ergebenheit

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Kapitel 8

Dimitri

Sie war wunderschön und jeder um mich herum wussten es. Alleine das weiße Oberteil und der weiße Rock sorgen dafür, dass sie inmitten der schwarzen Anzüge auffiel. Weiß war ihre Farbe, sie bedeutet Reinheit und Erhabenheit. Engel trugen Weiß und jeder schenkte ihr einen kurzen Blick, während sie in ihrer Loge Platznahm, als wäre sie tatsächlich eines von Gott gesandtes Wesen. Doch das war sie nicht, ich weiß es, weil nichts was sie tut tatsächlich gut war. Niemand in dieser Welt kann gut sein, auch nicht, wenn man es wollte. Gute Menschen sterben hier, gute Menschen werden verletzt und wenn man das alles nicht möchte, darf man nicht gut sein. Niemals. Es war in Ordnung für mich, dass Belle nicht gut sein konnte. Ich wollte nur, dass sie rein blieb, dass sie nicht gezwungen war all die Dinge zu tun, die ich tue. Wenn ich ihr das abnahm, dann brauchte sie mich und wenn sie mich brauchte, konnte ich bei ihr bleiben. Immer.

Sie saß da oben und versuchte nicht direkt in die Arena zu schauen, damit ihr bei dem Anblick von Blut nicht schlecht wurde. Das war wichtig, meint sie, weil sie sonst schwach wirken würde. Und wer schwach wirkt, der überlebt ebenfalls nicht. Das verstand ich alles, das habe ich in meinem Winter gelernt. Brutal und mit sehr vielen Schmerzen.

Mittlerweile machten mir die Schmerzen nichts mehr aus. Ich spürte sie noch, aber irgendwie schienen sie nicht mehr so schlimm zu sein wie damals. Das lag daran, dass ich mich an sie gewöhnt habe und weil ich punktuelle Nervenschäden davongetragen hatte. Das hat ein Arzt mal zu Belle gesagt, damals habe ich das nicht verstanden, weil ich nicht wusste was Nerven sind. Nun wusste ich sehr viel mehr als nur das.

Anatomie hatte ich am schnellsten gelernt, schneller als schreiben und lesen, weil es einen praktischen Nutzen für mich hatte. Ich weiß, wo die Nieren sind, die Leber, die Lunge. Weiß, welche Rippen ich brechen musste, wie ich das Herz am besten traf, was es bewirkt, wenn ich jemanden ein paar Wirbel verletze. Als ich das gelernt hatte, habe ich angefangen beim Kämpfen zu denken. Das habe ich vorher nie getan, weil ich immer versucht hatte nicht zu denken, wenn meine alten Trainer dabei gewesen waren. Jetzt war es anders. Ich weiß mehr, kann mehr und bin tödlicher als je zuvor. Das gefiel Belle. Ich wusste, dass es das tat, denn sie brauchte meine Kraft, meine Art zu töten, weil sie es selbst nicht konnte und dennoch überleben wollte.

Als der Kampf vor meinem endet, spielte der Sieger noch eine Weile mit dem Verlierer, griff nach den Knochen, der sich aus der Haut bohrte und zog den Verlierer daran über den Sand, mit dem die Arena bedeckt war. Damit das Blut in der Hitze des Lichtes nicht stank, hat mir Belle einmal erklärt. Sie konnte viel erklären, weil sie viel wusste, mehr als die meisten, das hat sie von ihrer Mutter.

Sie redete mit Vlad, lächelte, lachte sogar laut und tostete dem Gewinner aus dem letzten Kampf zu, was ein anderes Gefühl in mir weckte.

Neid, Wut, Hass, Eifersucht. Ich mochte es nicht, wenn Belle anderen Kämpfern Beachtung schenkte, genauso wie ich es nicht leiden konnte, wenn sie mit den anderen Männern sprach, oder sie bezahlte damit sie sie beschützten. Geld war wichtig in dieser Welt, auch wenn ich das nicht verstand, denn man konnte lediglich unwichtige Dinge damit kaufen. Allerdings Dinge, die man brauchen konnte um zu überleben, so hatte Belle es mir erklärt. Sie brauchte Geld für ein Casino, mit dem sie dann noch mehr Geld verdienen konnte. Geld besitzen, um mehr Geld zu verdienen, das war wirklich seltsam, aber ich hinterfragte ihre Motive nicht. Wenn sie Geld haben wollte, würde ich es ihr besorgen. Deswegen wollte ich auch, dass sie meinen Lohn für die Kämpfe bekam und auch das, was sie mein Gehalt nennt, und die anderen Männer auch bekommen. Ich brauchte kein Geld damit ich sie beschütze und dass die anderen es brauchten machte mich nervös. Damit waren sie ein Risiko. Käuflich.

Aber sie wollte mein Geld nicht und ich verstand auch den Sinn dahinter nicht, weswegen sie darauf beharrte es mir zu überlassen - wo sie es doch haben wollte. Manchmal habe ich das Gefühl, dass nichts in dieser Welt wirklich Sinn ergab und ich kam zu dem Schluss, dass es das auch nicht musste. Nicht für mich zumindest. Mein Sinn war Belle und all das, was sie haben möchte und ich ihr beschaffen konnte.

Der Mann mit dem Mikrofon sagte meinen Namen und wie immer, wenn ihn jemand anderes als Belle ausspricht, fand ich es seltsam ihn zu hören. Ich hatte nie einen Namen, bis Belle mir einen gegeben hatte. Es war ein Geschenk für mich gewesen und wenn jemand anderes dieses Geschenk für sich beanspruchte, wurde ich immer wütend.

Ich trat aus dem Schatten und starrte den Mann mit dem Mikrofon böse an, während ich meine Hand- und Fußgelenke kreisen ließ, um den Sitz der Bandagen zu überprüfen. Das war alles, was an Schutz während der Kämpfe erlaubt war. Ansonsten trug ich nur eine Hose, die mir bis zu den Knien ging. Ich war barfuß, spürte den klumpigen Sand unter meinen Zehen und erinnerte mich wie sehr dieser in offenen Wunden brennen konnte, obwohl ich versuchte zu vermeiden, dass ich überhaupt welche bekam.

So wie Belle es hasste, wenn ich „mein Gehalt" nicht annahm, hasst sie es, wenn ich verletzt wurde. Das verstand ich, denn ich mochte es auch nicht, wenn sie verletzt wurde. Das passierte aber seltener als bei mir, sie war nur oft krank. Dann liegt sie den ganzen Tag im Bett und ich muss mit den Dosen kämpfen, in denen die Suppe ist, die sie dann bekommt oder muss die Mikrowelle bedienen, wenn ihre Mutter ihr essen bringt. Ich mag keine „Küchengeräte", sie sind irgendwie gruselig.

„Ich mach dich auch noch fertig, du verdammte Pussy!", grölte der Sieger aus dem letzten Kampf, während er an mir vorbei ging und ich dachte daran, wie Belle ihn angelächelt hatte, als würde sie ihn mögen. Ich sagte nichts zu ihm, ich sagte nie etwas, reden war anstrengend und meistens sowieso sinnlos. Im Gegensatz zu dem Schlag, den ich zielsicher auf seiner Kehle landete und ihm damit den Kehlkopf brach. Der war nicht sinnlos, es hatte einen Grund und einen Zweck. Wenn Belle ihn mochte, durfte er nicht leben, nicht, solange ich es verhindern konnte. Es ging so schnell, dass vermutlich niemand irgendwas bemerkt hatte, bis der Sieger sich an die Kehle fasste, den Mund aufsperrte und verzweifelt versuchte Luft zu bekommen. Er röchelte, sah mich an, während ich zurückstarrte. Ich fühlte dabei nichts, ihn ersticken zu sehen. Mein Gesicht war wie immer, ich sagte nichts, es kümmerte mich nicht, als er in die Knie ging und im klumpigen Sand zusammenbrach.

Dann brach ein Grölen bei den Menschen vor dem Zaun aus und der Mann mit dem Mikrofon lachte.

„Tja, das passiert, wenn man unseren Champion beleidigt!", schrie er und ich korrigierte ihn nicht. Nicht einmal in meinen Gedanken. Es war unwichtig was er sagte. Der Verlierer aus dem letzten Kampf wird mit einer Trage hinausbefördert, den Gewinner schleift man raus, nachdem er aufgehört hatte sich zu winden. Die Menschen vor dem Zaun liebten es jemanden sterben zu sehen, aber das war mir egal. Was mir nicht egal war, war Belles Blick als ich zu ihr hochschaute. Er war gestorben, weil sie ihn angelächelt hatte, ob sie das verstanden hatte? Bestimmt hatte sie das, Belle wusste so viel, verstand so viel. So viel mehr als ich. Belle mochte es, wenn ich eifersüchtig war, das sagte sie oft, deswegen fühlte ich mich nicht schlecht dabei, wenn ich es war und deswegen auch ohne ihren Befehl tötete. Aber heute war ich oft wütend, öfter als sonst, weil das Gespräch mit ihren Eltern erst ein paar Stunden her war und ich Zeit hatte wirklich zu verstehen, was da passiert war. Belle hatte zugestimmt einen Mann zu heiraten, einem Mann zu gehören. So wie ihre Mutter ihrem Vater gehörte und mir war klar geworden, dass ich das nicht wollte. Es war anmaßend von mir, das wusste ich, aber es war mir egal, weil es ihr eben gefiel, wenn ich eifersüchtig war. Also war es auch okay, wenn mir das mit ihrer Hochzeit nicht gefiel.

„Scheiße, du bist wirklich total von ihr besessen, oder?", fragte der Mann, der als mein Gegner angekündigt worden war.

„Ist ihre Muschi magisch oder träumst du nur davon sie zu ficken und sie lässt dich nicht ran?", fragte der Kerl und ich starrte weiter zu Belle hinauf, weil Worte unwichtig waren. Alle bis auf ihre.

„Versteh' dich mal einer, wenn ich du wäre, dann würde ich mich nicht an der kurzen Leine halten lassen, wie ein verdammtes Haustier. Ich würde ihre Fotze blutig ficken und ihr eine verpassen, wenn sie zu laut dabei heult", sagte der Mann und nun sah ich ihn an. Ich verstand seine Worte. Es hörte sich an, wie eine Drohung und in diesem Moment, wo ich das auch verstand, schaltet sich etwas in mir um. Gerade war ich noch ein Kämpfer, der versuchte, Geld zu verdienen aber nun, nach dieser Drohung war ich das Tier, das Belle beschützen musste. Und ich kann nur beschützen, indem ich töte, und zwar so grausam, dass es andere davon abhalten wird, ihr ebenfalls zu drohen.

Beta: Geany

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