Tara auf dem Balkon

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Tara nickte.

"Nee, gar nicht. Überhaupt nicht. "

Sie schaute Thomas einige Sekunden nachdenklich in die Augen.

"Also, ich sag mal so: Als ich noch Teen war, da war Punk sein: Punk-Musik hören, auf'n paar Demos gehen, ... und eben "NICHT DAZUZUGEHÖREN", zu irgend' ner anderen Truppe oder überhaupt zur spießigen Gesellschaft. Vor allem auch nicht die Erwartungen von meinen Eltern zu erfüllen und die von den von Lehrern oder anderen sogenannten Autoritätspersonen.

Aber ich wollte auch was erreichen. Was Echtes. Für mich. Und auch für Andere. Also, nicht einfach nur rumhängen und Anti sein.

Ich wollte schlau für mich sein, und nur das annehmen, was mir persönlich in den Kram passt. Das ging natürlich mit Schule gar nicht. Und als ich nicht mehr musste, bin auch nicht nicht mehr hingegangen.

Ich hab dann eine ganz Zeit in einer Punk-Band gespielt. Die Band war gar nicht schlecht. Wir haben auch zusammen in einer WG gewohnt. Das hatte ich Dir ja schon erzählt, glaub ich. Aber das lief gar nicht.  Ich war ja das einzige Mädchen da. Und die Blödiane dachten, ich wäre bescheuert genug, in der Band zu spielen, sie dann hinterher zu bedienen, das dreckige Geschirr abzuwaschen und mich dann auch noch dämlich Anmachen zu lassen. Und so weiter. Du verstehst, was ich meine.

Ich hatte immer schon Bock zu zeichnen. Da hab ich sogar Talent, meinte der Kunstlehrer. Das war übrigens auch der einzige Pauker, der mich nicht blöd angemacht hat.

Ich hab mir dann hier ne kleine Wohnung und den Job in der Bäckerei besorgt – die nehmen ja im Grunde fast jeden, der froh ist,  überhaupt für die paar Kröten zu arbeiten zu dürfen – und dann richtig angefangen zeichnen. Meine eigenen Cartoons.

Und jetzt sitz ich hier bei Dir auf dem Balkon, trinke Wein und zähle Bienchen. Echt krass. Aber es gefällt mir irgendwie auch."

Tara tat jetzt so, als würde sie tatsächlich die Bienen zählen wollen und kippte mit ihrer Hand dabei versehentlich ihr volles Weinglas um.

Der Wein lief vom Tisch, und alles tropfte direkt auf ihre Füße.

"Oh. Mist, Sorry, der schöne Wein " rief Tara.

Thomas sprang auf und holte ein Handtuch aus dem Bad. "No problem".

Er kniete sich neben Taras nasse Füße, versuchte den Wein abtrocken und schaute dann nach oben in ihr Gesicht:

"Ich glaub, es ist besser, wenn Du erst die Sandalen ausziehst. Kann ich aber auch gern für Dich machen?"

"Ja, das wär nett. Ich glaube, da komme ich grad auch nicht so bequem hin."

Tara beobachtete, wie Thomas Hände langsam die Verschnürung an ihren Riemchen-Sandaletten lösten, die er ihr dann so vorsichtig auszog, als habe sie eine kleine Verletzung am Fuß und er ihr nicht wehtun wollte.

Seine Hände waren sehr sanft an ihren nackten Füßen. Die chinesische Ratte starrte Thomas an. Mit dem weichen Handtuch trocknete er Taras weintropfenden Füsse sorgfältig ab, auch zwischen ihren Zehen. Er hatte dabei kurz das Gefühl, die Ratte auf Taras linkem Fuss würde ihn angrinsen. Das musste wohl der Weisswein sein.

Für Tara fühlte es sich an wie eine sanfte Massage, fast wie eine Liebkosung. Es war eigentlich sogar ein sehr schönes, warmes Gefühl. Aber es irritierte sie doch, ihren Gastgeber Thomas so lange zu ihren Füssen knien und sich so intensiv mit ihren Füßen beschäftigen zu sehen. Bevor ihre Irritation noch stärker werden konnte, hatte sich Thomas aber schon wieder auf den Stuhl ihr gegenüber gesetzt und lächelte sie schüchtern an.

"Willst Du vielleicht noch ein bisschen Wein? Das Meiste habe ja gerade Deine Füße abgekriegt".

"Ja, gern. Aber nur noch ein halbes Glas. Dann hau ich ab. Ist schon spät. Morgen früh muß ich wieder um 6 Uhr im Laden sein".

Thomas schenkte ihr das Glas wunschgemäss halbvoll und leerte den Rest der Flasche in sein eigenes Glas.

Tara trank langsam, sah Thomas länger an und sagte dann leise und sanft: " Ich würd Dich gern mal was fragen. Also vorhin – Du weißt schon, meine Sandalen ausziehen und dann meine Füße abtrocknen, sogar zwischen den Zehen. Das war so sanft, irgendwie zärtlich. Ich könnte fast sagen, ich fand es gut. Vielleicht sogar mehr als das. Die Männer, die ich so kenne, würden nie auf so eine Idee kommen. Bitte nicht falsch verstehen, aber ich glaube, Dir hat das gut gefallen, so vor mir zu knien und Dich um mich zu kümmern, oder?".

Thomas zögerte einige Zeit und nickt dann. Bevor er etwas konnte, stand Tara schnell auf, küsste ihn auf die Nasenspitze und sagte: "Ich geh jetzt einfach mal. Ein bisschen nachdenken. Meld mich morgen bei Dir. ok? Hast Du eigentlich WhatsApp? Gib mir mal Deine Telefonnummer." Der verdatterte Thomas konnte ihr gerade noch seine Visitenkarte in die Hand drücken, bevor sie barfuss durch die Wohnungstür verschwand.

Ihre Gladiator-Sandalen trug sie in der Hand.

PUNK GIRL PASSION (german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt