13 | Küsse im Regen.

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Als ich drei Tage später gerade vom Studio nach Hause kam, musste ich feststellen, dass Andre an meiner Wohnungstür lehnte und Löcher in die Luft starrte. Als ich ihn dort sah, hielt ich inne.

"Was machst du hier?", wollte ich wissen. Er hatte mich anscheinend nicht kommen sehen, denn er erschrak leicht, als ich zu sprechen began. Jedoch fasste er sich gleich wieder. "Hi. Ich hol' dich ab.", grinste er. Ich kniff die Augen zusammen. Ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass wir uns verabredet hatten.

"Hä?", fragte ich verwundert. "Ich hab' dir doch gesagt, ich nehm' dich mal mit und zeig' dir die Stadt bei Nacht. Jetzt ist es soweit.", erklärte er. - Ich verlagerte mein Gewicht auf meinen rechten Fuß und legte den Kopf schief.

"Und ich hab' dir gesagt, dass ich sowas nicht mache. Arbeit, Schlaf. - Schon vergessen?", entgegnete ich. "Du musst morgen nicht arbeiten." Er grinste mich triumphierend an. "Woher willst du das bitte wissen?" Es stimmte zwar, aber das wollte ich nicht zugeben.

"Ich war so frei und hab' deine Mitbewohnerin gefragt."

Okay, Em konnte was erleben. - Warum, verdammte Scheiße, hatte sie ihm das gesagt?

Sie wusste doch, dass das mit Andre und mir schwierig war. - Ich hatte es erzählt. Dass ich seit einigen Tagen oft an ihn denken musste und dass ich versuchte das so gut es ging zu verdrängen. Wegen Leon. Und weil Andre es ohnehin nicht ernst mit mir meinte.

Ich hatte sogar beschlossen, ihn erstmal nicht wiederzusehen, aber diese Entscheidung nahm er mir damit, dass er vor meiner Tür stand, gekonnt ab.

Ich seufzte leise und stemmte die Arme in die Hüften. "Vielleicht stimmt's. Vielleicht hab' ich morgen frei. Aber ich will trotzdem schlafen." Andre kam einen Schritt auf mich zu. "Komm, sei doch kein Spielverderber. Das wird lustig.", meinte er. Dabei sah er mich mit seinen großen Hundeaugen an.

"Mann. Ich... nein...", setzte ich an. "Bitte.", hauchte er.

Ehrlich, keine Ahnung was mich geritten hatte, aber ich konnte ihm nicht widerstehen. Ich wusste, dass, mich mit ihm zu treffen, nicht gerade dazu beitrug ihn aus meinem Kopf zu bekommen, aber ich konnte einfach nicht widerstehen, so sehr ich es auch versuchte.

"Okay... Aber nur ganz kurz. 'Ne Stunde, länger nicht.", lenkte ich leise ein.

Er begann breit zu grinsen und nahm meine Hand. "Dann lass uns mal keine Zeit verlieren." Mit diesen Worten zog er mich mit sich zu seinem Auto, das vor dem Haus parkte.

Wenige Minuten später hielten wir in einer kleinen Straße und stiegen kurz darauf aus dem Auto aus. "Und was jetzt? Was passiert jetzt?", fragte ich provozierend und sah zu ihm hoch. Er deutete zu einem weißem Haus, das nur wenige Meter entfernt von uns stand. "Ich zeig' dir jetzt mal, wie man richtig lebt.", grinste er und zog mich mit sich in das Haus.

Das Haus war, wie sich herausstellte, kein normales Haus, sondern ein kleiner Laden. Dort stank es fürchterlich nach Alkohol. Ich stand eingeschüchtert neben Andre, während dieser zwei Flaschen Alkohol aus einem Regal nahm und kaufte. Damit in den Händen verließen wir den Laden wieder. Auf der Straße hielt er mir eine Flasche hin. "Nein. Nein, ich trinke nicht.", meinte ich.

"Das solltest du aber.", erwiderte er ruhig.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. "Nenn mir 'nen guten Grund, warum ich sollte."

Er stellte die Flaschen auf den Boden und sah mich eindringlich an. "Weil dir das guttun würde. Es würde dich freier machen. Du wirkst immer so unentspannt, als ob du das alles gar nicht wollen würdest. Als ob du immer erst zehn Mal über alles nachdenken musst. Das is' auf Dauer nicht gut."

Ich musste mich beherrschen ihn nicht mit offenen Mund anzustarren, sondern möglichst normal zu wirken. "Alkohol ist aber keine Lösung.", entgegnete ich.

"Komm schon. Du hast doch nichts zu verlieren. Außerdem is' es nur 'ne kleine Flasche." Er bückte sich und hielt mir erneut die Flasche hin. Zögernd streckte ich die Hand aus und nahm sie ihm ab. Die zweite Flasche hielt er in der Hand. Ich öffnete meine und trank vorsichtig einen Schluck. Es schmeckte bitter, aber nicht schlecht. Andre tat es mir gleich darauf nach.

Kurz darauf gingen wir los. Nebeneinander. Die Flaschen immer noch in den Händen. - Durch die dunklen Straßen.

Ab und zu zeigte er mir einige Dinge, dann tranken wir wieder. Es war ein ewiger Kreislauf. - Anfangs hielt ich mich eher zurück, aber der Alkohol half mir wirklich. Das war, seiner Meinung nach, also das richtige Leben. Ganz ehrlich, ich fand's nicht mal schlecht.

Die Stunde, die ich mir ursprünglich als Grenze gesetzt hatte, war vergessen.

Wir stolperten Ewigkeiten durch die Stadt, lachten über jeden Blödsinn und hatten Spaß. Das lag wahrscheinlich auch am Alkohol, aber egal. - Ich fand's schön. Irgendwann fing es an zu regnen und wir wurden von oben bis unten nass. Nach einigen Minuten fanden wir eine Bushaltestelle, unter der wir halbwegs vor dem Regen geschützt waren.

Ich strich mir die klebrigen Haare aus dem Gesicht und sah Andre, der ebenfalls durchnässt war, an. Es war dunkel, aber eine Laterne gab uns etwas Licht. "Und? Wie fühlst du dich?" Er lallte. Zwar nur ganz leicht, aber er lallte.

"Gut.", gab ich zu. "'Bisschen schwindelig, aber gut." Ich steckte meine kalten Hände in meine Jackentaschen und sah ihn an. Seine Klamotten waren durchnässt, seine Haare ebenfalls. Ich selbst sah vermutlich ähnlich aus.

"Ungestylte Haare stehen dir.", lallte ich kichernd.

"Verschmierte Schminke steht dir.", konterte er lächelnd und trat näher an mich heran.

Das war der Moment, in dem ich ihn eigentlich von mir wegschubsen hätte müssen. Nur tat ich es nicht. Ich sah ihn lange an, wie vor einigen Tagen, im Auto. Allerdings mit dem Unterschied, dass ich diesmal nicht wegging. Ich hätte es auf den Alkohol schieben können, aber das wollte ich nicht.

Ich war mir über das, was ich tat im Klaren. Ich wollte es. Ein kleiner Teil von mir schrie immer noch, dass es falsch war. Dass er es nicht ernst meinte. Dass alles was er tat zu seiner Masche gehörte.

Aber das alles war mir in dem Moment herzlich egal: Masche hin oder her, ich hatte das Verlangen ihn zu küssen. - Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, lehnte mein Gesicht näher an seins, wie er es ebenfalls tat, und berührte kurz darauf seine Lippen. Ich zog meine Hände aus meiner Jacke und schlang sie um seinen Hals. Bald waren meine Finger bei seinen Haaren angekommen und vergruben sich darin. - Er legte seine Hände um meine Taille und drückte mich so an sich.

Für diesen einen Augenblick schien meine sonst so komplizierte und chaotische Welt ganz simpel zu sein. - Es schien nur Andre und mich zu geben, keinen anderen. Es schien perfekt.

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Hi Leute. :) Lasst doch Votes oder Kommis da. ^-^ Diese Woche kommen wahrscheinlich zwei Kapitel, weil ich Ferien habe und keinen Stress hab' und machen kann was ich will und jap. :D

wrong choice | andre schiebler ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt