Küche und Balkon

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Tara ging in die Küche, wo Thomas gerade einen riesigen buntbemalten runden Teller dekorierte.

Stolz verkündete er: "Hier schau mal – spanische Salami und Schinken von schwarzen Schweinen. Die laufen das ganze Jahr draussen rum, fressen Eicheln, Kräuter, Gras. Käse hatte ich auch noch: Manchego Viejo, ein Jahr gereift. Gestern hatte ich noch eine Knoblauchcreme gemacht. Magst Du Knoblauch? Oliven hab ich auch noch gefunden. Und kleine Sardellen!"

Thomas war selber total begeistert über seine kulinarische Zusammenstellung . Tara spürte die naïve Herzlichkeit und Freude aus seinen Worten. Irgendwie schmuggelte sich dieser seltsame Typ gerade in ihr Herz.

Der Balkon war nicht gross, aber mit genug Platz für einen schlichten Holztisch, mit zwei bequemen, abgewetzten Stühlen, die nach Trödelmarkt aussahen. Tara wunderte sich etwas, daß es keine Blumen gab. Thomas hatte seinen Balkon mit Basilikum, Thymian, Minze, Lavendel, Majoran und noch anderen Kräutern bepflanzt, die Tara nicht kannte.

Thomas hatte sich auf den Stuhl neben der Balkontür gesetzt, um immer noch einmal schnell in die Küche gehen zu können.

Tara sass ihm gegenüber, nah an der Balkonbrüstung. Bienen und Hummeln summten hinter ihr herum, wohl vor allem wegen des duftend blühenden Lavendels, direkt hinter ihr.

Schinken und die Salami schmeckten ungewöhnlich, anders als alles, was Tara bisher gegessen hatte. Viel intensiver, nicht so salzig, so wie die Sachen aus dem Supermarkt. Die schwarzen Oliven sahen klein und schrumplig aus, doch der Geschmack erfüllte ihren Mund, ganz anders als die dicken Oliven auf der Pizza, die sie sich manchmal bestellte.

Der Weisswein war erfrischend kalt und sie trank ihr Glas zügig aus. Thomas blickte sie dann fragend an, wartete aber  immer auf ihr Nicken, bevor er ihr das Glas wieder füllte.

Bienen und Hummeln irritierten sie nun überhaupt nicht mehr. Langsam ging hinter ihrem Rücken die Sonne unter. Als sie sich eine Zigarette drehte, holte Thomas ihr sofort eine alte Untertasse als Ersatzaschenbecher. Von irgendeinem Nachbarbalkon sang Shirley Bassey "This is My Life".

Tara erschien das alles sehr unwirklich. Sie sah sich selbst mit diesem uralten Typen, der tatsächlich immer noch nicht sein Sakko ausgezogen hatte,  und der ihr seine Dekadenzlebensmittel servierte, auf einem bienenumsummten Spießerbalkon sitzen.

Allerdings, seine Dekadenzlebensmittel schmeckten ihr ziemlich gut. Und auch der Weißwein. Viel besser als Cola oder Bier. Selbst die Musik gefiel Tara auf einmal , die kraftvolle Stimme von Shirley Bassey passte irgendwie einfach gerade perfekt zu ihrer losgelösten Stimmung.

"Sag mal, Deine Sakkos. Ist das so eine Art Fetisch? Trägst Du die auch zuhause, wenn Du alleine bist? Also zum Beispiel, wenn Du Deine Übersetzungen machst?"

Tara schaute ihn durch den Rauch ihrer Zigarette an. Ihre Stimme war leise, fast sanft. Thomas spürte, daß sie wirklich etwas über ihn wissen will,  und er dachte ernsthaft nach, wie er Tara antworten sollte.

"Naja, also, Fetisch - das ist vielleicht etwas übertrieben. Aber irgendwie vielleicht auch nicht ganz falsch. Ich mag das Gefühl, ein Jackett zu tragen. Nicht nur das Gefühl, wenn ich es anhabe, also so eine Art Körpergefühl. Ich glaube, ich spüre auch so eine Art innere Sicherheit, vielleicht so wie ein Ritter sich früher sicher gefühlt hat, mit einer Rüstung."

Tara hörte ziemlich verwundert, aber auch sehr interessiert zu - wie einem netten Spinner, von dem man grad noch nicht so ganz genau weiss, ob er auch wirklich harmlos ist. Thomas merkte, dass er dabei war, sich in seine psychologischen Erklärungsmetaphern zu verstricken.

"Und natürlich mag ich die unterschiedlichen Stoffe, die Farben, die Muster". Thomas versuchte jetzt, so schnell wie möglich, wieder aus der Psychoschleife herauszukommen.

"Also, Frauen sind ja oft auf Schuhe fixiert, denk ich. Ich hab jedenfalls noch keine Frau getroffen, die bei Schuhen widerstehen konnte. Und bei mir sind es wohl die Sakkos. Ich hab sogar ein Sakko für die Küche. Das zieh ich manchmal beim Kochen an."

"Echt? Krass! Wie schräg ist das denn? Das möchte ich sehen. Bitte koch unbedingt mal im Sakko für mich!" 

PUNK GIRL PASSION (german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt