Chapter 13

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Ich wollte diesen Tag, diesen Moment mehr auskosten, als ich es nach dieser komischen Situation nun tun konnte. Schon am Vorabend, als ich gerade ins Bett gehen wollte, hatte ich meinen Koffer durchforstet, nur um das perfekte Datenight-Outfit tragen zu können. Ich hatte mir einen schwarzen knielangen Rock und ein schwarzes Top mit Spitze rausgelegt, dazu Kniestrümpfe, die das ganze etwas aufpimpen sollten. Jetzt konnte ich nur an den Stein und vor allem seine Wirkung auf Sandra denken. Wir waren uns beide bewusst, dass dies nicht rational erklärbar war, auch wenn ich die ganze Zeit weitere Ausflüchte gesucht hatten. Mir war die Erinnerung mit den Pendeln wieder hochgekommen und wie Sandra mich die Steine hat spüren lassen, damit ich den richtigen finden würde. Nichts hatte sich damals derart angefühlt, wie der blaue Stein, den ich unter der Kommode gefunden hatte. Einerseits wusste ich natürlich, dass Steine nicht lebendig waren, doch irgendwas in mir wusste, dass ich ihn hatte finden sollen. Sandra war die ganze Zeit sehr still gewesen, hatte in Gedanken auf ihre Hand gestarrt und tausende Dinge in ihr Handy eingegeben. Ich wusste genau, dass es sie innerlich, ängstigte und paradoxerweise sehr glücklich machte. Das alles hatte etwas magisches und das spürten wir beide. Mir war sehr bewusst, wie sehr sie das Übernatürliche anzog, denn sie hatte mir von Anfang an von ihrer leicht spirituell angehauchten Überzeugung erzählt. Nach dem Telefonat mit Elijah hatten wir noch etwas Zeit gehabt, die wir den Umständen entsprechend nicht besonders gut genutzt hatten. Wären wir doch nur ein wenig im Hotel umhergelaufen, oder hätten wir uns die Straßen in der näheren Umgebung angesehen, doch zu nichts stand es uns im Sinn. Stattdessen saßen wir auf meinem Bett und haben kaum gesprochen, einfach der Tatsache geschuldet, dass wir in diesem Moment, der Ungewissheit nur noch nonverbal kommunizieren konnten. Worte hatten für dieses Erlebnis nicht gereicht, wir hätten die Situation nicht fassen können. Den Stein hatte ich auf ein Tuch ins Badezimmer gelegt, denn wir wollten ihn beide gerade nicht sehen. Unser Respekt vor diesem Objekt war leider zu groß. Immer wieder schaute ich auf meine Uhr, obwohl ich nicht wusste, ob mir noch der Sinn nach Elijahs Sightseeingtour stand. "Glaubst du das war das einzige Komische, was uns passiert?" Sandra musterte nachdenklich die Sonne an meiner Wand. Gedankenverloren schaute ich durch das Zimmer. "Ich würde lügen, wenn ich Nein sagen würde. Aber mein Kopf will sich nicht damit auseinandersetzen." Ich rieb mir die Stirn, aus Angst ich könnte durch den ganzen Stress mal wieder Migräne bekommen - das könnte ich nun wirklich nicht gebrauchen. "Weißt du, irgendwie will ich, dass noch mehr passiert." Sie rieb die Wundcreme auf ihrer Brandnarbe noch etwas stärker ein. "Das Leben wirkt besonders und nicht so eintönig, so langweilig. Es würde uns aus diesem Schule - Arbeiten - Heiraten - Kinder - Enkelkinder - Sterbending rausbringen, aber ich weiß nicht, ob es das wert wäre." Sandra nickte. Ihre Passion hing nicht besonders am Leben, ihre Freude ebenso nicht unbedingt. "Das stimmt. Gerade das macht es so reizvoll. Hey, mein zukünftiger - nicht existenter Mann, würde mich nicht zwingen Kinder zu bekommen. Wir tun ihnen einen Gefallen, nicht geboren zu werden." scherzte Sandra und schaute mich schelmisch von der Seite an. "Witzbold." gab ich knapp wieder. Es war Zeit aufzubrechen, doch ich wollte nicht aufstehen, einfach die Augen zu machen und so tun, als wäre nichts passiert, hätte mir viel besser gefallen. Doch Sandra ließ meine Art von Selbstsabotage nicht zu. Sie nahm meinen rechten Arm und zog mich auf die Beine. "Komm jetzt." Sie schmiss mir meine Schuhe vor die Füße und meine Handtasche auf meinen Schoß. Ein kurzes "Aua" entfuhr mir. "Heul nicht rum, zieh dich an, ich werd dir dabei bestimmt nicht helfen." Gespielt ernst verschränkte sie ihre Arme vor der Brust. Gequält schaute ich sie von unten an, doch sie bewegte sich kein Stück. "Lara du kommst nie pünktlich, aber heute würde ich den Typen mal nicht auf die Probe stellen. Er wirkt echt, wie ein guter Mensch." Sie hatte ja recht und eigentlich hatte ich mich darauf ja auch gefreut. "Mal davon abgesehen, dass wir eh keine Chance hätten." gab ich patzig zurück, als ich mich bückte, um meine Schuhe anzuziehen. Sandras Augen verformten sich förmlich zu schlitzen, so skeptisch blickte sie mich nun an. "Mich hat gerade ein verdammter Stein verbrannt und du denkst wirklich, dass sowas dann keine Chance hätte? Ist ja nicht so als gäbe es kein Whatsapp, Insta, Facetime und sowas." Seufzend stand ich auf und packte in meine Handtasche alle nützlichen Utensilien, die man so gebrauchen könnte. Schnell ging ich noch ins Badezimmer, um mir meine Haare zu richten. Dabei stieß mir der Stein in die Augen. Kurz dachte ich darüber nach den Stein Elijah zu zeigen, er wirkte recht offen für alles, doch ich entschied mich dagegen. Kam es mir so vor oder funkelte der Stein kurz, als mir Elijahs Gesicht innerlich erschien? Wundert würde mich das gar nicht mehr, aber weiter darüber nachdenken wollte ich auch nicht. Wir liefen die Flure entlang und mir wurde ein wenig übel. Die Aufregung bahnte sich einen Weg zu meinem Magen und das gefiel mir überhaupt nicht. Was neue Leute angeht, brauchte ich immer ein wenig Anlaufzeit, deshalb war ich sehr erleichtert, dass Sandra mitkam. Meine Blicke streiften wieder über die Bilder. Das Personal hatte ein neues aufgehängt. Es zeigte zwei Schatten unter Mondenschein, trotzdem wirkte es nicht sehr idyllisch. Neben ihnen war ein abgewracktes Haus zusehen und auch die restliche Umgebung wirkte nicht sehr einladend. Das Bild hatte eine aufreibende Wirkung auf mich, ich fühlte mich sehr unwohl, obwohl ich es nur im Vorbeigehen betrachtet hatte. Wir liefen nun schnurstracks auf die Eingangshalle zu - und dort saß er. Wieder mit einem Bourbon in der Hand, saß er mit überkreuzten Beinen mit dem Gesicht in unserer Richtung, auf einem legeren braunen Sessel. Er passte wirklich gut zu dem Klientel, da hier stets mit Aktenkoffern beladen saßen und sich bestimmt über Themen wie Aktienkurse und Banking auseinandersetzten. Er hatte ein helles Hemd und eine Anzughose an. Das Hemd war an den Armen leicht hochgekrempelt und seine trainierten Unterarmen kamen zum Vorschein. Als wir uns ihm näherten wirkte er plötzlich nicht mehr so cool, wie zuvor, sondern mehr aufgeregt, nervöser. "Wunderschönen guten Abend meine Damen." sagte er mit einer Verbeugung, als wir bei ihm angekommen waren. Elijah war fast aufgesprungen, nur um mir wieder einen angedeuteten Handkuss auf die Hand zu hauchen. "Ein Händedruck reicht." Antwortete Sandra stumpf und ihr war ihr dafür sehr dankbar. Elijah nickte sie höflich an und tat, wie sie ihm gebeten hatte. "Hey. Schön, dass du gekommen bist. Ich freue mich wirklich sehr auf deine kleine Tour." hauchte ich durch meine Nervösität fast schon. Er lächelte mich glücklich an. "Die Freude liegt ganz auf meiner Seite." Er zeigte einladend auf die Tür. "Dann lasst uns gehen." Wir nickten und bewegten uns Richtung Ausgang. "Wie war eure erste Nacht in New Orleans? Es muss aufreibend sein, in einer fremden Stadt zu nächtigen." Interessiert beeugte er mich von der Seite. "Nun die Nacht war wirklich sehr angenehm. Ich habe noch nie in einem so weichen Bett geschlafen.. Nur der Nachmittag war.." Ich brach mitten im Satz ab, wollte ich ihm wirklich bei unserem ersten Treffen mit derart Themen bombadieren? Ich denke eher nicht. "Was war am Nachmittag?" Sandra rieb sich ihre Hand, was Elijah sofort regristrierte. Er schien eine echt gute Beobachtungsgabe zu haben. Sandra setzte an, um was zu sagen, doch ich unterbrach sie, aus Angst sie könnte ihn verschrecken. "Nun wir haben uns gegenseitig die Haare machen und da hat sie sich glatt mit dem Glätteisen die Hand verbrannt." log ich ihn an. Im Augenwinkel sah ich, wie Sandra den Kopfschüttelte. Wir wussten beide, dass ich nicht lügen konnte. Selbst Elijah, der mich erst seit einem Tag kannte, merkte dass ich ihm die Wahrheit vorenthielt. "Ist das so?" kühl musterte er mich. Lügen konnte er wohl nicht besonders gut vertragen. In mir bahnte sich die Angst, dass er direkt ein schlechtes Bild von mir bekam, doch ich schüttelte diesen Gedanken ab und auch Elijahs Wärme trat ihm wieder in die Augen. Wir liefen eine Weile durch verschiedene Straßen, bogen hin und wieder ab. Zwischendurch zeigte er auf eine Bar oder ein Lokal, welches er in den höchsten Tönen lobte. Ich lies es mir nicht nehmen Fotos von der Orten zu machen, an denen wir vorbeikamen. Zuletzt bogen wir in eine kleine Seitengasse ab. Sie war sehr dunkel und kurz bevor ich eintrat, blieb ich stehen und zögerte. "Du musst keine Angst haben, hier kann dir nichts passieren." Unschlüssig schaute ich zu Sandra, die mit einem Fuß bereits eingetreten war. "Komm, ich bin doch auch da. Wenn dich irgendwer angreift, schlag ich den einfach. Du weißt, ich bring sowas." Kurz schaute Elijah sie ein wenig verwundert an, und drehte sich wieder zu mir. Bedacht streckte er seine Hand nach mir aus. Ich wurde rot. Sollte ich seine Hand greifen? Meine Schüchternheit brachte sich wieder ein, doch im letzten Moment griff ich zu. Trotz dessen, dass seine Hand sehr kühl war, kribbelte meine Hand, was meine Gedanken für einen kurzen Moment wieder auf den Stein lenkte. Doch dieses Gefühl war anders, war wohler, liebevoller. Wie auf Wolken lief ich in die Gasse, hielt seine Hand dennoch fest in meiner. Wir fingen an über unsere Flugreise zu erzählen und ein wenig über unseren Beruf. Durch die Gespräche wirkte die Gasse nicht mehr so unheimlich, wie zuvor und mein Innerstes wurde immer ruhiger. Am Ende konnte ich Licht hören und der leise Klang von Jazzmusik drang in mein Ohr. Je näher wir kamen, desto mehr verstärkten sich die Sinneseindrücke. Wir zwängten uns durch eine eingerissene Mauer und standen plötzlich mitten im Geschehen. Es prasselten plötzlich so viele Impulse auf mich ein, dass ich nicht wusste, wie mir geschah. Wir standen am Rande einer Straße, auf der sich viele Menschen dicht an dicht drängten. Überall waren kleine Musikgruppen versammelt, die unterschiedliche Jazzlieder spielten. Beleuchtet wurde alles durch die Schilder der umliegenden Bars und Restaurants. Mein Lächeln breitete sich über mein Gesicht aus und ich fühlte, wie meine Augen glasig wurden. Trotz des ganzen Trubels war ich ganz ruhig und vor allem glücklich. Auch der große Sternenhimmel sorgte dafür, dass ich auf einer Welle positiver Vibes schwamm. Alle Menschen bewegten oder unterhielten sich und schienen die Zeit ihres Lebens zu haben. Elijah zog mich weiter zu einer ganz besonderen Gruppe. Der Mann in einem schicken Sacko spielte gerade ein Saxophonsolo. Aufgeregt wippte ich hin und her. Auch Sandra schien es sichtlich zu gefallen, obwohl sie normaler nicht besonders gut mit Menschenmengen umgehen konnte. Mit ihrem Handy filmte sie das Geschehen und ich sah aus dem Augenwinkel, wie sie eine heimliche Aufnahme von mir und Elijah machte. "Darf ich Sie zu einem Tanz auffordern?" Galant beugte er sich vor mich und nahm meine Hand. Ich nickte aufgeregt, ich konnte spüren, wie ich am Strahlen war. Vorsichtig, als wäre ich aus Glas gebaut, legte er meine Hand auf meine Hüfte und zog mich ein Stückchen näher zu sich heran. Langsam fingen wir an uns zu dem Lied zu bewegen. Ich merkte, wie ich ihm immer wieder auf die Füße trat und schaute ihm entschuldigend in die Augen. Er blickte zurück, in einen Augen schimmerte ein wohliger Glanz und das Licht spiegelte sich in ihnen wieder, was ihn noch um Längen attraktiver machte. "Du hast wunderschöne Augen." raunte er mir zu, was mich direkt rotwerden ließ. "Das gleiche habe ich auch gerade gedacht. Es ist wunderschön, wie sich das Licht darin bricht." Ein wenig überrascht, über meine Ehrlichkeit, lächelte ich ihn an. Mir gefiel mein wachsendes Selbstbewusstsein. "Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?" Verwundert darüber was er fragen wolle, nickte ich ihm zu. "Was seid ihr?" verwirrt blitzte ich ihn an. "Was meinst du damit?" Er wirbelte mich einmal um die eigene Achse und zog mich dann geschickt wieder an ihn heran. Mit jedem Schritt hopste mein Herz mit. "Nun, in die Bar kommen nur Wesen mit besonderen Fähigkeiten, was ist deine?" Charmant lächelte er mich an und drehte mich nocheinmal. Wenn er eine Fähigkeit hatte, dann war es definitiv tanzen. "Ich ähm.. gute Frage. Der Kartenverkäufer hatte uns nicht danach gefragt. Er hatte gesagt, dass Gäste aus dem Clair de lune dort kostenfrei eintreten dürften." Elijah sah mit dieser Antwort nicht sonderlich zufrieden aus. "Ich habe das Gefühl, dass ich dir keine gute Antwort geben kann." Der Saxophonspieler kam zu seinem Höhepunkt und Elijah wirbelte mich noch einmal herum, nur um mich zum Ende kurz in seinen Armen nach unten neigte, so wie sie es beim Tangotanzen immer taten. Schwer atmend zog er mich wieder hoch und verneigte sich nochmal vor mir. "Vielen Dank für den Tanz." Ich machte einen höflichen Knicks. "Ich danke dir, mein Herr." Wir gingen zurück zu Sandra, die sich an den Rand gestellt hatte, um uns zuzusehen. Als wir uns zu ihr stellten, zwinkerte sie mir zufrieden in die Augen und nuschelte mir ein "geht doch" zu. "Weißt du etwas von besonderen Fähigkeiten, durch die wir in den Club gekommen sind?" Elijah musterte Sandra beim Überlegen zu genau. Er schien wirklich großes Interesse daran zu haben. Doch auch sie verneinte diese Frage. Wir bewegten uns weiter in Richtung eines Kaffeestandes. "Ich lade euch ein. Nach dem Tanzen müssen wir ein wenig Flüssigkeit zu uns nehmen." Sandra wollte diese Einladung nicht annehmen. Ihrer Meinung nach, müsse sie uns einladen, da Elijah uns herumführte. Nach einer ellenlangen Diskussion gab der Arme schlussendlich auf. Wir holten uns auf seine Empfehlung nach einen Flat white mit weißer Schokolade und setzten uns an einen der weißen Draußentische, die sicherlich auch in einem Rosengarten hätten stehen können. Mit einem genießerischen Lächeln hörten wir uns alle die Musik an und quatschen zwischenzeitlich immer ein wenig. Die Fragen nach den sogenannten Fähigkeiten war nicht mehr aufgekommen, doch meine Gedanken kreisten sich nur noch darum.

New Orleans - eine dunkle LeidenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt