Ich war halb erfroren. Dann hatte ich mich auf den Weg nach Hause gemacht. Dass in der falschen Bahn saß, merkte ich erst, als ich wieder ausstieg. Es war die Haltestellte, die mich zu Hoseoks Viertel führte. Doch seinetwegen war ich nicht hier. Es war Jin, den ich jetzt brauchte. Auch er wohnte hier und anscheinend war ich völlig unterbewusst losgestiefelt, damit ich mich an die breiten Schultern meines Momfrieds lehnen konnte, um mich auszuheulen.
Kurze Zeit später stand ich auch schon vor seiner Tür und klingelte. Normalerweise war er allein um diese Uhrzeit und das war auch gut so, denn meinen Mental Breakdown musste nicht jeder mitbekommen.
"Jimin, was willst du denn schon wie... Oh Gott, komm rein", Jin zog mich ins Innere des Hauses, sofort nachdem er meine aufgequollenen Augen gesehen hatte. Er nahm mich auch gleich in den Arm und das tat gut. Ich begann zu schluchzen, denn die ganzen aufgestauten Gefühle wollten raus.
Wie konnte er so mit mir umgehen? Was dachte Hoseok sich überhaupt? Es tat mir weh, dass er dachte, dass er schuld an meiner Situation sei. Ich konnte gar nicht so schnell verarbeiten, was mir alles durch den Kopf ging. Ein Teil von mir war todtraurig, ein anderer besorgt, wieder einer war sauer. Ich wusste nicht, was ich alles fühlen sollte. Ich wusste auch nicht, was ich tun sollte, doch Jin wusste es, denn er hatte mich schneller in eine Decke gewickelt und aufs Sofa geschmissen, als ich gemerkt hatte, dass ich mich wirklich gern in eine Decke gewickelt auf ein Sofa schmeißen wollte.
Er ließ mich erst mal weiter weinen und kam ein paar Minuten später wieder mit ein bisschen Gebäck und zwei Kakao. Dann setzte er sich zu mir und strich mir durch die Haare.
"Was ist passiert?", fragte er sanft.
Ich sah ihn unglücklich an und schniefte. Dann fing ich nur wieder an zu weinen. Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte zu erzählen. Doch ich wusste auch, dass ich langsam rausrücken sollte mit der Sprache, nicht dass er noch dachte, ich sei vergewaltigt worden oder ähnlich schreckliches. Sein Blick wurde schon immer besorgter.
"H-H-Hoseok", brachte ich hervor und schluchzte. "Er h-hat ..." Jetzt hickste ich auch noch und brach erst mal ab. Jin zog die Augenbrauen zusammen. "Was hat er?", fragte er angespannt und ich wischte mir die Augen und lehnte mich an ihn.
"Er hat mich einfach verlassen."
Jin schwieg erst mal und schien für sich auszusortieren, was er davon halten sollte. Ich wusste, dass er nicht besonders gut mit Hoseok auskam. Entsprechend rechnete ich schon fast damit, dass er was Gemeines über ihn sagen würde. Noch immer wollte ich das nicht, doch im Moment musste ich mich eh auf mich konzentrieren und meine Gefühle aussortieren, um vielleicht noch mal mit ihm sprechen zu können.
"Ich denke nicht, dass es einfach war", murmelte Jin und seine Worte überraschten mich dann doch, "dennoch ist das so bescheuert. Er ist wirklich so blöd." Verwirrt sah ich Jin an. "Und du auch." Ja danke.
Mein bester Freund ging sich durch die Haare, dann legte er erst mal seinen Arm fester um mich und strich mir über die Schulter. Ich schniefte nur wieder. Er drückte mir einen Keks in die Hand und seufzte.
"Erzähl mir alles ganz genau", forderte er und schmiss sich selbst einen Keks in den Rachen.
Eine Stunde später hatte ich mich etwas beruhigt und saß immer noch in die Decke gewickelt, einem Häufchen Elend gleich auf seiner Couch und sah Jin beim Denken zu. Ich hatte so gut es ging alles geschildert, auch wenn das ein bisschen gedauert hatte, denn schließlich trieb mir das alles wieder nur die Tränen in die Augen.
Ich nagte nervös an meinem Keks und in der anderen Hand hatte ich schon die zweite Tasse warmen Kakao. Jin wusste, wie man sich um gebrochene Herzen kümmerte. An die Sofalehne gekuschelt, betrachtete ich Jins grüblerische Mine.
"Ihr seid echt beide so blöd", war sein Urteil, oder eher bestätigte er seinen ersten Eindruck, "er ist dämlich, weil er sich Dinge einbildet, die nun wirklich bescheuert sind. Klar hat er dich zum Tanzen gebracht, schön und gut, aber was du draus machst, ist nicht seine Schuld. Du bist dämlich, weil du in der Tat angefangen hast, dich zum negativen zu verändern. Du bist wirklich fauler geworden, was die Schule angeht und ich glaube nicht, dass deine Eltern es so toll fänden, wenn sie wüssten, wie oft du dich rausschleichst. Klar wirst du launisch. Du bist schließlich müde. Dass Hoseok sich den Schuh anzieht... ist dämlich. Ihr seid beide dämlich. Wieso lässt du dir das gefallen? Du hättest ihm gleich sagen sollen: Hoseok. Du bist bescheuert und ich bin es auch."
Er trank von seinem Kakao und schüttelte den Kopf.
"Jimin, du weißt, ich bin jetzt nicht der größte Fan von Hoseok. Auch ich sehe ja, dass du abbaust", meinte er und ich verzog den Mund. Hah. Das war wirklich alles dämlich. Vor allem dieser Part.
"Exucuse me, Mister, aber ich pubertiere nur", murmelte ich und schniefte noch mal. Jin nickte und wuschelte mir durchs Haar. Er durfte das. Wenn mich das jetzt nicht störte, wo ich manchmal am liebsten die Menschen in meinem Umfeld auffressen würde, dann würde mich das wohl nie stören. Selbst wenn ich 45 war, würde er mir wohl noch die Haare wuscheln.
"Ich weiß", meinte Jin nachdenklich, eher er sich mit einem Seufzen zurücklehnte, "ich weiß. Ich habe auch darüber nachgedacht und ja, ich habe auch irgendwie erst Hoseok die Schuld gegeben."
Ein Teil von mir wollte ihn direkt ankacken dafür, aber das war ja der Punkt. Vielleicht war ich einfach nur ein normaler Teenager. Ich ging durch die ganze Scheiße durch, durch die alle gingen. Ich hatte nicht wirklich Lust auf die Schule, ich zog andere Dinge vor, die ich lieber machte. Ich wurde rebellisch und ... klar wurde ich launisch verdammt noch mal. Jeder in meinem Alter wurde das.
Jin schien mir meine Gedanken ansehen zu können, denn er nickte wieder nur.
"Ich weiß", wiederholte er und ich schnaubte. Was war eigentlich bei ihm nicht in Ordnung? Er war nur anderthalb Jahre älter als ich und ein Musterbeispiel an Weisheit und Ausgeglichenheit. War er überhaupt ein Teenager, oder war er ein Undercoverpolizist Anfang zwanzig, der an die Schule geschleust worden war, um Drogenmachenschaften aufzudecken, die ihren Ursprung in einem der Keller hatten?
Ich kannte Jin schon mein ganzes Leben, deswegen konnte ich das ausschließen. Sonst aber wäre ich highkey misstrauisch geworden.
"Das was ihr da habt", begann Jin, "ist ein bisschen toxisch, weil ihr euch ein bisschen runterzuziehen scheint, also gegenseitig. Das, was du tun kannst, ist zu versuchen, dich selbst zusammenzureißen und ihn gleich mit. Hoseok hat es nicht einfach gehabt und ihm fehlt die Führung, auch wenn er das selbst nicht merkt. Er ist smart, aber gleichzeitig kaputt und er steckt den Kopf in den Sand, weil er denkt, dass er dich so beschützen kann. Er versteift sich auf seine Sicht und denkt das Ganze nicht zu Ende. Du musst ihm dabei helfen. Er sieht nur seine Seite."
"Was mache ich jetzt, Hyung?", fragte ich und Jin verdrehte die Augen.
"Was schon? Du gehst zu ihm hin und sagst: Hoseok, du bist dämlich."
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Blue Side
FanfictionEs gibt Menschen, von denen hält man sich besser fern und einer dieser Menschen ist Jung Hoseok. Auch Jimin macht - wie es für vernünftigen Jungen gehört - einen großen Bogen um den rauchenden, schwänzenden und rebellischen Taugenichts. Doch plö...