Vor mir stand ein Mädchen. Sie hatte dunkelblonde, kurze Haare, in die sie in ein paar Strähnen Perlen geflochten hatte. Sie trug ein bordeauxrotes, kurzärmliges Hemd und eine rot, blaue Haremshose. Sie starrte mich an und ich starrte zurück. Ihr Blick hatte etwas hypnotisierendes. Ihre Augen waren zu Schlitzen verengt und sie hatte eine Augenbraue hochgezogen. Irgentwas kam mir an ihr bekannt vor. Ich schaute noch mal genauer hin und erschrak.
Vor mir stand Maracuja, die Öko-Tusse oder Mara, je nachdem wie man es nimmt.
Sie war mit mir in der Grundschule und ein Junge aus unserer Klasse fand es lustig, allen Obst-Namen zugeben. Ich fand es damals total unnötig, aber irgendwie habe ich doch alle so genannt und scheinbar bin ich dabei geblieben.
"Maracuja", sagte ich. Sie schaute mich noch immer an. "Jason", antwortete sie trocken, "Also, was soll das?" Ich schaute weg. "Ähm, also ich... Ich, ach Scheiße! Ich weiß es doch selbst nicht. Ich hasse alles, alles ist einfach nur zum Kotzen. Das Leben fickt mich jeden Tag auf's neue!" Hatte ich das grade wirklich gesagt!? Ich war doch sonst nicht so... "Okay, Jason. Du scheinst einen schlechten Tag zu haben, aber das ist noch kein Grund, Sachen gegen Bäume zuschleudern. Weißt du, Bäume können nichts dafür und es bringt dir auch nichts", riss sie mich aus meinen Gedanken. Ich schaute wieder auf und bemerkte, dass sie mich immer noch anguckte. "Ich weiß... Ach scheiße! Ich... Ich hab doch keine Ahnung!", stotterte ich. Warum stotterte ich? "Okay, langsam! Was ist los Jason? Warum bist du so ausgerastet?", fragte sie einfühlsam. Ich starrte sie an. Erst schimpfte sie mit mir und dann machte sie einen auf einfühlsam!? Ich war verwirrt. Wie schnell konnte ein Mensch den bitte seine Emotionen ändern? "Ich wüsste nicht, was dich das angeht, was willst du von mir?", fragte ich sie. "Ich will dir helfen Jason", antwortete sie. "Bei was denn Mara, mir ist nicht mehr zu helfen", sagte ich erschüttert, weil mir in diesem Moment klar wurde, dass es stimmte. Ich war verloren. Verloren weil meine Mutter sich nicht um mich kümmerte und ich selbst nicht damit klar kam. Sie schaute mich eine Weile nur an und sagte dann: "Egal, warum du das denkst, aber jeder kann geholfen bekommen, man muss sich nur helfen lassen. Was ist los mit dir? Du kannst es mir erzählen, glaub mir das hilft. Manchmal ist es besser Dinge rauszulassen. Wenn auch nicht unbedingt durch Aggressivität." Sie zwinkerte mir zu. Ich zögerte. Sollte ich wirklich erzählen was los war? Es war ja eigentlich nichts schlimmes passiert. Meine Mutter war einfach nur nicht bereit, sich für ihre Kinder zu interessieren. Mal wieder... Was genau mich so aggressiv gemacht hat wusste ich selbst nicht mehr. Ich schluckte. Mara, die mein Zögern bemerkte, unterbrach meine Gedanken: "Wenn du es mir nicht sagen willst, dann erzähl es einem Freund, aber friss es nicht in dich hinein, das kannst du nicht gebrauchen, das kann keiner gebrauchen. Lass alles raus, aber nicht indem du Dinge zerstörst oder verletzt." Ich schaute auf den Boden. Bei ihren Worten war ich immer kleiner geworden. Sie hatte ja recht. Ich hatte so eine Wut, dass ich gar nicht bemerkte, was ich machte. Ich schaute wieder auf und sah, wie Mara mich beobachtete. Nach kurzer unangenehmer Stille, begann ich auf einmal zusprechen. Ich ließ alles raus: "Es ist einfach alles Schieße! Meiner Mutter bin ich egal, meine Schwester ist ihr auch egal und dann weiß ich seit circa zwei Wochen, dass