In Amerika ist alles möglich

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Nach einer unruhigen Nacht erwache ich mit dem Kopf auf der Fuß-Seite des Bettes. Ohne weiter über diese schlaflosen Stunden nachzudenken, greife ich nach meinem Handy und halte den Atem an.

Keine Nachrichten von Tobi. Ich seufze.

Als ich mich – immer noch in meinen Shorts und dem XL-Shirt – dem Esstisch nähere, erreicht meine Laune einen weiteren Tiefpunkt. Neben Ian hat sich Nina, wie die Prinzessin auf der Erbse positioniert.

„Guten Morgen." Ian begrüßt mich besonders freundlich, als er mein sich zusammenfallendes Gesicht beim Anblick von Nina sieht.

Ich kann mich heute nicht zurückhalten. Dafür war der vergangene Abend einfach zu aufwühlend.

„Wo ist Nikki?"

Ian verschluckt sich an seinem Orangensaft und wirft Nina einen unsicheren Blick zu. Diese erwidert ihn mit wütenden Falten über den Augen. Ihre Augenpaare treffen auf meine.

„Pass mal gut auf: Nur weil du inzwischen von diesem Vertrag weißt, heißt das nicht dass dieser aufgelöst ist. Ian und ich sind vor der Gesellschaft immer noch ein Paar. Geht das in dein kleines Gehirn?" Ihre dunklen Augen scheinen mich durchbohren zu wollen.

Ich nicke stumm, als ich merke, dass ich von Ian keine Unterstützung erwarten kann.

Sie lächelt falsch: „Sehr gut."

Ian räuspert sich, während ich mich an den Tisch setze: „Also was Nina sagen möchte ist, dass es wirklich wichtig ist, dass diese Sache mit dem Vertrag unter Verschluss bleibt. Verstehst du das?" Er betrachtet mich abwartend.

Ich nicke zögernd: „Aber Adrian hat doch auch davon gewusst. Wird er es nicht an die Presse hängen?"

„Über Adrian habe ich mich gestern schon mit dem Polizisten unterhalten. Der Junge steht unter Arrest und hat neben dem Einbruch in mein Haus noch weitere Diebstähle begangen. Einer dieser, im Büro unseres Regisseurs. Somit hatte er Zugriff zu Dokumenten, die eigentlich unter Verschluss gehalten werden. Mir wurde versichert, dass selbst wenn sich jemand finden lassen wird, der seine Kaution bezahlt, ihm niemand glauben schenken wird. Wir haben die Polizei auf unserer Seite, dafür wurde gesorgt. Und nach seiner Anhörung warten sicherlich ein paar Jahre Gefängnis auf ihn."

Ich schlucke. Klingt nach ziemlich unangenehme Jahre für Adrian. Und wir haben die Polizei auf unserer Seite, dafür wurde gesorgt? Das klingt irgendwie nach einer gewaltigen Schmiergeld-Aktion, aber wie soll ich kleines Mädchen aus Hamburg auch solche Dinge analysieren? Dafür habe ich einfach zu wenig Ahnung. Es steht durch diesen Vertrag ein Haufen Geld auf dem Spiel. Wenn rauskommen würde, dass Nina und Ian nur aus Promotion zusammensind, wäre das ein riesen Skandal. Da ist diese Variante womöglich günstiger. Ich muss lachen. In Amerika ist auch wirklich alles möglich.

Ian wirft mir aufgrund meines Lachens einen neugierigen Blick zu.

Ich verstumme und mein Gesicht wird wieder ernster: „Also hast du dich deshalb gestern noch so lange mit der Polizei unterhalten?"

Er nickt: „Ja."

„Also willst du ihr nicht die andere Sache erzählen, über die ihr euch unterhalten musstet?" Nina wirft mir einen vielsagenden Blick zu.

Meine Augenbrauchen verengen sich. Hoffentlich nicht wieder etwas, dass durch mich ausgelöst wurde. Ich habe langsam davon genug immer der Drahtzieher zu sein.

Ian seufzt: „Das ist nicht notwendig."

„Du solltest es ihr erzählen. Nicht dass sie es beim nächsten Mal wieder „vergisst"." Bei dem Wort vergisst hebt Nina ihre Hände und macht mit Hilfe ihres Zeige- und Mittelfingers Anführungszeichen in die Luft.

Was hat das zu bedeuten? Was habe ich denn vergessen?
Ich werfe Ian einen verwirrten Gesichtsausdruck zu, der ihm zu verstehen geben soll, dass mich sein längeres Schweigen nur noch mehr zum Nachdenken bringen würde.

Er seufzt: „Der Polizist hat gemeint, dass die Alarmanlage beim Verlassen des Gebäudes nicht eingeschalten wurde. Aber dafür kannst du nichts. Ich habe vergessen, dich darauf hinzuweisen."

Das wurde bei der Ausfrage am vergangenen Abend auch schon angesprochen.

„Das tut mir leid. Ich wusste das nicht."

Ian nickt: „Ich gebe dir dafür keine Schuld."

Es herrscht einen Moment ein kurzes Schweigen, das Nina – natürlich – bricht: „Das ist natürlich zu schade, dass nun die Versicherung nicht mehr greift." Sie wirft mir einen vernichtenden Blick zu.

„Die Versicherung?", frage ich leicht naiv.

Ian nickt stumm: „Aber das ist alles halb so schlimm." Er lächelt leicht verklemmt.

„Halb so schlimm." Nina hält die Luft an: „Es handelt sich ja auch nur um einen Wert von knapp zweihunderttausend Dollar." Das war sarkastisch gemeint, das erkenne ich sofort an ihrer Stimmlage. Aber gibt es überhaupt etwas das Nina nicht sarkastisch meint?

„Zweihunderttausend Dollar?" Ich starre Ian verzweifelt an: „Das tut mir so leid."

Er macht eine wegwerfende Handbewegung: „Ist überhaupt nicht so viel Geld."

Vielleicht nicht für ihn, aber für mich.

Ich seufze. Kann ich immer nur alles verbocken?

Nina ist nicht unbedingt zufrieden mit dem Verlauf der Konversation. Doch mein schuldbewusster Gesichtsausdruck heitert sie doch etwas auf – nach ihrem leichten Lächeln im Gesicht zu schließen.

Ich esse schweigend mein Frühstück während ich versuche zu niemanden Augenkontakt herzustellen. Diesmal ist Ian, derjenige der das Schweigen durchbricht: „Ich wollte dir noch was anderes sagen. Nina und ich sind heute Abend bei einer Gala eingeladen –„

Ich nicke: „Schon okay. Ich brauche keinen Babysitter."

Mein Halbbruder lacht über diese Aussage: „Das habe ich auch nicht gemeint. Es tut mir wirklich leid, dass du das gestern Abend durchmachen musstest."

Ich sehe ihn etwas verwundert an. Wie hat er von Tobi erfahren?

„Die Ausfrage bei der Polizei."

Ah. Ich nicke: „Es ging schon." Doch meine Stimme scheint nicht besonders überzeugend.

„Zumindest dachte ich mir, dass ich dir dafür heute Abend eine kleine Freude bereite."

Ich sehe ihn an. Eine Überraschung?

„Damit du heute Abend nicht alleine zuhause bleiben musst, habe ich deine beiden Freundinnen Katja und Lola eingeladen."

Ich springe auf. Ist das sein Ernst?

„Wirklich? Ich meine, dass ist unglaublich." Ich grinse.

Wenn mir jemand helfen kann, auf andere Gedanken zu kommen, dann diese Beiden. Ich würde am liebsten in die Luft springen.


Lebensduft (Ian Somerhalder FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt