Chapter 6

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Der Mann an der Passkontrolle wirkte sehr erschöpft als er die großen Menschenmengen auf seinen Schalter zu laufen sah. Er musterte besonders eine Frau mit blonden Haaren, einem weißen Kleid und einer dicken Sonnenbrille, die auf ihrer Nase prangte. Sie sah aus als wäre sie aus der Raffaello-Werbung entsprungen, nur die beiden Vögel fehlten noch. Als sie gekonnt die Reihen an Urlaubsbedürftigen umging, musste er mit den Augen rollen. "Sorry youre not the next in line." presste er genervt hervor. Er hätte auch nicht erwartet jemals an einem Flughafen zu landen. Als junger Sprung wollte er immer zum Millitär, sein Land vertreten, koste es was es wolle. Doch die plötzliche Schwangerschaft seiner frisch vermählten hatte seine Pläne umgeworfen und das um 360 Grad. Wenn er nun an seine kleine Wohnung am Rande Istanbuls denken musste, wurde es ihm flau im Magen. Grade noch hatten sie eine große Rechnung erhalten, da der Kleine krank wurde. Die Medikamente überstiegen seit Gehalt um Längen und es war nicht einmal Gewiss, ob er es überhaupt überstehen würde. Seine Frau musste ihre kleine Boutique aufgeben, an der ihr Herz wirklich sehr hing. Jeden Abend, wenn er nach einem anstrengenden Tag nach Hause kam, sah er sie an dem Bett von seinem Sohn sitzen, Tränen tropften auf sein kleines Köpfchen. Die Raffaello-Frau riss ihn aus seinen Gedanken. "Well, I'm actually not supposed to tell you, but I am an actress. Normally I would wait in line, like a normal person, but I need to be on set in time. I'm sure you can help me." selbstbewusst klimperte sie mit ihren Augen, die durch die Sonnenbrille kaum zu sehen waren. Er schaute sie durchdringend an und atmete einmal kurz durch, um die aufsteigende Wut runterzuregulieren. Täglich traf er mindestens eine Person, die vorgab ein Star zu sein oder bald zu werden und deshalb ihre Sonderrechte einforderte. Doch ihm war das alles egal, wäre sie berühmt, wäre sie sicherlich nicht aus der Billigmaschine ausgestiegen. Er verschränkte seine Finger und sprach ganz langsam, damit sie seinen Ernst beim ersten Mal direkt verstehen würde "Next time you need to be on set in time, try a different lie. Don't annoy me, just get at the end of the line and I wont send you back from where ever you came from." Mit einem genugtuenden Lächeln zeigte er auf das Ende der Schlange. Als sie protestieren wollte, fügte er noch ein bestimmendes "Now" hinzu und ohne weitere Umschweife lief sie unter Kopfschütteln der anderen Ankömmlinge nach hinten. Stolz nahm er einen Schluck aus seinem Cay-Glas und schüttelte nachdrücklich den Kopf. Die hatte er in die Schranken gewiesen. Nun kamen die nächsten an sein Pult. Ein junges Ehepaar mit einem kleinen Jungen begrüßten ihn, in seiner Landssprache. Sie schienen deutsch-türkisch zu sein, denn der kleine Junge, der gerade eben über das kleine Tischchen gucken könnte, stellte in einer Tour Fragen, die er nicht verstand. Die junge Frau, vielleicht Ende 20, kramte in ihrer Tasche auf der Suche nach den Pässen, während ihr Mann dem Jungen den Kopf tätschelte. "Anstrengender Tag?" wurde er von dem Mann gefragt. Eigentlich mochte er keinen Smalltalk doch der junge Vater wirkte äußerst freundlich. "Wie immer eigentlich." antwortete er knapp, während er den kleinen Jungen beobachtete. Er mochte Kinder wirklich sehr gerne, auch wenn er nicht viel Zeit mit seinem eigenen verbringen wollte, da ihm seine Erkrankung große Angst bereitete. In seiner Schublade fand er ein Kirschbonbon, was er dem Kleinen nun nach unten reichen wollte. "Hier bitte schön, das schmeckt gut und gerade nach so einem langen Flug kann man Süßes gut gebrauchen." Der kleine Junge schaute ihn schüchtern an, ging einen Schritt zurück und umarmte seinen Vater, als hätte er gerade ein Monster gesehen. Sein Vater nahm ihn auf den Arm und schaute ihn entschuldigend an. "Ibrahim versteht türkisch noch nicht so gut und gleichzeitig ist er sehr schüchtern, was Fremde angeht.." Er nickte nur kurz. Das war typisch für Kinder in seinem Alter. Nun war die junge Frau endlich fündig geworden und reichte mit gerötetem Kopf die 3 Reisepässe über die Theke. Er beuugte die Bilder kurz und stempelte anschließend jeweils eine Seite. In seinem Computer tippte er die üblichen Informationen ein. "Gute Reise und bringen sie ihrem Kind türkisch bei." sagte er dem Paar, als er ihnen die Pässe zurück gab. Der Mann nickte ihm zu. "Einen schönen Tag noch." Die anderen Menschen waren nicht weiter interessant, sodass sein Blick immer wieder zur Uhr schwiff. Noch 30 Minuten, dann sollte seine Pause beginnen. Sein Cayglas war schon längst ausgetrunken und die Raffaello-Frau kam immer näher, das konnte er spüren. Die Menschenschlange hatte sich schon drastisch reduziert, nur noch ein paar Menschen hatte er vor sich. Die nächsten beiden waren zwei junge Frauen, vielleicht gerade aus der Pubertät raus. Die eine hatte lange braune Haare, ein paar blaue Strähnen schauten heraus. In ihrer Hand baumelte ein schwarzer Rucksack, generell trug sie sehr viel schwarz - und das in einem so heißen Land. Er schüttelte mit seinem Kopf. Das andere Mädchen hatte ebenfalls Dunkelbraune Haare, die sie zu einem kleinen Dutt zusammengebunden hatte. Vereinzelt hingen Strähnen raus und sie sah sehr verschlafen aus. Sie trug ein mittellanges weißes Kleid, sah aber deutlich freundlicher als die Raffaello-Frau aus. In ihrer Hand hielt sie die beiden Reisepässe, die sie sicherlich schon vor etlichen Minuten paratgelegt hatte. Vorsichtig traten beide näher. "Äh Hallo." sagte die Kleinere von den beiden und legte vorsichtig die beiden Reisepässe auf die Theke. Er nahm sie entgegen und beuugte ihre Namen. Sandra und Lara... Aysegül. "Bist du türkisch?" fragte er Lara und beobachtete jede ihrer Bewegungen. "Ja genau, aber mein türkisch ist nicht besonders gut." erwiderte sie mit hoch rotem Kopf. Ja, das konnte er raushören, lächelte sie aber nur an, um ihre Scham ein wenig zu reduzieren. "Merkt man kaum." Er fing an seine Arbeit zu tun, während die beiden Mädchen sich auf deutsch unterhielten. Als er fertig war, gab er ihr die Dokumente zurück. Lara lächelte ihn an "Wir wünschen ihnen noch einen schönen Tag." Trotz all dem was heute schon passiert war, lächelte er zurück. "Dankeschön, gleichfalls."

