Schlechte Laune in Dauerschleife?

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„Du fährst.", zwitschert Nina, als wir das Haus verlassen haben und uns einem weißen eleganten Wagen nähern.

Ich kneife die Augen zusammen: „Das kann ich nicht?"

Sie bleibt stehen: „Wie du kannst nicht? Ich hab gerade echt keine Lust, tu mir den Gefallen, ich kriege extrem leicht Blasen an den Füßen."

Vom Drücken der Pedale? Naja egal.

„Ich kann trotzdem nicht. Ich hab noch keinen Führerschein."

„Keinen Führerschein? Du bist doch siebzehn."

„Ja. Und? In Deutschland kann man erst ohne Begleitung der Eltern mit achtzehn fahren."

Nina zieht ein entnervtes Gesicht, steigt an der Fahrerseite ein und kaum zehn Sekunden später rauschen wir Richtung Ausfahrt.

Während der Fahrt in die Innenstadt gibt keiner einen Mucks von sich. Liegt es daran, dass ich einfach nichts zu erzählen habe oder da ich meine Englischkenntnisse nicht reizen möchte? Vielleicht beides. Doch sie scheint auch nicht den Anschein danach zu machen, mehr über meine Persönlichkeit und mein Privatleben zu erfahren. Also belasse ich es dabei.

Wir parken den Wagen im Halteverbot, direkt an der Einkaufsmeile. Stört es Ian nicht ständig Strafzettel zu bekommen? Kriegt man dann nicht irgendwann gewaltigen Ärger? Naja vielleicht nicht mit so einem Einfluss.

„Als erstes Chanel?", fragt Nina mich als wir ausgestiegen sind.

Ich zucke mit den Schultern: „Okay.", murmle ich nur. Hätte ich nicht einfach Nein sagen können? Über zwei Stunden später treten wir wieder aus dem Laden, Nina eine Tüte in der Hand, ich keine. Wieso habe ich mir nicht schon am Anfang so was denken können? Nina ist doch der Typ Mensch der in einem Laden verschwindet, alles anprobieren muss, sich beraten lässt (natürlich nur von gutaussehenden Mitarbeitern, meistens männlich, die ihr alle auf den Arsch glotzen) um dann am Schluss doch nur ein Teil zu kaufen, weil sie merkt, der Rest bekommt ihr einfach nicht. Aber obwohl sie sich nur ein Kleid gekauft hat, ist fast die ganze Kohle weg. Krass, oder? Während sie bezahlt hat, hat sie sogar noch gemurmelt: „Tausend Dollar sind viel zu wenig für eine Shoppingtour, vielleicht für einen Einkaufsbummel, aber doch nicht zum intensiven Shoppen." Ich habe nur verdutzt die Augenbrauen hochgezogen.

„Ein H&M.", rufe ich erleichtert aus und deute auf den übernächsten Laden: „Da muss ich rein."

Ihr argwöhnischer Blick trifft mich tief, aber ich versuche ihn so schnell wie möglich wieder zu verdrängen. Nicht alle Menschen sind gleich.

Fazit des Shoppingnachmittags mit Nina: Ich habe mir für zweihundert Dollar zwei Kleider, einen Pullover, zwei gute Jeans, drei Shirts, einen Regenschirm und Schmuck gekauft, während Nina für 920 Dollar ein Kleid gekauft hat. Zwanzig Dollar habe ich dann noch gespendet, an einen dunkelhäutigen Mann, der mir die Tür aufgehalten hat, einer Mutter mit einem Säugling auf dem Schoß sitzend am Rand der Einkaufsmeile und einem Sänger mit Gitarre und Hund. Es tat mir einfach zu leid, an ihnen vorbeizugehen und ihnen keine Beachtung zu schenken, wenn ich doch wusste, dass ich so viel Geld in der Tasche habe, dass ich noch nicht mal weiß was ich damit anfangen soll. Das hat Nina nicht verstanden und die Paparazzi bestimmt auch nicht, die einen Schnappschuss bekommen haben, als ich der Mutter mit dem Baby gerade eine fünf-Dollar-Note vor die Füße legte.

Ich hoffe Ian bekommt das nicht zu Gesicht. Wäre er genauso entsetzt wie Nina, wenn er wüsste, dass ich einen Teil seines Gelds gespendet habe? Obwohl doch eigentlich, die mit dem meisten Geld die großzügigsten Menschen überhaupt sein müssten. Bestimmt hat er Verständnis.

„Und wie war euer gemeinsamer Nachmittag?", begrüßt uns Ian im Eingangsbereich seines Anwesens, als wir gerade durch die Tür getreten sind.

Nina zuckt die Achseln. Ihr Gesichtsausdruck ist nicht sehr vielversprechend, ohne weiter auf Ians Frage einzugehen verschwindet sie im oberen Geschoss, wahrscheinlich um ihr eines Kleid aufzuhängen.

„Oh, dein Geld." Ich reiche ihm das übrige Geld, knapp 780 Dollar: „Danke für alles. Aber das wäre wirklich nicht notwendig gewesen."

Er starrt verdutzt auf das Geld, sein unbehagliches Gesicht ist deutlich herauszusehen: „Behalte es. Der Rest ist für dich." Ian gibt mir das Geld zurück und lächelt mir zu.

Ich möchte erwidern, dass ich es nicht brauche und er es wirklich behalten kann, aber habe ich mit einem solchen Vokabular wie meinem überhaupt eine Möglichkeit eine Diskussion einzuleiten? Naja, ich hebe es für die nächste Shopping-Tour auf, dann muss mir Ian wenigstens nicht wieder was geben.

Ich habe mich danach auf mein eigenes Zimmer verdrückt, meine Klamotten in den Kleiderschrank gehängt bzw. gelegt und festgestellt, dass er nicht mehr ganz so hager wirkt, wie vor wenigen Stunden.

Seufzend lasse ich mich auf mein Bett fallen und betrachte mein neues Zuhause. Ich vermisse meinen Freund, meine Umgebung und mein ganz normales Leben und Sicht Dinge zu betrachten, allerdings bin ich gleichzeitig auch neugierig einen Einblick in das Leben meines Bruders zu erhaschen und warum darf ich es mir nicht auch mal gut gehen lassen? Nach unzähligen Überstunden, dem monatlichen Kampf genügend Geld für die Miete zusammenzukratzen und gleichzeitig noch ein einigermaßen ansehnliches Leben zu führen. Ich lebe bei einem verdammt reichen Mann, warum nicht einfach mal die Füße hochlegen und es sich gut gehen lassen?

Doch ich kann den Gedanken nicht zu Ende denken, da er durch ein Klopfen an meine Zimmertür unterbrochen wird.

Ian steht im Türrahmen. Er lächelt etwas verschmitzt, kommt dann rein und schließt die Tür hinter sich.

„Ich habe gerade mit Nina gesprochen."

„Oh.", antworte ich: „Ich glaube ihr hat die Shoppingtour nicht so gut gefallen."

„Ach, mach dir deshalb keine Sorgen, sie braucht ein bisschen bis sie aufgetaut ist. Sie meinte nur Paparazzi 's hätten dich beim Spenden einer armen Frau erwischt?"

„Also wenn du versuchst darauf anzuspielen..." Ich wurde leicht nervös, begann schon fast zu stottern: „ Ich wusste nicht dass das bei euch so auf Ablehnung trifft. Sonst hätte ich es bestimmt nicht gemacht. Ich dachte nur ich könnte ihr damit helfen, wollte dich sicher nicht verärgern..."

Ian unterbricht mich mitten im Satz: „Was meinst du?"

„Naja, Nina war nicht so begeistert, dass ich was gespendet hab, sie war regelrecht eingeschnappt und wütend. Du auch?", frage ich vorsichtig.

„Nein, warum sollte ich? Das war doch ein sehr netter Hintergedanke, ich wollte dich nur damit vertraut machen, öffentlich zu sein."

„Öffentlich?"

„Ja in allen Zeitschriften wird dein Gesicht erscheinen, im Internet werden die Leser ihre eigene Meinung hinterlassen."

„Oh das. Nein, das stört mich nicht. Es ist mir egal, was die anderen über mich schreiben oder denken. Es spielt für mich nur eine Rolle bei den Menschen die ich liebe."

Er lächelt erleichtert: „Das ist gut und gleichzeitig enorm wichtig. Lass dir von anderen Menschen nicht falsches einreden."

„Warum hat Nina eigentlich was dagegen wenn ich spende?"

„Oh, wie schon gesagt, du darfst ihr Verhalten manchmal nicht so ernst nehmen. Das hätte mehrere Gründe haben können, versuche es nicht zu analysieren, manchmal hat jeder schlechte Laune." Ian zwinkert mir zu.

Ja und Nina in Dauerschleife, aber wer bin ich das zu behaupten? Ich kenne sie ja erst seit heute, ich werde ihr einfach noch eine Chance geben, bestimmt werden wir gut miteinander auskommen. 

Lebensduft (Ian Somerhalder FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt