Hoseok zog nur eine Augenbraue hoch.
"Es ist mitten in der Woche. Ich meine, ich hatte eh nicht vor, morgen zur Schule zu gehen, aber du lässt den Scheiß." Ich sah zu ihm auf und löste mich von ihm. Beschämt über meinen Ausbruch, wischte ich mir die Augen mit dem Ärmel meines Hoodies. "Aber", begann ich, doch er brachte mich nur mit einem Blick zum Schweigen.
"Nichts aber", intervenierte er. Er drehte mir den Rücken zu und ging ins Wohnzimmer. Nochmals wischte ich meine Augen. "Willst du was trinken?", fragte er und bedeutete mir, dass ich mich auf das Sofa setzen sollte. Wenn er dachte, ich gab so einfach was auf, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte, dann war er aber schief gewickelt.
"Sooju!", antwortete ich nur stur und er warf einen Blick über die Schulter. Ich ging zum Sofa und setzte mich immer noch beleidigt in die Ecke. "Bist du allein?", fragte ich und sah mich unsicher um. Oben war es komplett dunkel, und auch hier war nur eine einsame Stehlampe damit betraut, alles zu beleuchten.
"Ich bin immer allein", antwortete Hoseok und es klang eine Spur verbittert.
Ich zog die Beine an und beobachtete ihn dabei, wie er ein Wasser aus dem Kühlschrank holte, dass er dann öffnete und mir hinstellte. Hatte da jemand ein schlechtes Gewissen? "Es ist ein Unterschied, ob ich den ganzen Nachmittag mit dir trainiere, oder wenn ich sowieso was essen muss, das mit meinen Freunden mache. Nach zwanzig Minuten war ich schon zu Hause und am Lernen", meinte ich und er setzte sich mir gegenüber.
"Weiß ich", sagte er und trank selbst einen Schluck, "ich wird jetzt nicht noch fünfmal sagen, dass es mir leidtut. Es tut mir leid. Hör auf zu schmollen. Ich war angepisst und ich verspreche, das nächste Mal antworte ich mit: 'Bin angepisst, melde mich morgen.' Okay?" Ich schluckte. Dann nickte ich langsam.
"Okay", murmelte ich und griff nach dem Wasser und trank einen Schluck, den ich sofort wieder zurück in die Flasche spukte. Dann hustete ich, weil ich ein bisschen von dem, was auch immer das war - Wasser war es nicht - geschluckt hatte. Ich verzog das Gesicht und stellte die Flasche angewidert wieder vor mich hin, während Hoseok einfach nur anfing zu lachen.
"Du bist so so eine Möhre, Jimin, ernsthaft." Er trank noch einen Schluck. "Dachtest du, das ist Wasser? Du wolltest Sooju, hab ich aber gerade keinen, also nimm das." Er hatte die halbe Flasche schon weg, wow. "Was ist das?", fragte ich und er zuckte nur die Schultern.
"Guter Kokosschnaps."
Ich hustete noch mal und legte mir die Hände an die Wangen. "Das war eine gemeine Falle. Möge der Asian Flush dich holen." Er lachte nur wieder auf. "Hab ich nicht, alle Enzyme vorhanden, was von dir nicht wirklich behaupten kann." Ich fühlte mich von dem Bisschen schon ganz duselig. Ich wedelte mir Luft zu. "Ich kann das nicht trinken", meinte ich nur atemlos, während ich erstaunt dabei zusah, wie er seine Flasche leerte und sich meine auch noch ran zog.
"Also, was für ein Spiel?", fragte er dunkel, ehe er aufstand und noch mal zum Kühlschrank ging, eine dritte Flasche öffnete und die wieder vor mich stellte. Dieses Mal war es wirklich Wasser und ich stürzte es dankbar runter, ehe ich ihn wieder ansah. Er hob meine Flasche an den Mund.
"Hyung, da hab ich reingespukt!", erinnerte ich ihn. War er echt schon betrunken genug, dass ihm das egal war? Er trank nur, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. "Ich bitte dich", sagte er, "was meinst du, was passiert, wenn man sich küsst?" Meine Wangen wurden nur noch roter. "Siehst du, das war gar nichts."
Ich nippte noch mal an dem Rest meines Wassers und er beobachtete mich dabei. "Dein Spiel?" Verdammt ich hatte gar nichts vorbereitet. "Hast du... ein Blatt Papier? Und Würfel? Uuuund einen Stift?" Sein Blick wanderte zu einer Kommode. Schau mal da drüben. Ich nickte und sprang auf. Schnell lief ich rüber zu der Kommode und deutete auf eine der Türen, was er nur abnickte. Ich machte die Tür auf und zum Vorschein kamen verschiedene Gesellschaftsspiele, was mich wunderte, denn wann kam diese Familie mal zusammen. Von dem her, was ich mitbekommen hatte, waren sie nicht sehr gesellig untereinander.
Ich fand, was ich suchte und ging zurück zu ihm, setzte mich jedoch dieses Mal mit auf das Sofa, auf dem er auch saß. "Bist du schon betrunken?", fragte ich und er neigte nur den Kopf. "Ein bisschen vielleicht", meinte er und trank auch meine Flasche des komischen Zeugs aus. "Wir spielen Piraten, okay?", meinte ich und zeichnete zwei Schiffe auf. In diese malte ich drei Kreise und in diese schreib ich '4', '5' und '6'. Dann malte ich noch drei Kreise in den Frachtraum jedes Schiffes.
"Also", begann ich zu erklären. "Das Ziel ist es, möglichst viel Fracht zu laden, ja? Aber vorher brauchst du ein Schiff", ich deutete auf die 6, "eine Mannschaft", ich deutete auf die 5, "und einen Captain", schlussendlich zeigte ich auf die 4. "Du hast drei Würfe mit sechs Würfeln. In diesen drei Würfen musst du es schaffen eine Fünf, eine Vier und eine Sechs zu würfeln, erst dann würfelst du für die Fracht. Die Augen, die du dann würfelst, sind deine Punktzahl und die schreiben wir immer auf."
"Was wenn ich in drei Würfen keine vier mache?", fragte er und es klang leicht undeutlich. Er war also wirklich betrunken. "Kein Captain, keine Fracht." Er nickte das ab. Immerhin verstand er die Regeln. "Alles klar, du Landratte, ich zeig dir, wer hier der Pirat ist", meinte er nur dunkel, halbwegs gelangweilt, bedachte mich aber mit einem kleinen Grinsen. "Aye", sagte ich, schaute ihn mit großen Augen an und reicht ihm die Würfel. "Hör auf immer so gottverdammt niedlich zu sein oder ich fresse dich auf." Damit warf er die sechs Würfel, die ich ihm gegeben hatte.
Verlegen strich ich mir die Haare zurück und schaute mir an, was er so geworfen hatte. "Schau, du hast schon einen Captain", jubelte ich und legte den Würfel mit der vier und den Kreis mit der vier. Die restlichen fünf gab ich ihm zurück in die Hand, wobei ich seine streifte und das sollte mich wirklich nicht so nervös machen, vor allem nicht, wenn man bedachte, wie eng wir manchmal standen, wenn wir unsere Choreo tanzten. Er warf wieder und hatte eine Fünf dabei. "Ein Schiff." Er grinste. "Bin gut in dem Spiel, wenn ich jetzt ne Sechs dabei habe, ist der Rest meine Fracht, richtig?" Ich nickte. "Genau." Er kapierte schnell, dafür, dass er doch recht gut angetrunken schien.
Wir spielten ein paar Runden und ich bemerkte, dass meine Oma wohl recht hatte. Alkohol enthemmte und das traf auch auf Hoseok zu. Gut daran zu merken, dass er näher an mich ran rutschte und mir dann einfach durch die Haare ging. Ich wurde rot und versuchte mich weiter zu konzentrieren, was mit noch auffiel und wenn man seinen Ruf bedachte, war das, was ich zu sehen bekam wirklich erstaunlich.
Er wurde fluffy.
Ich gewann und er freute sich. Ich verlor und er freute sich für sich selbst, aber das auf eine so bodenständige Art und Weise. Er lächelte nur und warf die Würfel wieder. "Schau, ich bin gut daran", meinte er belustigt und packte die Würfel wieder auf die vorgesehenen Flächen. Wenn dieser Test meiner Oma drauf abzielte, Charaktere zu entlarven, die schnell wütend wurden, oder übermäßig schadenfroh waren, dann war Hoseok nicht so jemand.
"Letzte Runde", bestimmte er dann und legte mir die Würfel in die Hand. Ich warf sie und der Wurf war eher schlecht, denn ich hatte nur einen Captain. "Dann bring ich dich nach Hause", murmelte er und ich sah ihn mit großen Augen an. "Mit dem Auto?", fragte ich entsetzt.
"Zu Fuß!", antwortete er genauso entsetzt.
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Blue Side
Fiksi PenggemarEs gibt Menschen, von denen hält man sich besser fern und einer dieser Menschen ist Jung Hoseok. Auch Jimin macht - wie es für vernünftigen Jungen gehört - einen großen Bogen um den rauchenden, schwänzenden und rebellischen Taugenichts. Doch plö...