"Endlich sind wir in der Halle angekommen. Ich kann nicht mehr warten." Sandra lies sich auf die nächstbeste Sitzgelegenheit fallen. "Und uns stehen noch 16 Stunden bevor, zum Glück müssen wir hier nur 2 Stunden aushalten." Sie rieb sich über ihre Augen, übermannt von der Müdigkeit. Ich schaute nur durch die Halle. Es sah aus wie in einem übergroßen Shoppingcenter, überall Läden und Fastfoodketten, die von den anderen Wartenden angestrebt wurden. "Wahnsinn, am liebsten würde ich durch die ganzen Läden und mir alles hier angucken." Sandra verdrehte die Augen. "Vergiss es. Ich bin totmüde, lass uns einfach was essen und dann zum Gate gehen. So viel Zeit haben wir hier gar nicht." Sie hielt mir ihre Handyuhr entgegen. Sie hatte ja recht, auch wenn ich es sehr schade fand. Der Flughafen war sp groß, er hätte auch eine eigene Innenstadt sein können. "Da hinten ist Burger King, wie wäre es wenn wir uns ein paar Burger gönnen und dann noch Ausschau nach einem Kiosk halten?" schlug ich vor. Sandra schien sehr begeistert zu sein, also stiefelten wir los. Die Speisekarte war nicht unbedingt überfüllt mit vegetarischen Alternativen, also bestellte ich das Erstbeste, was mir in die Augen fiel. Glücklich über unser Essen, verschlungen wir die komplette Bestellung innerhalb von 15 Minuten. Ich beobachtete die Leute, die alle total fasziniert durch die Gegend liefen. Bald schon mussten wir wieder Aufbrechen, diesmal für einen deutlich längeren, dafür aber auch letzten Flug. Auf dem Weg zum Gate besorgten wir uns noch ein bisschen Proviant und dann sollte es auch schon losgehen - mit der letzten Etappe...

New Orleans - eine dunkle LeidenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt