Chapter 14

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Wir saßen bestimmt 2 Stunden einfach nur da, hörten uns die Musik an und holten uns immer wieder einen Kaffee. Ich sorgte mich ein wenig um die folgende Nacht, würde ich bei so viel Koffein überhaupt meinen Weg ins Bett schaffen? Lächelnd beobachtete ich die Straßenmusiker, die eine umwerfende Ausstrahlung hatten. Meiner Vermutung nach hatten sie nie auch nur einen Anflug von Sorgen und durchlebten jeden Tag glücklich und zufrieden. In diesem Moment hätte ich trotzdem nicht mit ihnen tauschen wollen. Mein Blick schweifte zu Sandra, die genüsslich einen Schluck von ihrem Kaffee nahm und die Musik förmlich in sich aussaugte, selbst wenn sie geschmacklich eher zu einem anderen Genre tendierte. Dann schaute ich zu Elijah, auch er wirkte sehr zufrieden. Es wunderte mich ein wenig. Eigentlich könnte er doch jeden Abend hier verbringen und sich von dem Ambiente berieseln lassen. Mir fiel auf, dass ich eigentlich nichts von ihm wusste. Alles hatte sich entweder um Sandra oder mich gedreht und natürlich um diese atemberaubende Stadt, deren Puls ich zu spüren vermochte. Mich hatte nun das Interesse vollkommen gepackt, ich wollte wissen, mit wem ich es hier zutun hatte. Langsam beugte ich mich nach vorne und berührte sanft seinen Arm. Er zuckte leicht zusammen, hatte wohl nicht damit gerechnet. "Sag mal, ich weiß noch so gut, wie gar nichts über dich. Erzähl mir von dir. Was machst du normalerweise an einem solch schönen Sommerabend." Seine Augen glänzten, als ich meine Frage stellte. Doch konnte ich auch ein wenig Trauer darin erkennen? Ich war nicht sichtlich unsicher. "Nun normalerweise verbringe ich meine warmen Sommerabende nicht mit so bezauberten Damen, wenn es das ist, was du in Erfahrung bringen wolltest." Die Hitze stieg mir ins Gesicht und ich spürte eine leicht rosige Farbe unter meinem Blush erleuchten. "Nun das ist eine sehr gute Information, aber ich würde im generellen mehr über dich erfahren." Etwas spannte sich in mir an, ließ aber schnell wieder locker. Elijah rieb sich sein Kinn, während er über seine Antwort nachdachte. So schwierig war diese Frage nun wirklich nicht. "Ich hätte gerne mehr Entspannung, wie diese. Oft sitze ich in einer Bar, um mich von meinem Alltag ein wenig abzulenken. Mein Bruder und ich haben, sagen wir, eine etwas kompliziertere Verbindung." Seine Gesichtsmuskulatur spannte sich an und er wirkte ein wenig gequält. "Wohnt er auch hier in der Gegend?" fragte Sandra sichtlich interessiert. "Tatsächlich wohnen wir zusammen in unserem Geburtshaus. Klaus tut oft Dinge, die ich nicht unterstütze und doch muss ich für ihn da sein, damit er keine Kriege auslöst." "Scheint wirklich eine schwierige Beziehung zu sein. Es muss wirklich anstrengend sein, wenn man sich so sehr für eine andere Person aufopfert." Wieder berührte ich seinen Arm, diesmal um ihn aufmunternd zu tätscheln. "Du machst dir kein Bild." missmutig lächelte er mich an. "Wie schaffst du es Arbeit und deinen Bruder unter einen Hut zu bekommen?" Sandra forschte sich nun langsam durch seine Lebensgeschichte. "Naja, ich habe einen etwas befremdlichen Beruf, er erlaubt es mir mich um seine Angelegenheiten kümmern zu können." niedergeschlagen hob er seine Tasse zu seinem Mund und trank einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Er tat mir in diesem Moment so sehr leid, dass ich ihn am liebsten in den Arm genommen hätte. Niemand verdiente ein so anstrengendes Leben. Die ganzen Ziele, die er sich damals gesteckt haben musste, konnte er scheinbar nicht erreichen. Stattdessen steckte er hier fest, mit einem Teil seiner Familie, der sein Leben nicht auf die Reihe bekam. Das war unfassbar unfair. Ich wollte ihn weiter über sich ausfragen, doch es fühlte sich plötzlich falsch an, seine Trauer einfach zu ignorieren. "Ich weiß nicht, ob es dir schon mal jemand gesagt hat, aber er kann wirklich froh sein, jemanden wie dich zu haben. Du tust ihm gut, da bin ich mir sicher." Seine Augen fingen langsam wieder an zu glänzen. Er legte seine Hand sanft, auf meiner, die die ich auf seinen Unterarm gelegt hatte. Normalerweise hatte ich leichte Probleme mit langem Blickkontakt, doch in diesem Moment, konnte ich meinen Blick nicht von seinen markanten braunen Augen abwenden. "Danke." hauchte er mir leise entgegen. Ich konnte seine Dankbarkeit spüren. "Soll ich euch alleine lassen?" Sandra musste schmunzeln, während sie uns so beobachtete. Die Realität überrollte mich plötzlich, die ganzen Sinneseindrücke von den Lichtern, der Lichterketten über uns bis hin zu meiner geliebten Jazzmusik stürzten auf mich herab, wie eine Welle ungestüm und unvorhersehbar. "Ich denke, wir sollten den nächsten Punkt auf meiner Liste abarbeiten. Es wird euch sicherlich gefallen, wenn ich sehe, wie ihr die Lichterketten beeugt habt. Die Tassen stapelten wir auf dem Tisch, damit die Kellner nicht so viel Arbeit zu erledigen hatten und setzten uns in Bewegung. Mein Herz schmerzte ein wenig, bei jedem Schritt mit dem wir diesen schönen Ort verließen. Wir liefen die gepflasterte Straße entlang, seitlich begleiteten uns ganz viele verschiedene Bars und Kneipen, die alle ihren eigenen Charme ausstrahlten. Ich konnte das harmonische Klackern unserer Schuhe auf der Straße hören, was mich innerlich noch mehr entspannte. Langsam wurden es immer weniger Lichterketten und damit wurde die lange Straße nur noch von den Straßenlaternen erleuchtet. "Gib uns einen Tipp." aufgeregt hopste ich beim Laufen ein wenig. "Ihr werdet euch gedulden müssen, aber es lohnt sich." schmunzelnd beobachtete er meine körperlich manifestierte Aufregung. "Machen wir doch da weiter, wo wir eben aufgehört haben." Schnitt Sandra wieder Elijahs Leben an. "Dafür, dass wir dir einfach an einem Unbekannten Ort folgen, solltest du uns mehr über dich erzählen. Du könntest ja auch ein Mörder sein und wir wüssten es nicht." Auf seinem Gesicht entwickelte sich ein komischer Ausdruck. "Nun wäre ich ein blutrünstiger Mörder, würde ich es euch erst erzählen, wenn ich mir sicher wäre, dass ihr keine Angst vor mir habt." Er grinste Sandra mit einem mysteriösen Blick an, aber irgendwie kam keine ehrliche Wärme herüber. Versteckte er etwas? Auch Sandra wirkte etwas skeptisch. Hatte sie auch etwas merkwürdiges bemerkt? "Naja theoretisch waren wir schonmal mit einem Mörder essen." reflektierte Sandra einen bereits vor vielen Jahren vergangenen Abend unter Freunden. Elijah hob überrascht die Augen. "Tatsächlich? Euer Leben scheint auch nicht uninteressant zu sein." Nun machte ich eine merkwürdige Grimasse. "Wenn du wüsstest." Langweilig war mein Leben früher auch nicht unbedingt gewesen. "Er war der Freund einer Freundin." sagte Sandra mit einem Selbstverständnis, als würde dies alles erklären" nun wirkte er doch ein wenig unbeeindruckt. Am Ende der Straße stand ein relativ großes schwarzes Auto, das sehr schick aber vor allem teuer aussah. Die Felgen waren verchromt und das Metall funkelte im Mondschein. Elijah lief schnurstraks darauf zu. "Du willst nicht wirklich dort einsteigen?" fragte Sandra ungläubig, während Elijah aus seiner Hosentasche einen kleinen Schlüsselbund, ohne jegliche Zierde zog. "Warum nicht?" Er wirkte plötzlich sehr stolz, als hätte er sich mit diesem Gefährt einen Kindheitstraum erfüllt. "Bist du irgendwie reich?" stolperten die Wörter aus Sandras Mund heraus. Wir waren beide noch nie mit einem so schönen Auto gefahren, weder besaßen wir so etwas. Er öffnete die Beifahrertür und klappte den Rücksitz zurück. "Ich sitze hinten." Sandra lief schnell auf das Auto zu, nur um sich auf die Hinterbank zu werfen. Fragend schaute er mich an. "Sie sitzt nicht gerne vorne." er nickte kurz, dann zeigte er mit einer einladenden Handbewegung auf den Vordersitz. "My Lady, darf ich sie bitten einzusteigen?" Gespielt skeptisch dachte ich laut über das Angebot nach. "Nun Sie haben mir meine Antwort noch nicht beantwortet. Bei dieser Ungewissheit über ihre dunkelen Machenschaften, kann ich doch nicht in den Wagen eines fremden, wenn auch sehr zuvorkommenden Mannes steigen." Er schaute mich mit einem Hundeblick an. "Werte Dame, ich möchte Sie nicht anlügen. Ein Geheimnis umhüllt meine alte Seele." Er griff sich mit seiner Hand an sein Herz. "Jetzt steigt endlich ein, ob ihr es glaubt oder nicht, aber auch meine Geduld hat Grenzen." rief Sandra genervt vom Rücksitz. "Dann werde ich das Geheimnis wohl an einem anderen Tag enthüllen müssen. Sandra sollte man nicht warten lassen." Er lächelte mir geheimnisvoll zu. "Willst du mich verarschen? Ich muss bei jedem Treffen auf dich warten." Die Rückbank hatte gesprochen und verfiel in schallendes Gelächter. Wo sie recht hatte... Schnell stieg ich ein, um Sandras Geduld nicht weiter zu strapazieren. Beim Einsteigen striff ich seine Brust, was in mir ein wohliges Gefühl auslöste. Vielleicht lag es am Koffein, vielleicht an der ganzen Reihe von Erfahrungen, die ich machte oder an diesem Mann, aber die Energie schlug in mich ein, wie ein Blitz während eines Sommergewitters. Elijah warf von außen die Tür ins Schloss und stieg selber ein. Das Auto begann zufrieden zu brummen, als Elijah den Motor anwarf. Vorsichtig drehte er den Musikregler hoch, aus dem Radio berieselte uns klassische Musik. "Sehr kultiviert." brachte ich an und er wirkte sehr zufrieden mit sich selbst. Die kleine Lampe links an meinem Handy blinkte weiß auf - das Zeichen dafür, dass ich eine Privatnachricht bekommen hatte. Ich konnte mir vorstellen, wer mir geschrieben hatte - vermutlich Sandra, die mir ihre Gedanken zu mir und Elijah zukommen lassen wollte. Ich entsperrte mein Handy und öffnete Whatsapp. Die neu eingegangene Nachricht leuchtete mir direkt ins Gesicht, doch sie war widererwarten nicht von Sandra. Mein Herz rutschte mir in die Hose- Sie war von Emre. Es war ein komisches Gefühl von ihm eine Nachricht zu bekommen. Ich war mir damals nicht sicher, ob ich ihn liebte und nun war ich mir nicht sicher, ob mein Herz von der plötzlichen "kind of Trennung" gebrochen war. Etwas in mir wollte nicht mehr an den Moment denken, als er gegangen war, weil es weh tat. Nicht so als hätte man sich an einer Herdplatte verbrannt eher ein dumpfer Schmerz, der erst Zeit brauchte, um sich in seiner Fülle auszubreiten. Ich öffnete das Fenster, um durch einen Stoß des Nachtwindes wieder frischer im Kopf zu werden, um meine hitzigen Gedanken abzukühlen. Kurz war ich am überlegen, ob ich seinen Text wirklich lesen wollte, doch noch während der Erstellung meiner imaginären Pro- und Kontraliste, öffnete ich den Chat.  "Hey. Ich weiß ich sollte dir nicht schreiben, gerade jetzt wo du vermutlich die schönsten und erfüllendesten Momente deiner 20er erlebst. Es wirkt auf mich fast egoistisch und doch schreibe ich dir. Denn all diese Momente, die ich mir vorstelle, wollte ich ursprünglich mit dir erleben und ich will es immer noch. Bitte lass uns nochmal reden. Ich brauche das und so wie ich dich kenne, brauchst du das auch... Selbst, wenn du es nicht zu gibst. Das habe ich dir schonmal geschrieben, ich weiß. Vermutlich will ein Teil von mir, dass du mich nicht vergisst... Hab eine schöne Zeit. Emre." Ich musste tief durchatmen. Wieder bildete sich dieser Kloß in meinem Hals und meine Gedanken verwirbelten sich in meinem Kopf. Doch noch etwas anderes passierte. Ängste aus meiner Vergangenheit schossen durch mich hindurch. Heimweh, dunkele Gefühle, Sorgen. Dinge, die definitiv nichts mehr mit ihm zutun hatten. Die Außenwelt verschwand vor meinen Augen, er wäre als hätte die Tür vor der Realtät geschlossen, befand mich gerade in einem Raum in meinem Kopf. Gefühle sprüdelten mir durch den Körper und ich konnte sie nicht mehr voneinander unterscheiden. Es war eine pure Verwirrung und ich wusste nicht, wie ich aus diesem Strudel wieder rauskommen sollte. Alles fühlte sich nicht richtig an und ich versuchte sie in Ordner zu packen, sie zu sortieren, doch es klappte nicht. Sie sprangen umher, wie wilde Tiere, unzähmbar. Doch Elijah und Sandra sollten diese Tür eintreten, um wieder Zugang zu mir zu erlangen. Ich spürte einen Arm um mich, jemand hatte die Autotür aufgerissen und hob mich nun heraus. Mir war nicht ganz bewusst, was hier passierte. "Lara, Lara komm zu dir! Was ist los, bitte sag doch was." Sandras Kopf erschien erst verschwommen, dann vollkommen vor mir. Sie wirkte sehr besorgt. Ich spürte, dass ich in der Luft schwebte und dachte, dass ich wieder in meinen Gedanken verschwand, doch das war glücklicherweise nicht der Fall. Es brauchte ein paar Minuten bis ich realisierte, was um mich herum passierte. Elijah trug mich in seinen Armen, ließ mich allerdings herunter, als er merkte, dass ich wieder in der Realität ankam. "Was, was ist passiert?" ich reibte mir den Kopf, als würde dies mir mehr Klarheit bringen. "Du warst plötzlich ganz apathisch. Wir haben auf dich eingeredet, doch nichts passierte. Du saßst einfach nur da..." Elijahs legte vorsichtshalber seinen Arm auf meinen Rücken, als hätte er die Angst, dass ich gleich umkippen würde. Sandra unterbrach ihn. "Du hast mir richtig Angst gemacht, du hast gar nicht mehr geantwortet, als hättest du deinen eigenen Film geschoben. Nicht nur in Gedanken versunken, sondern eingesperrt." Die Besorgnis stand immer noch in ihrem Gesicht geschrieben, schnell holte sie eine Flasche Wasser aus ihrem Rucksack und drückte sie mir in die Hand, nur um im nächsten Moment meinen Puls zu messen. "Scheint alles in Ordnung zu sein." sagte sie kurze Zeit später. "Ich habe keine Ahnung, was das war. Irgendwie sind alle Gefühle auf mich hereingebrochen. Ich sollte echt nicht mehr so viel Kaffee trinken. Scheint mir nicht gut zu tun." entschuldigend lächelte ich die Beiden an. "Für das nächste Mal merke ich mir das." in Elijahs Lächeln lag immer noch ein wenig Sorge, die aber langsam aber sicher weniger wurde. "Nächstes Mal?" flüsterte ich schon fast. Mein Herz machte ein kleiner Hüpfer. Er wollte weiterhin Zeit mit uns verbringen? "Natürlich" lächelte er und fügte ein "vorausgesetzt, ihr wollt das auch." hinzu. Um ihn ein wenig aufzuziehen überlegte ich erst kurz, bevor ich dies natürlich bejahte. "Also. Sind wir schon da?" Auch Sandras Gemüt hatte sich wieder beruhigt. "Wir müssen noch ein kleines Stückchen laufen, aber dann sind wir da." Sandra stöhnte gequält. "Warum müssen wir immer so viel laufen?" Ich musste lachen. "Elijah du merkst es muss sich lohnen, sonst bin ich heute wirklich mit einem Mörder unterwegs.. aber mein Gefühl sagt mir, dass du es dann nicht bist." Ich versuchte mit meinen Scherzen, meine eigene Sorge herunterspielen. Dieser plötzliche Blackout hatte eine Lücke in mir eröffnet. Es fühlte sich an, wie eine brennende Gewissheit über etwas Schreckliches und ich hatte Angst, sogar große Angst, auch wenn ich jetzt noch nicht wusste wovor. Dieses Gefühl kletterte, wie ein Monster, auf mein Herz und nahm Platz. Dieses Gefühl durchstach meine positiven Emotionen mit einem Schwert, als würde es mich auf die Schmerzen vorbereiten wollen, die ich schon bald spüren sollte.

New Orleans - eine dunkle LeidenschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt