Die "Alte Schnapsfabrik" war ein verlassenes Industriegelände am Rande der Stadt. Einige der lange ungenutzten Fabrikhallen wurden jetzt von alternativen Künstlern und meist sehr lauten Rockbands als Ateliers und Übungsräume genutzt. Einige wohnten inzwischen sogar dort, weil die Miete niedrig war. Es gab auch einige Kneipen und kleine, billige Restaurants, meistens Vietnamesen oder Türken.
Es war ziemlich warm an diesem Samstagnachmitag. Thomas trug ein schon sehr abgewetztes, dünnes graues Leinensakko mit roten Farbflecken, vom letzten gescheiterten Versuch, einen Stuhl selbst zu streichen. Darunter ein schwarzes T-shirt und die älteste Jeans, die er im Schrank hatte finden können. Er hätte sich allerdings gar nicht soviel Gedanken um sein Erscheinungsbild machen müssen.
In der Halle wimmelten total tätowierte Punks und Gothics, wild geschminkte , teilweise kahlrasierte Frauen praktisch jeden Alters, mit Nasenpiercings, sehr kurzen Röcken und zerrissenen Strümpfen, ledergekleidete Altrocker, in schickes schwarz gekleidete, junge und mittelalte Frauen und Männer mit intellektuell wirkenden Brillen und lila angefärbten Haaren, bemüht lässige wirkende, junge Männer in sehr teurer Kleidung, die aussahen wie Banker oder vielleicht auch nur so wirken wollten. Etwas verloren wirkten einige nach städtischer Kulturbürokratie aussehende Herren, die wohl ungefähr in seinem Alter waren. Diese Herren trugen ihre Büroanzüge ohne Krawatte und schienen sich hier nicht so richtig wohl zu fühlen. Drumherum gab es auch jede Menge neugierige Besucher aller Altersgruppen, von denen die meisten ohne jede genretypische Verkleidung herumliefen und die auf Thomas wirkten, als würden sie gerade eine Zirkusvorstellung besuchen, aber noch auf die versprochenen Sensationen warten.
Hinter den verbeulten Destilliertanks der riesigen Halle sah Thomas eine große Bühne, auf der eine Band gerade ziemlich laut ihren Sound Check machte. "Oder vielleicht spielen ja schon richtig, und ich merk es bloß nicht", dachte Thomas.
Große Stellwände zwischen verrosteten Destilieraparaten zeigten die Arbeiten der unterschiedlichsten Künstler. Gerade lief Thomas an einem Regal voller alter, schmutziger Sneakers mit den Namen toter Rockstars vorbei, die offensichtlich mit einer Tätowiernadel eingeritzt waren.
Daneben offerierte eine kunterbunt gekleidete junge Frau "Live-Body-Paintings".
Thomas sah Air-Brush-Bilder mit gigantischen Hirschen, alten, zerbeulten Cadillacs oder verfremdeten Portraits berüchtigter Gangster und Diktatoren. Ein paar Meter weiter eine verrottete Kühltheke voller leergetrunkener Jägermeisterflaschen. In der nächsten Reihe stand ein Zelt aus alten, hellblauen Frauenunterhosen, mit halblangem Schnitt. "Da hat jemand den Wäscheschrank der Großmutter geplündert", dachte Thomas. "Was soll die arme alte Frau jetzt bloß im Winter anziehen?"
Er kam an einen gläsernen Kühlschrank voller Bier und Softdrinks. Gerade als Thomas überlegte, ob das wohl ein Getränkeverkauf sein könnte oder vielleicht doch ein Teil der Ausstellung, fragte ihn eine geschäftstüchtig aussehende, junge Frau: "Willste was? Bier drei Euro".
Da konnte Thomas nicht Nein sagen. Mit der Flasche in der Hand, wanderte er weiter durch die Halle. Dann sah er Tara, die mit einer etwas älteren Frau sprach, deren Gesicht und Ohren mit Piercings und Tattoos geradezu gespickt waren.
Tara trug ein zerrissenes schwarzes T-shirt ohne jeden Aufdruck, unter dem er ein enges Bustier aus roten Leder sehen konnte, dazu einen schwarzen, knöchellangen Rock und schwere DocMartin Schuhe. Ihre Haare waren jetzt pechschwarz gefärbt, mit roten Spitzen, die wie kleine Spikes von ihrem Kopf abstanden.
Thomas stand eine Weile da und beobachtet Tara versonnen. Er sah ihr Lächeln, ihre Handbewegungen, die Bewegung ihrer Brüste unter dem T-shirt, und er fühlte die warme und starke Intensität, die von ihr ausging.
"Sie ist einfach toll. Und wie es scheint, mag sie mich. Das Leben ist verrückt."
Tara hatte ihn gesehen und winkte ihm zu. "Hey Thomas. Toll, Du bist gekommen. Mein Sakkomann. Ohne Sakko gehts bei Dir echt nicht, oder? Das ist Johanna, eine Freundin. Sie hat ein Tattoo-Studio. Sie hat mir das Rattentattoo gemacht. Und noch ein paar andere. Die hast Du aber noch nicht gesehen, hihihi. Hier, schau, das sind meine Cartoons. Meine erste Ausstellung heute. Guck mal!! Wie findest Du die?".
Tara redete aufgeregt, ohne Pause, schaute nervös die Leute an, die ihre Cartoons betrachteten.
"Also, ich geh jetzt wieder an meinen Stand", sagte Johanna, die Thomas schweigend angeschaut hatte und jetzt zu ihm sagte: "Ich glaub, Du könntest echt der Richtige sein, für Tara. Und, wenn Du mal ein Tattoo oder ein Piercing willst, Tara kann Dir den Weg zeigen"!
Thomas wunderte sich ein bisschen, wie schnell Johanna zu wissen schien, daß er für Tara der Richtige sein könnte. "Was immer das auch zu bedeuten hat", dachte er sich. Natürlich wusste er, dass die meisten Frauen im Grunde über fast alles mit ihren besten Freundinnen sprechen. Er machte sich darüber weiter keine Gedanken und sah sich jetzt lieber die Cartoons von Tara genauer an. Tara stand sehr angespannt daneben und beobachtete Thomas, der sich Zeit für die sorgfältige Betrachtung nahm.
Die Hauptfigur in ihren Zeichnungen war tatsächlich das rotzige, rothaarige Punkmädchen, vielleicht 17 oder 18, oft mit dem ausgestreckten Mittelfinger, die er schon als ihr Avatar im Smartphone gesehen hatte. Diese Figur erlebte in den Zeichnungen allerhand Abenteuer. Sie wehrte sich gegen aggressive Anmache von Männern, trat besoffen herumhängende Typen in den Arsch, die Frauen anmachten und prügelnden Ehemännern in die Eier. Sie freute sich aber auch darüber, dass es noch summende Bienen gab und Kinder, die in Ruhe spielen durften. Thomas fand Figur ausdrucksvoll gezeichnet, mit einem hohen Wiedererkennungswert. Die einzelnen Szenen waren präzise aufgebaut und oft lustig, obwohl die Themen meist sehr ernsthaft waren.
Thomas schilderte Tara diese Eindrücke und redete dann weiter: "Also, die sind echt gut, Deine Cartoons. Ich glaube, Du hast nicht bloß das Talent zum Zeichnen, sondern Du hast auch die Fähigkeit zur Professionalität, also, zur ernsthaften Umsetzung von dem, was Du willst. "
Thomas hörte sich jetzt an wie ein Verleger, der zu einer jungen Künstlerin spricht, die vielleicht in sein Verlagsprogramm passen könnte.
Tara gefiel natürlich, was Thomas über ihre Zeichnungen sagte, unterbrach ihn aber und wollte wissen: "Hey, meinst Du das jetzt echt? Oder sagst Du das nur so, weil Du so ein Netter bist?"
DU LIEST GERADE
PUNK GIRL PASSION (german)
RandomEin erotisch-kulinarischer Roman. Thomas hatte eigentlich nur schnell zum Wochenende noch ein Brot kaufen wollen. Doch es kam alles ganz anders und sein ganzes Leben veränderte sich. Tara war vielleicht 25. Also ganz klar nicht mehr in der Alters...