Nichts. Die große leere, legte sich um meinen Körper, eine weiße Wüste, die mich vollständig einnahm. Und doch sollte ich mich nicht unwohl fühlen. Langsam blitzelte ich mit meinen Lidern, versuchte meine Finger zu bewegen, als würde ich aus meinem Koma erwachen. Raum und Zeit, so fühlte es sich an, sollten nicht mehr im richtigen Verhältnis zueinanderstehen. Doch was genau war überhaupt richtig? Ich versuchte mich zu erinnern, doch nicht nur schwebte ich in der gähnenden Leere, auch bewegte sie sich in mir. Mein Kopf pulsierte, als würde er versuchen mich wiederzubeleben. Das schaffte er auch, nur war ich mir nicht sicher, wen. Vorsichtig tastete ich mit meinen Fingerkuppen über meinen nackten Körper, um wieder ein Gespür über meines Selbst zu bekommen, doch es brachte nichts. Was war mein Name? Wer war ich? Meine Gedanken fingen an mit dem Nichts zu kämpfen, doch meine mentale Schwäche verkomplizierte das Attentat. Ich konnte das Nichts nicht bekämpfen, der Schmerz, den ich auslöste, verletzte nur mich. Meine Hände erhoben sich, wie ferngesteuert in die Lüfte und legten sich auf meine Augen. Doch schwarz wurde meine Sicht dennoch nicht. Früher wäre ich sicher panisch geworden, hätte wild nach Luft geschnappt und geweint, doch jetzt wurde ich einfach nur unfassbar müde. Und noch bevor ich zu schlafen begonn, huschte ein Gedanke durch die Ecken meines Hirns: Früher.
Der Geruch frischen Grases stimulierte mich auf eine ganz besondere Weise. Mehrere Atemzüge sog ich tief in mich ein, um noch viel mehr davon aufnehmen zu können. Ich erinnerte mich, wie ich als Kind mit meiner Mutter einen engen Waldweg entlang lief. Tauben hörte ich gurren, was mich ängstigte, da ich das Geräusch damals noch nicht identifizieren konnte. Ich schaute mich um. Die Bäume waren alle komplett kahl, keine einzige Farbe konnte ich wahrnehmen und Schnee bedeckte die Erde. Es fröstelte mich. Mein kleines Herz rang nach Liebe, nach Herzlichkeit, doch ich konnte mich drehen und wenden - niemand war bei mir. "Der Grasgeruch ergibt keinen Sinn..." meine Stirn setzte sich in Falten. "Das passt doch nicht" Ich schloss die Augen, atmete tief ein und öffnete sie erneut, diesmal schwungvoll. Meine Kindheitserinnerung war vorrüber, auch wenn ich mich nicht daran erinnern konnte, dieses Szenario jemals erlebt zu haben. Ich setzte mich auf. Um mich herum war die Erde gefrohren und der Himmel dunkelgrau verfärbt. Meine einzige Kleidung, die meinen Körper bis zu den Knöcheln bedeckte, war ein verlumptes Nachthemd. Verwirrt drehte ich meinen Kopf. "Wo bin ich?" fragte ich ins Nichts hinein. Je klarer ich wurde, desto mehr konnte ich auch von meiner Umgebung wahrnehmen. Ich hatte auf einem großen Feld gelegen. Um mich herum lagen vereinzelt Halme und mit einem vorsichtigen Blick zur Seite konnte ich eine heruntergekommene Burg erkennen, jedoch war sie völlig im Nebel eingehüllt, als wäre es ein undurchdringbares Schutzschild. Eine Windböe brachte nun auch Geräusche in die triste Kulisse. Pfeifend schoss er durch die fensterlosen Öffnungen, umwirbelte die Bäume und stieß mir letztendlich kraftvoll in das Gesicht - so als wolle er mir zeigen, wie unwillkommen ich doch war. Und genauso fühlte ich mich auch. Das Nichts, diese Leere in meinem Körper füllte sich langsam, doch nicht mit Gewissheit, nur Trauer und Verletzlichkeit stiegen langsam in mir auf, vernebelten mein Herz.
Langsam schritt ich mit meinen nackten Füßen über das vertrocknete Gras. Widererwarten schmerzte es nicht, denn meine Füße fühlten sich betäubt an. Neben dem pfeiffenden Wind, konnte ich nur das Knacken der Halme hören. Vorsichtig strich ich mit meinen Armen den Nebel vor mir, nach hinten Weg, so als würde ich durch das Meer schwimmen. Je mehr Schwaden ich vor meinem Gesicht wegstrich, desto mehr konnten sich meine Gedanken Platz in meinen Kopf machen. Ich dachte über die vergangenen Tage nach und ob Sandra genau die gleichen Erfahrungen machte. Still und heimlich wurde eine Stimme in mir laut - ja vielleicht war es auch nur eine unterdrückte Gewissheit. "Wohnt mir die dunkele Magie inne?" Ich fragte in das Nichts hinein, so als könne mir die Burg oder der Nebel Antwort schenken. Und selbst, wenn ich kaum für möglich hielt, verschwand der Nebel in die Ferne. Ich konnte Berge erkennen, um welche sich die Schwaden nun rankten. Sie waren also nicht völlig fort, aber sie hüllten mich nicht mehr gänzlich ein. Mit entschlossenem Blick schritt ich auf die Burg zu. Ich wusste nicht im geringsten, was mich dort erwarten würde, aber wenn ich hier schon feststeckte - wenn ich das überhaupt tat, dann sollte meine Zeit gut werden. Ich versuchte ruckartig meine Ängste und Schmerz in die hinterste Schublade meines Kopfes zu stecken. Gerade war kein Platz dafür in dieser komisch verzerrten Welt. Von der Burg ging eine stumpfe Kälte aus. Es war nicht die Art, die man im Sommer im Keller spürte und glücklich war, eine kurze Pause von der unerträglichen Hitze zu ergattern. Diese niedere Temperatur, war einfach da - vielleicht, weil sie einfach gut zu dieser Szenerie passte. Langsam ging mir dieses fahle Gebilde auf die Nerven. Farben hatte ich immer sehr gemocht, sie hatten eine stark aktivierende Wirkung auf mich. Kräftiges Orange, genauso wie dessen Geruch wirkten magisch auf mein Gemüt. Es gab keine Tür, die hätte quietschend aufgehen können, der Tür- oder eher Torbogen war einfach passierbar. Mir gefiel das leise Patschen meiner nackten Füße auf der steinigen Oberfläche. Ich stand in einem kleinen Flur, ziemlich beengt. An der Wand hing ein sehr großer Spiegel mit einem Riss auf der oberen rechten Kante. Mein Gesicht wirkte blass und fahl, nicht so wie ich es gewohnt war. Das weiße Nachthemd war teils dreckig und ließ mich, wie ein Gespenst aussehen. Ich hob meine Hand langsam hoch, um mein Spiegelbild zu berühren, doch dann brach ich ab. Das dort war ich nicht, da war ich mir sicher. Den Spiegel hinter mir lassend ging ich weiter, voller Neugier zu erfahren, was diese Mauern zu bieten hatten. Meine Hand strich beim vorbeilaufen an der Wand entlang und Staub legte sich um sie. Dem Flur schloss ein großer Raum an. In der Mitte stand ein großes dunkelrotes Sofa und ein Kerzenständer parallel zu dem altertümlichen Kamin, dessen Hals sich empor zur Decke hob - und das waren einige Meter. Ich schlich um die Ecke und konnte eine große Tafel mit vielen Stühlen erspähen, eine Treppe lag rechts davon. Wäre nicht alles so dunkel, verstaubt und auf eine komische Art auch leer, sähe es aus, wie in einem Prinzessinnenschloss. Die Unsicherheit, ob ich wirklich alleine war, versuchte mich zu ersticken und ich schluckte schwer, als müsse ich mich davon befreien. "Hallo?" rief ich in das Nichts hinein. Der erste Versuch Kontakt zu etwas aufzubauen, was nicht vorhanden war. Meine Beine trugen mich zum Sofa hin, um mir zu signalisieren, dass sie Ruhe bräuchten. Ich musste über all die Dinge nachdenken, die in den vergangenen Tagen passierten, während ich mich unsanft plumpsen ließ. Es gab Vampire, Magie und noch dazu beherbergte eine von uns helle und die andere dunkele Magie in sich. Überfordert strich ich über meine Schläfe. Mein Wutausbruch in Elijahs Auto wurde mir schmerzlich bewusst. Mich ritt in diesem Moment etwas anderes, etwas was tief in meiner Seele rumorte. "Das ist doch Wahnsinn" stieß ich aus meiner Lunge hervor, mit einem Geräusch, als wurde ich meine Seele auf den Boden atmen. Da ich allein war und auch irgendwie gefangen in einem Ort, den ich möglicherweise sogar erschaffen hatte, kam mir eine Idee. Ich wollte herausfinden welche Magie mir inne wohnte, ich wollte üben und irgendwie wollte ich meinen eigenen Funken spühren. Ich sah zu dem Kamin, hob meine Hand und stellte mir vor, wie die Flammen empor züngelten. Tief in mir machte sich ein überwältigendes Gefühl breit. Ich musste lachen, weil ich sie irgendwie aus mir rausbekommen musste. Es war zu viel. Im gleichen Moment schoss eine lodernde Flamme hoch, als hätte man einen schlafenden Drachen geweckt. Meine Augen funkelten bei diesem Anblick. Meine Achtsamkeit fiel auf dieses Gefühl in mir, diese Flamme, die in mir loderte. So zerstörerisch, als konnte alles unter mir zugrunde gehen. Eine Art Euphorie, eine Art Machtgefühl, die wie Wasser durch meine Adern strömte, nahezu schoss und mir das Gefühl von Leben einhauchte. So wie ich das Leben noch nie spüren konnte. Diese Machtgefühle, ich wollte sie nutzen, sie trainieren. Ich hob meine Hände und stellte mir vor, wie ich eine Kugel formte. Erst befand sich oberhalb meiner Hände fliegend nur eine kleine Perle. Doch je mehr Macht, je mehr eigene Energie ich in sie steckte, desto größer wurde sie. Stolz überkam mich, meine Seele machte Saltos in der Luft. Mit einem Ruck warf ich die Kugel in die Luft,in der sie zersprang und tausend Glitzerfunken auf mich herabrieselten. Ich grinste, fast schon teuflisch, als ich erneut die Hände hob, mit der Absicht noch etwas viel Größeres zu erschaffen, was niemand kommen sehen sollte...
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New Orleans - eine dunkle Leidenschaft
VampirLaras Leben wandelt sich um 360 Grad. Endlich hat sie einen Platz an einer Universität bekommen, um endlich Medizin studieren zu können und damit ihren Traum wahr werden zu lassen. Das einzige Problem? Für ihr Studium muss sie nach Ungarn ziehen. Do...