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Kapitel 26

Belle

Ich konnte mich letztendlich doch noch vor dem Training drücken, aber ich hatte keine Ahnung, ob die Alternative dazu wirklich so viel besser war. Der unbekannte Anrufer, der mir bereits in der Nacht auf die Nerven gegangen war, hatte sich wieder gemeldet. Es war Ming gewesen.

Der Ming.

Der Ming, der nach Russland kam und sich von Vlad zu einem Kampf hatte breitschlagen lassen. Einen Kampf, den ich für ihn stellvertretend austragen würde. Oder besser: Dimitri. Ich wusste nicht viel von dem Boss der chinesischen Mafia. Hatte aber bereits eine Ahnung, warum er sich mit mir in Kontakt setzte. Er hatte mit Sicherheit gehört, dass sein vermeidlich unbesiegbarer Champion gegen Dimitri antreten wird und wenn er nur halb so schlau ist, wie ich es gehört habe, wird er erfahren haben, was Dimitri ist und, dass sein Champion keine Chance gegen ihn hat.

Kein normaler Mann hatte eine Chance gegen Dimitri. Denn im Gegensatz zu all den Männern hier in Moskau kämpfte Dimitri nicht um zu gewinnen, nicht einmal für Geld. Er kämpfte, weil er es brauchte, weil er die Gewalt gewohnt war und sie vermissen würde. Und er kämpft für mich. Jede Sekunde und das würde er immer tun, selbst wenn er begann weniger ein Tier zu sein. Das hoffte ich zumindest.

Ich ließ mich also von Ming zu einem Essen einladen und nahm neben Dimitri noch einige andere Männer meines Vaters mit, die dafür sorgen würden, dass das hier keine Falle oder etwas ähnliches war. Ich betrat somit ziemlich gelassen das Restaurant das ich ausgesucht hatte und ließ mich von dem Mann am Eingang zu einem Platz im hinteren Ende //Bereich des Restaurants führen, während Dimitri in der Nähe Stellung bezog und förmlich mit der Dunkelheit verschmolz.

Ihn direkt bei mir zu haben würde mich noch mehr beruhigen, aber ich würde Ming nicht beleidigen, indem ich zu dieser Verabredung den Mann mit brachte, mit dem ich schlief. Ming hatte Gerüchten zu folge ein empfindliches Ego.

Als ich an den Tisch trat und den Chinesen in aller Höflichkeit begrüßte, sah ich mich unaufmerksam um und war zufrieden, dass Ming seine Leute ebenfalls außerhalb der Hör- und Blickreichweite gelassen hatte.

Ich hatte keine Probleme mit Ming, er stand im Ruf fair und vor allem friedlich zu agieren. Er soll ein intelligenter und charmanter Mann sein und das hier war mehr Vergnügen für ihn als ein Geschäft. Es bestand kaum ein Grund anzunehmen, dass er etwas plante und die gesamte Station zeichnete ebenfalls dieses Bild. Ming hatte lediglich vor, sich eine Peinlichkeit zu ersparen und ich hatte vor, mir sein Angebot zumindest anzuhören.

„Womit hab ich die Einladung verdient?", begann ich unbefangen und locker, wie dieses Gespräch auch verlaufen sollte. Ming zog mir den Stuhl zurecht und war auch sonst ganz Gentleman ohne tatsächlich aufdringlich zu werden. Seinem Ruf wurde er definitiv gerecht.

Er war ungefähr im Alter meines Vaters und damit definitiv zu alt für mich und ich zu jung für ihn, aber das hielt ihn nicht davon ab, dennoch ein wenig zu flirten.

„Darf ein alter Schwerenöter keine hübsche Frau zum Essen einladen?", fragte er und deutete einem Kellner mir ein Glas Wein einzuschenken. Ich mochte keinen Wein, würde ihn aber dennoch trinken. Ming gehörte zur alten Schule und sah es als seine Pflicht an, überteuerte, elegante Getränke zu servieren.

„Nicht wenn er damit vorzugeben versucht, es würde nicht um den Kampf mit Vlad gehen", grinste ich und er lächelte ebenfalls breit. Ich hatte gehört, dass er Frauen mochte, die offen zeigten, dass sie intelligent waren und keine bloßen hübschen Anhängsel. Auch das schien zu stimmen.

„Weißt du, du erinnerst mich an deine Mutter, ein cleveres Mädchen. Sie ist der Ermordung ihrer Sippschaft in Mexiko entkommen. Wusstest du das?" Natürlich wusste ich das. Ich kannte die Geschichte meiner Mutter.

„Die einzige Dummheit war gewesen, sich auf deinen Vater einzulassen. Er hat sie nach Russland verschleppt. Eine Schande, wenn du mich fragst. Sie ist wie eine Wunderkerze im Schnee. Wunderschön aber fehl am Platz. Genau wie du", sagte er und klang dabei weder unhöflich noch anmaßend. Ich wusste sehr wohl, dass sich meine Mutter nie an dieses Land gewöhnt hatte und immer etwas fehl am Platz wirkte. Ich tat es auch, auch wenn ich hier geboren worden war.

„Wenn Sie meine Mutter kennen, sollten Sie wissen, dass man sie nicht gegen ihren Willen hierher hätte bringen können. Sie tut absolut gar nichts was sie nicht will, da läuft auch mein Vater gegen eine Wand."

„Das hörte ich. Die Mafia ist ein Haufen von Klatschweibern. Der Ruf deiner Eltern eilt ihnen voraus und der deines kleinen Maskottchens" Wusste ich es doch, dass es um den Kampf ging! Ob Casanova oder nicht, Ming war zu sehr Geschäftsmann um nur wegen der Schönheit einer Frau ein Gespräch zu suchen. Und zu stolz, um eine Niederlage hinzunehmen. Wenn sein Kämpfer nicht gegen Dimitri gewinnen konnte, würde er andere Wege suchen, um sich diese Blöße nicht geben zu müssen.

„Kommen wir also nun zur Sache, ja? Noch vor dem Hauptgang?", fragte ich kein bisschen beleidigt, war es aber ganz im Gegenteil. Ich schätzte es sehr, wenn man nicht um den heißen Brei herumredete. Und Ming auch, das sah ich an dem Lächeln, das er mir nun zuwarf.

„Leider ja, ich denke das Essen schmeckt besser, wenn das Geschäftliche erledigt ist. Also: Wie kann ich dafür sorgen, dass dein Dimitri verliert?" fragte er ganz offen und ich nahm einen Schluck von dem vollmundigen Wein. Der war gut und mit Sicherheit unverschämt teuer. Man konnte von Ming halten, was man wollte, aber der Mann hatte Stil und Mut. Sonst würde er nicht solche Fragen stellen.

„Dimitri verliert nicht", gab ich direkt zurück. Ming schüttelte leicht den Kopf.

„Oh, Belle, wie jede schöne Frau in meinen Leben lässt du mich betteln. Ich weiß, dass Vlad dich erst zu diesem Kampf überreden konnte, nach dem er dir das Four Season angeboten hat und ich weiß, dass du Geld brauchen wirst um es zu einer günstigen Gelegenheit eröffnen zu können. Ich weiß es, weil ich auf die gleiche günstige Gelegenheit warte. Also, warum tun wir noch so, als würden wir nicht die gleichen Interessen verfolgen?", fragte er und ich nahm noch ein Schluck von dem Wein.

Ja, der Kampf mit Vlad war ein reiner Schwanzvergleich von zwei Männern, aber wie es aussah war Ming nicht nur hier, um seine Ehre zu verteidigen. Er war hier, um nach Benedikts Tod diesen Teil der Stadt zu übernehmen und umso länger ich darüber nachdachte, war mir Ming an der Macht lieber als Gear oder Carl. Denn wenn das Four Season einmal auf war, würde ich zwar legal meinen Lebensunterhalt verdienen können, aber dennoch mit der Mafia zusammenarbeiten müssen. Ming war so ehrenvoll, wie man es in dieser Welt sein konnte, aber dennoch bedeutete eine Zusammenarbeit mit ihm, Benedikt und auch Vlad zu betrügen. Nicht, dass ich diesen beiden Männern meine Treue schuldete, aber es war definitiv schwerer als gedacht, die Gefühle zur Seite zu drücken und das zu tun, was vom Kopf her richtig war. Mich darauf einlassen. Für meine Zukunft. Meine und Dimitris.

„Na dann, bin ich ganz Ohr. Wie viel geben sie mir dafür, dass Dimitri verliert?"

Beta: Geany

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