verlieren ohne zu verlieren

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Kapitel 29

Dimitri

Ich weiß nicht wie ich verlieren soll, ohne wirklich zu verlieren. Es ist anders als „Zurückhaltung" und anders als gewinnen. Es ist merkwürdig und ich bin schlecht darin, Dinge heimlich zu machen. Das tue ich nie. Ich kann auch nicht lügen und verstehe den Sinn von Geheimnissen nicht, aber ich versuche es, weil Belle es so will.

Ich trainiere mit einem von Alecs Männern und versuche dabei, auch Belle im Blick zu behalten, die, ohne es zu wollen, ihr Sparring mit ihrer Mutter macht. Nora würde Belle nie etwas antun, aber mir gefällt nicht, wie einige der Männer um uns herum ihr ab und an zu lange auf den Hintern sehen oder auf die Brüste. Ich weiß, dass Männer diese Stellen bei Frauen gerne ansehen, mir gefallen sie auch gut, aber ich weiß auch, dass man das nicht darf, wenn die Frau es nicht will oder ein anderer Mann sie „hat". Dieser andere Mann bin ich. Ich habe Sex mit Belle, also darf nur ich sie ansehen, wie Männer es eben tun und ich versuche das auch durchzusetzen. Sie gehört mir.

Doch das alles lenkt mich ab. So sehr, dass ich beim Abblocken eines Angriffes vergesse, dass ich ja verlieren soll und den mir entgegenkommenden Arm schnappe und verdrehe, bis die Gelenke knirschen.

„Stopp! Was sollte das?" fragte Alec und ich lasse schnell den Mann los, während ich mich zu Belles Vater herumdrehe. Sie hatte ihm erzählt, was ihr Plan war und obwohl ihre Eltern erst überrascht schienen, hatte Alec zugestimmt mich darauf vorzubereiten zu verlieren. Verlieren ohne es mir anmerken zu lassen. Lügen. Tricksen. Betrügen. Das alles ist so komisch für mich.

„Reflex", entgegnete ich und dieser stöhnte auf und holte seinen Mann von der Trainingsmatte.

Belle und Nora hörten mit dem Sparring auf und sahen uns fragend an. Ich begegnete Belles Blick und wusste sofort, dass sie keine Lust hatte selbst zu trainieren. Sie hatte nie Lust zu kämpfen, das bedeutete aber nicht, dass sie es nicht trotzdem lernen musste.

„Okay, du kannst nicht einfach aufhören dich zu verteidigen und du musst deine Reflexe unter Kontrolle halten. Du musst kämpfen und deinen Gegner dazu zwingen sein Bestes zu geben. Wenn er das dann tut, musst du deine Deckung nur in genau dem passenden Moment herunternehmen, ohne wehrlos zu wirken. Der Trick ist es die Leute glauben zu lassen er habe gewonnen, nicht das du verloren hast", erklärte Alec und demonstrierte, was er eben sagte, zusammen mit einem seiner Leute. Ich sah zu und versuchte das Gesehene mit dem, was er erklärt hatte, im Einklang zu bringen, doch das war schwer. Warum war es so schwer Dinge zu erklären? Warum waren Worte so kompliziert? Warum musste ich diese Art von Täuschung lernen? Das gefiel mir nicht, bemerkte ich, aber ich versuchte es dennoch weiter.

Manchmal musste man Dinge tun, die man nicht mochte. Das tat auch Belle und ich beschloss ihr nicht zu sagen, wie unschön ich das alles fand und nickte Alec zu um dann weiter zu trainieren.

Ich brauchte lange um meine Instinkte weiter „unter Kontrolle" zu bringen. Das ich davor gelernt hatte, mich zu beherrschen half und ich merkte auch, wie ich dadurch das Gefühl hatte den Kampf besser kontrollieren zu können. Denken beim Kämpfen half, aber erst jetzt wo ich wirklich anfing zu denken, sah ich wie sehr.

„Mach ihm Hoffnung, indem du ab und an einen Schlag durchlässt, dann aber wieder parierst. Das klappt meistens sehr gut, damit er sich besser ins Zeug legt", sagte Alec vom Rand der Matte, während ich einen Schlag seines Mannes durch meine Deckund ließ und den zweiten wieder abwehrte. Ich versuchte es immer wieder und hörte nebenbei, wie Alec mit Belle redete.

„Das solltest du ihn nicht allzu oft machen lassen, Kind. Es gefällt ihm ganz und gar nicht und ist absolut gegen jeden seiner Instinkte. Das verkraftet er außerordentlich schlecht."

„Mir gefällt es auch nicht ihn verlieren zu sehen, aber es muss nur einmal sein. Dann sind wir frei", erwiderte sie und klang dabei so hoffnungsvoll, dass ich merkte, wie ich das hier besser machen wollte. Für sie.

„Pass ja auf dich auf, Belle und wenn dir irgendetwas komisch vorkommt, stehe ich mit ein paar Männern bereit, okay?" meinte Alec und ich konnte nicht sehen, ob Belle darauf nickte. Sie sagte zumindest nichts und mich traf im selben Moment wo ich nachsehen wollte ein fester Schlag mitten ins Gesicht. Ich schwankte, fand aber mein Gleichgewicht wieder und wollte zum Gegenangriff ausholen, dann fiel mir aber auf, dass dies eine gute Gelegenheit wäre und ließ mich nochmal treffen.

„Gut. Aber lasst dich nicht wirklich besiegen, klar?", meinte Alec und ich sah ihn fragend an. Was meinte er damit? Ich dachte, ich sollte verlieren?

Er stöhnte als ich zögerte und Hilfe suchend zu Belle sah, die mich eher traurig ansah. Sie war immer traurig, wenn ich getroffen wurde, wurde mir klar. Sah es aber jetzt zum ersten Mal wirklich. Ich konnte ihre Mimik lesen. Das machte mich stolz.

„Das bedeutet: tu so, als würden dich die Treffer, die zu einsteckst fertig machen, aber lass nicht zu, dass sie das wirklich tun. Gefährliche Angriffe musst du ausweichen, denn das Geld für die K.O – Wette ist zwar schön und gut, bringt dir aber nichts, wenn du nach diesem Kampf deinen Zweck nicht mehr erfüllen kannst", sagte er ernst und damit konnte ich definitiv etwas anfangen. Mein Zweck war es Belle zu beschützen. Das musste ich nach diesen verlorenen Kampf können, sonst wäre sie leichte Beute.

„Dad! Hör auf ihm wie einem Hund einen Zweck zuzusprechen!" forderte Belle ungehalten, aber Alec zuckte nur mit den Schultern.

„Der Kerl hat mich fünfzig Millionen US-Dollar gekostet und eine ganze Menge an Einfluss und Gefallen. Ich will nur nicht, dass er darauf geht und mein Baby im Stich lässt."

Sie knurrte. Sie haste es, wenn er sie als „Kind" oder „Baby" bezeichnete und auch ich fand es nicht richtig. Sie war weder das eine noch das andere, warum nannte er sie also so?

„Du bist so unsensibel!", bluffte sie ihren Vater an und kam zu mir und sah wieder traurig zu mir auf.

„Tut es weh?", fragte sie und unterbrach damit den Kampf zwischen mir und meinen Gegner geradezu kopflos. Dabei berührte sie ganz sanft mein Kinn. Es tat nicht weh, nichts tat weh, wenn Belle mich so ansah. Also schüttelte ich den Kopf und Belle blickte wieder wütend zu ihren Eltern. Alec wollte noch etwas sagen, aber seine Frau stieß ihre Faust gegen seine Brust und brachte ihn damit zum Schweigen.

„Mach es nicht noch schlimmer, Alec!", forderte Nora und verließ dann selbst den Trainingsraum. Belles Vater sah ihr mit ernstem Blick hinterher.

„Du schlägst mich? Brauchst du ein Spanking, Nora?" fragte er und Nora kicherte nur, während Belle ein eher angewiderten Laut von sich gab.

Alles aber, was ich mich fragte, war, was ein Spanking ist.

Beta: Geany

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