ich auch noch einen großen Bruder habe, der das größte Arschloch des Universums ist. In der Schule läuft es auch nicht gut und niemanden interessiert das so wirklich. Hassun hat seine eigenen Probleme in der Schule, das versteh ich ja, aber er fragt nicht mal wie es läuft und meine Mutter interessiert das schon seit der Grundschule ich mehr. Sie meinte sogar, dass zwei vieren im Zeugnis ganz okay sind... Schau nicht so schockiert, es kann nicht jeder so ein Streber sein wie du Maracuja." Sie sah wirklich entsetzt aus, als ich ihr von meinem Zeugnis erzählte. "Zwei... Zwei vieren, im Zeugnis?", stotterte sie. Ich nickte nur. "O.... Okaaaay, und deine Mutter interessiert es nicht und wer ist Hassun?", wollte sie dann wissen. " Meine Mutter interessiert sich schon nicht mehr für mich seit ich acht bin und Hassun ist mein bester Freund", antwortete ich ihr. Sie sah nachdenklich in die Ferne und schien sich Gedanken zu machen, über das was ich ihr grade erzählt hatte. Kein Wunder, auf den Klassenfeiern in der Grundschule sahen sie und ihre Eltern und Geschwister immer aus wie eine glückliche Familie, die zusammenhielt und sich unterstützte. Maras Mutter war im Elternbeirat und sie war eine Frau, die immer wusste, wo sie helfen konnte und vor allem war sie eine liebevolle Mutter, um die ich Mara immer beneidet hatte, wenn ich mal wieder alleine auf den Klassenfesten aufgetaucht war.
Maras Vater war ein großer breitschultriger Mann, der zum fürchten aussah, aber das Herz einer netten alten Dame hatte und mit uns Kindern immer Fangen spielte, wenn er Mara auf die Klassenfeiern begleitete.
Maras großen Bruder hatte ich zwar nie getroffen, wusste aber dass er existierte und ihre kleine Schwester war das niedlichste Kind, dass ich je gesehen hatte. Sie war sogar süßer als Milla, aber das würde ich niemals zugeben.
Mara selbst war schon immer ein fröhlicher Mensch gewesen, was mich besonders in der zweiten Klasse, nach dem "Verlust" meiner Mutter richtig ankotzte. Ich verstand nicht, wie jemand so fröhlich sein konnte während ich so hart darum kämpfte, herauszufinden, wie man kocht oder Spült. Ich dachte das Leben ist einfach nur hart und grausam und jetzt dachte ich, es sei langweilig. Aber Mara war damals immer freundlich und nett. Sie schrie nie rum oder wurde wütend und beteiligte sich nicht an dem Zickenkrieg der Mädchen aus unserer Klasse. Auf Klassenfahrt in der vierten, habe ich auf einer Wanderung eine leere Gummibärchentüte fallen lassen und sie hat mir zu gerufen, dass ich sie verloren habe, aber ich hatte sie da hingeworfen und als sie merkte, dass ich die Tüte nicht aufheben wollte ist sie sauer geworden. Sie hat mir einen Vortrag über Umweltschutz und Plastikmüll gehalten und war richtig, richtig Wütend. Sie hat sogar mit dem Fuß nach mir gekickt. Das war das erste mal, dass ich sie wütend erlebte und eben vor ein paar Minuten, war das zweite mal gewesen.
Sie konnte sich sicherlich nicht vorstellen, wie es sein musste, so zu leben wie ich es ihr grade erzählt hatte und dabei war das ja nicht mal alles.
Mara drehte sich wieder zu mir. "Okay Jason, was kann ich tun um dir zu helfen?"
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Wie kann das sein
Genç KurguJay ist 15 Jahre alt und sein Leben ist am Arsch, wie das vieler 15 jähriger. Vor 6Jahren hat sich seine Mutter ein Ekel an Freund zugelegt und ein neues Kind bekommen und vor 2 Wochen taucht auf einmal sein Vater auf, mit einem Jungen, der ungefähr...