals Ruhe geben und Ian wird es sehen wollen, damit er Ruhe bekommt.

Also was habe ich für Möglichkeiten? Eine Bank oder einen Laden ausrauben? Mich an den Straßenrand stellen und nach Geld betteln? Was verkaufen? Aber was, was kann ich in einer solchen Zeitspanne für gutes Geld verkaufen? Ich hebe meinen Kopf, höre immer noch die lauten Rufe von nebenan.

Vorsichtig stehe ich vom Bett auf, schleiche an meine Kommode. Erste Schublade. Mit unsicheren Fingern greife ich nach meiner Kamera. Bescheuerte Idee, aber es muss einfach klappen. Warum auch nicht? Ich schiebe mich schleichend aus der Tür, tapse vorsichtig an den benachbarten Raum heran, die Tür ist einen kleinen Spalt offen. Ganz langsam und mit innerer Ruhe, auch wenn mein Herz im gleichen Moment zum Zerspringen droht, drücke ich die Tür einen weiteren kleinen Spalt auf. Niemand nimmt mich hinter dem kleinen geöffneten Spalt der Türe wahr, sie sind zu stark fixiert in ihren Streit. Ich hebe immer noch bedacht die Kamera hoch, atme einmal aus, einmal ein und drücke ab. Schließe dabei ängstlich die Augen. Es ist passiert.

Vorsichtig schleiche ich mich wieder zurück, diesmal aber schneller. In meinem Zimmer betrachte ich das geschossene Bild. Ian mit erhobener Hand, wütendem Gesichtsausdruck und Nina herrisch, das Gesicht arrogant verzogen. Sie stehen sich gegenüber. Gar nicht mal so übel und 400 Dollar wird es schon wert sein.

Ich darf keine Geräusche machen, ich darf einfach keine Geräusche machen.

„Autsch.", fluche ich, als ich im Eingangsbereich über Ninas High Heels stolpere.

„Was suchst du hier unten, zu dieser Uhrzeit?", fragt mich eine deutsche Stimme.

Ich zucke zusammen, drehe mich um und da steht George.

Ich seufze traurig, atme tief ein und kann im ersten Moment nicht antworten.

„Bist du verantwortlich für das da." Er deutet auf dem Finger nach oben, zum immer noch schreitenden Paar.

Ich nicke: „Ich denke schon."

„Das heißt es stimmt?"

„Was?"

„Dass du Marina Geld geschenkt hast? Geld von Ian?" Georg Gesichtsausdruck wird weich, als er meinen beschämten sieht.

„Ich wollte nur helfen, glauben Sie mir das?"

Er nickt: „Natürlich. Hast du dir schon überlegt, wie du die Suppe wieder auslöffelst?"

„Können Sie mich fahren?"

Die Innenstadt von Los Angeles ist kaum zehn Minuten entfernt. Ich sitze schweigend im Wagen und betrachte die vorbeirauschenden Gebäude. Eins nach dem anderen. Ich habe keine Ahnung, woher Georg weiß, wohin er fahren muss. Aber ich traue mich auch nicht zu fragen, überhaupt irgendetwas zu sagen. Da es womöglich das Falsche sein könnte. Irgendwann wage ich es dann dennoch, als ich die Stille in meinen Ohren zu explodieren scheint.

Lebensduft (Ian Somerhalder FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt