Die erste Begegnung

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Gleich um die Ecke seiner Wohnung war ein ziemlich großes Einkaufscenter mit einer Bäckereifiliale, deren Angebot Thomas akzeptabel fand.

Er suchte sich bei der ziemlich jungen und etwas fülligen Verkäuferin, die mit ihren vielleicht 1,60 kaum an das obere Regal mit dem dunklen Brot aus Natursauerteig kam, ein Roggenbrot aus, bezahlte und verließ den Laden.

Im gegenüberliegenden Zeitungs- und Schreibwarengeschäft drängelten sich Leute mit frisch ausgefüllten Lottoscheinen vor der Kasse. Thomas prüfte durch das Schaufenster die Auswahl an Zeitungen. Vor allem die dicken Wochenendausgaben, die ihm vielleicht unterhaltsam durch sein Solo-Wochenende helfen könnten. Gern kaufte Thomas  dann auch Zeitungen und Zeitschriften, von denen er nie gehört hatte, einfach um sich von unbekannten Themen und Meinungen überraschen zu lassen.  

Plötzlich tippte jemand auf seine Schulter. Es war die Bäckereiverkäuferin.

"Ziemlich punkig mit diesen karottenroten Haaren", dachte er, aus seiner Beobachtungstrance aufgeweckt,  "und Tattoos hat sie auch noch. Und Piercings in den Ohren. Ohje!"

"Hey, Sie haben Ihr Brot vergessen, und dann müssen Sie womöglich am Wochenende hungern", lächelte sie ihn an und reichte ihm die Papiertüte.

"Oh, das wäre natürlich furchtbar, so einsam am Wochenende an Brotmangel zu verhungern", antwortete er mit übertrieben ernsthafter Stimme. 

Ihr Lächeln war charmanter, als es ihr Outfit erwarten ließ und ihre Augen funkelten ihn vielleicht etwas intensiver und frecher an, als bei so einem banalen Gespräch zu erwarten. Vielleicht war das  der Grund, sie spontan zu fragen, ob sie nicht vielleicht Lust hätte, mit ihm am Wochenende einen Kaffee zu trinken? Oder eine Cola? Vielleicht lag es aber auch daran, dass er am Wochenende allein sein würde, wie meistens.

Sie war vielleicht 25. Also ganz klar nicht mehr in der Altersklasse, mit der sich ein Mann von 48 verabreden sollte. Selbst wenn dieser Mann – nach eigener Einschätzung - noch ganz passabel aussah, mit 1,78 rund 80 kg auf die Waage brachte, gute Manieren hatte und sich mit einer gewissen lässigen Eleganz kleidete.

"Hey, ist das nicht ein bisschen krass für einen Mann in Deinem Alter, junge Mädchen anzumachen?"

Ihre Augen funkelten ihn jetzt noch intensiver und frecher an.

"So wie Du angezogen bist, triffst Du Dich normalerweise bestimmt nicht mit tätowierten Brot-Verkäuferinnen, oder?"

Thomas wurde rot.

"Oh, sorry. Das war ganz spontan. Ich wollte wirklich nicht aufdringlich sein. Tut mir echt leid. Du hast nur so schön gelächelt und Deine Augen haben mich so angefunkelt", sagte er in einem entschuldigenden Tonfall.

"Sei doch nicht so feige und gib gleich wieder auf. Ich find Dich ja irgendwie nett. So schön spießig. Und Du machst nette Komplimente. Die hör ich nicht so oft. "

Sie fing an zu grinsen.

"Also, ok, mein netter Spießer. Ich hab heut Schicht bis um sieben. Also 19.00 Uhr, wie Du wahrscheinlich sagen würdest.

Hol mich ab. Übrigens, ich heiße Tara, wie der Unterschied zwischen Brutto und Netto - oder wie die Plantage in dem kitschigen Film mit den Sklaven.

Sie drehte sich abrupt um und ging zurück hinter die Brottheke.

"Ich bin der Thomas", konnte er grad noch zu ihrer Rückenansicht sagen, war sich aber nicht sicher, ob sie ihn noch gehört hatte.

Beschwingt und ein bisschen stolz marschierte Thomas nach Hause. Er hatte ein Date. Sozusagen. Klar, sie war deutlich zu jung für ihn.

Hatte Tattoos, Piercings werweißwo, rotgefärbte Haare, offensichtlich zu viele Kilos für ihre Größe und viel Bildung hatte sie wohl auch nicht. Obwohl, das mit der Tara-Erklärung war schon gut. Und sie hatte kluge Augen.

"Ob sie wohl wirklich so heisst? ", überlegte sich Thomas.

Egal! Für einen Mann, der schon ewig kein Date mehr zustande gebracht hatte, war das gerade eine unglaubliche Sache.

Noch 3 Stunden für die Vorbereitung. Ob sie ihn wohl sexy finden würde? Vielleicht sogar mit ihm schlafen will? Sollte er offensiv sein? Sollte er sich zurückhalten? Vielleicht wollte sie ja nur einen netten Abend? Welche junge Frau will schon mit einem alten Sack ins Bett? Auf jeden Fall erstmal unter die Dusche. Die Körperhaare rasierte er sich sowieso regelmäßig, seit ihm seine letzte Freundin einmal gesagt hat, daß Männerhaare nicht sexy sind.

Das ist aber auch nun schon ziemlich lang her, fiel ihm ein. Diese Freundin kam ihm damals irritierend dominant vor, wollte das er vor ihr kniet, mit der Zunge ihre Spucke von ihren Brüsten leckt, ihre Zehen lutscht und nicht kommen darf, ohne ihre Erlaubnis. Irgendwie hatte ihm das Alles sogar ganz gut gefallen, aber dann er hatte das Gefühl, er würde seiner männliche Rolle nicht gerecht. Doch seitdem hatte ihn das Gefühl, er hätte sich damals einfach hingeben sollen, nicht mehr verlassen. Nun sehnte er sich insgeheim nach der verpassten Gelegenheit, seinen Wunsch nach  Unterwürfigkeit nicht wirklich ausprobiert zu haben.

Bei Tara nachher sollte er natürlich den klassischen, welterfahrenen Gentlemen kultivieren. Sie interessierte sich ja offensichtlich für einen älteren und kultivierten Mann, der ihr eine ganz andere Welt zeigen konnte. Das war ja auch eigentlich seine Lieblingsrolle. Allerdings hatte er sie schon ziemlich lange nicht mehr gespielt. Aber mit einer Bäckereiverkäuferin sollte das ja kein Problem sein. Immer Gentleman bleiben, nicht arrogant wirken, lieber sie reden lassen. Also, jetzt anziehen. Jeans, blaues Hemd, graues Sakko, schwarze Schuhe. 

PUNK GIRL PASSION (german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt