Für mich war es eine unruhige Nacht. Geplagt von Alpträumen schreckte ich mehrfach auf, mit dem tiefen Gefühl, dass es mehr als nur die Verarbeitung von Ängsten seien. Mein Handy hatte ich die Nacht über geladen, jedoch nur um Funktionen, wie Uhr oder Datum zu nutzen, denn ein Signal hatte ich seit dem Stadtfest nicht mehr empfangen. Ein Blick auf mein Smartphone verriet mir, dass es erst 7.30 Uhr war und, dass Sandra wohl erst in einigen Stunden wach werden würde. Ich hatte weder Zahnputzsachen, noch frische Kleidung, denn nachdem Sandra abends in unsere kleine Make-out-Scene hinzugestoßen war, hatte sich Elijah nicht mehr blicken lassen. Mir war bewusst, dass er mir angeboten hatte, wann ich immer ich etwas brauchte, zu ihm zu kommen, jedoch wollte ich mir die peinlichen Blicke sparen. Dass ich auch immer so einen Mist machen muss. Ich schlug mir meine flache Hand gegen die Stirn und gab kurzes wimmern ab. Dann schoss mir ein Blitz durch den Körper, von den Zehen in den Kopf. "Warte, was ist, wenn ich jetzt auch ein Vampir bin?" erschrocken wanderte mein Blick im Zimmer herum, als würde er etwas suchen, was mir potentiell eine Antwort geben würde. "Aber müsste er mich dafür nicht eigentlich beißen? Er ist doch ein Gentleman oder wirkte auf jeden Fall so. Als würde er mich einfach verwandeln... Oh Gott, warum haben wir überhaupt Vampiren geglaubt... Ich fasse es nicht." Der Druck in meiner Brust dehnte sich aus und begann langsam zu schmerzen. All diese Gedanken schwebten durch meinen Kopf und doch konnte ich keine richtige Antwort erwarten. Aggressiv versuchte ich Tränen aus meinen Augen zu drücken, um den Druck so zu verarbeiten, doch es wollte nicht funktionieren. Ich leitete mich zum ruhigen atmen an, was ich auch oft bei meinen Patienten anwendete. Ob es wirklich half konnte ich nicht genau sagen. "Vielleicht sollte ich mir erstmal das Gesicht nass machen." murmelte ich vor mir her und strampelte mir die Bettdecke von den Beinen. Vorsichtig tapste ich nur mit Unterwäsche bekleidet in Richtung Badezimmer, was sich gleich neben dem hübschen Kamin befand. Doch was ich als Badezimmer vermutet hatte, entpuppte sich als etwas ganz anderes. Widererwarten befand sich nur weniger Zentimeter vor mir ein Kinderzimmer. In Altrosa gestrichen und ebenfalls mit dunkelen Mahagonimöbeln bestückt, sah es wirklich sehr schick aus. Auf dem dunkelrotem Teppich in der Mitte des Zimmers befand sich ein kleines Holzschaukelpferd, was leicht wippte. Erst lief mir der kalte Schauer den Nacken runter, bis ich bemerkte, dass das Fenster offen stand. Weit offen. Der Wind fegte mit lauten Heulen hindurch und erst jetzt fiel mir das tobende Gewitter draußen auf. Die Gardienen wehten aufgescheucht ins Zimmer, als wären sie verschreckt von dem lauten Donner der Außenwelt. Schnell lief ich darauf zu, um das Fenster zu schließen und die Tür fiel hinter mir zu. Es war stockduster, auch von draußen viel noch nicht viel Licht herein. Nach einigem Ruckeln und Zerren gelang es mir dann doch das alte Fenster zu bändigen und das laute Donnern drang nun deutlich leiser an mein Ohr. Nachdenklich schaute ich in die Ferne, konnte aber nur eine zuckende Laterne erkennen. Der erschreckende Gedanke hatte sich verflüchtigt, doch sollte etwas anderes nun ganz seine Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Während ich noch so aus dem Fenster schaute, erklangen erst leise dann immer lauter die Musik einer Spieldose an mein Ohr. Mein ganzer Körper versteifte sich und das Herz sackte mir tief. Blaues Licht flackerte auf und die Spiegelung im Fenster bildeten eine Person ab. Meine Atmung verschnellerte sich, mein Herz pumpte schneller Blut in meine gefrohrenen Adern als mir lieb war. Ich wollte meine Augen schließen, die Außenwelt ganz verdrängen, doch ich konnte nicht. Mein Körper war gefroren, meine Augen auch. Die Panik stieg in mir auf. Jeder Horrorfilm spielte sich vor meinem inneren Auge ab und die ganzen Ängste der letzten Zeit fanden in meinen Kopf ein neues Zuhause. Meine Versuche mich zu beruhigen versagten alle der Reihe nach, doch nach ein paar Augenblicken schaffte ich es dann doch meinen Körper zu der Quelle aller Unruhe zu drehen. Was mich erwartete, war letztlich nicht so verängstigend, wie ich zu annehmen wagte. Die kleine Kiste der Spieluhr, so unscheinbar, wie die restlichen Möbel stand offen. Doch nicht nur Musik drang aus ihr heraus, auch ein Hologramm ähnliches Bild, von dem alles in strahlendes blau gehüllt war. Faszinierend begutachtete ich die Punkte, die wie Glühwürmchen durch den Raum flogen und mich umkreisden, als wollten sie mir etwas sagen. Vorsichtig stupste ich mit meiner Hand ein Würmchen an, doch glitt mein Finger durch sie hindurch... Oder doch nicht? Aufgeschreckt von meinem Kontaktversuch schwirrten sie schneller um mich herum und flogen dann Sturzbachartig zurück in die Kiste. Demonstrativ schloss sich die Kiste mit einem Knall und auch die Musik versagte. Augenblicklich war das Schauspiel vorbei und es war wieder stockduster, kaum konnte ich die Hand vor meinen Augen erkennen. Ich stand noch kurz einfach so da, versuchte einzuordnen, was gerade passiert war, doch es war unmöglich. Gerade wollte ich die Funktionen meiner Beine wieder nutzen und gehen, da drang erneut die liebliche Kindermusik an mein Ohr. Etwas leiser als vorhin umwarb es meine Ohren. Der Deckel öffnete sich erneut, wie von Geisterhand und das blaue Licht erschien. Doch diesmal sollte es mir etwas anderes zeigen. Mein Oberkörper leuchete mir entgegen. Mein abgebildetes Ich schaute mit einer Mischung aus verschreckt und verzaubert auf meine Hände, über denen eine Lichtkugel schwebte. Ganz vorsichtig hob sie oder besser gesagt ich die Hände und die Kugel folgte. Die Musik änderte sich und so auch meine Gefühlswelt. Während mein Herz vorher beruhigt und leicht durch die Musik schlug, wurde ich plötzlich nervöser. Die Töne wirkten dunkeler, bedrohlicher. Das Bild hatte sich geändert. Ich stand in mitten von Verletzen, von vermeindlich Toten. Meine Schultern hingen bedrückt herunter und ich weinte. Ich weinte tief und bitterlich, als wäre ich nicht physisch oder seelisch gestorben. Ich musste schlucken. Dieses Bild war so bedrückend, dass ich selbst angefangen hatte zu weinen. Ein Trauerfilm, schlimmer als alles, was ich je gesehen hatte, überlud mich mit einem Gefühl der Verzweiflung, der Leere, des tiefen Nichts. Die Toten verschwanden, das Leid um sie war fort und sie stand noch da. Kurz geschah nicht, dann fing etwas aus der Mitte ihres Brustkorbes zu strahlen. Eine Lichtkugel trat hervor. Das helle Ding flog auf mich zu bis es ganz nah vor meinem Kopf zum stehen kam. Noch bevor ich wusste was mir geschah, färbte sie sich vor meinen Augen schwarz und ein Symbol tauchte in ihr auf. Ich hatte sowas noch nie gesehen, konnte es nicht deuten. Es war ein Kreis mit einer 12 in der Mitte. Das Symbol verschwand. Erst flog die Kugel nur so vor meinem Gesicht herum, dann plötzlich sackte sie herunter und flog in meinen Brustkorb hinein. Das ganze Spektakel war vorbei, die Kiste hatte sich geschlossen, es war alles wieder dunkel. Doch ich fürchtete mich nicht. Ohne einen Ton von mir zu geben, vollig gefühlsmonoton verließ ich den Raum, schloss die Tür und schaute in den Spiegel neben meinem Bett. Ich schaute mir direkt in die Augen und mir wurde eine ganz unschöne Wahrheit bewusst. Und zwar, dass die Kugel soeben mein Todesurteil unterschrieben hatte...
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New Orleans - eine dunkle Leidenschaft
VampiroLaras Leben wandelt sich um 360 Grad. Endlich hat sie einen Platz an einer Universität bekommen, um endlich Medizin studieren zu können und damit ihren Traum wahr werden zu lassen. Das einzige Problem? Für ihr Studium muss sie nach Ungarn ziehen. Do...