32 | Er hasste mich.

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"Kommst du morgen noch vorbei? Zum Abschied?", fragte Andre am nächsten Morgen, während er lustlos in seiner Schüssel Müsli herumstocherte.

"Jap, klar.", murrte ich. - Gott, was dachte er denn? Dass ich ihn einfach so hätte fahren lassen? Da kannte er mich aber schlecht. "8 Uhr, richtig?"

Er rollte mit den Augen, während er versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen. "Wow. Dein tolles Gedächtnis möcht' ich haben, Viola. Ich hab's dir doch vor 'n paar Minuten schon gesagt. Wir fahren um sieben. Wenn du mich noch sehen willst, solltest du also spätestens um halb sieben hier sein. Oder früher. Wir sind wahrscheinlich schon um fünf wach." "Oh, okay.", nuschelte ich. - Halb sieben. Scheiße, war das früh. Wenn ich um halb sieben da sein sollte, musste ich um sechs Uhr aufstehen. Oder vielleicht sogar früher. Na geil.

"Kannst du dir das merken?", neckte er mich.

Genervt verdrehte ich die Augen. So schlecht war mein Gedächtnis nun auch wieder nicht.

Ich boxte ihm in den Arm. "Halt die Klappe. Klar, kann ich das.", keifte ich.

Er rieb sich den Arm, als ob ich ihn heftig geschlagen hätte und begann zu lachen. "Weißt du was? Ich glaub' ich schreib' dir vorher nochmal. Um sicher zu gehen. Nimms mir nicht übel, aber du bist der vergesslichste und unpünktlichste Mensch, den ich kenne."

"Charmant, Andre. Wirklich charmant." Ich verzog den Mund.

Er zwinkerte mir zu. "Kennst mich doch."

-

Wenn ich verschlafen hätte, wäre es vielleicht nicht passiert. Ich hätte mich geärgert, weil ich Andre nicht sehen konnte, aber das wäre schon alles gewesen. Vielleicht hätte ich dann ein bisschen mehr retten können. Aber nein. - Ich musste Em natürlich damit beauftragen, mich zu wecken. Ich hatte ihr gesagt, sie solle mich aus dem Bett zerren, wenn ich nicht aufstehen wollte. Hätte ich das einfach nicht getan. Wäre ich einfach im Bett geblieben.

Jedenfalls wurde ich wach, machte mich fertig und mich dann auf den Weg zu Andre.

Am Anfang war alles wie immer. - Ich bog um ein paar Ecken, wie immer. Überquerte einige Straßen, wie immer. Ging auf sein Haus zu, wie immer. Aber die Person, die gerade, als ich durch die Tür gehen wollte, aus dem Haus kam, und der ich geradezu in die Arme lief, war nicht immer da gewesen. Er war noch nie da gewesen. Er. Leon.

Ich war wie erstarrt. Stand da, als ob ich angewurzelt gewesen wäre. Ich sah ihm direkt in die Augen, während mir tausend Gedanken durch den Kopf schossen. Ich war still, bis ich schließlich die dümmste Frage stellte, die ich hätte stellen können. "Was machst du hier?"

"Ich freu' mich auch dich wiederzusehen.", grinste er.

"Du hast es ihm gesagt.", meinte ich nur. "Oh mein Gott, du hast es wirklich getan. Ich- shit. Das kann doch nicht dein verdammter Ernst sein?!"

Er zog die Augenbrauen zusammen und sah mich unschuldig an. "Wem soll ich was gesagt haben?" - Ernsthaft? Konnte er es nicht mal zugeben? War er echt so feige?

Das bisschen Respekt, das ich ich noch vor ihm hatte, zerbröckelte vor meinen Augen.

"Komm schon. Du bist aus dem Haus gekommen. Wahrscheinlich aus seiner Wohnung." Ich schüttelte ungläubig den Kopf. "Ich weiß nicht, warum du mir das zerstören musstest. Weil ich Schluss gemacht habe? Ich hab' echt keine Ahnung, okay? Aber falls es echt deswegen sein sollte, is' das echt unheimlich arm. Arm und erbärmlich.", zischte ich.

Ich verstand nicht, wie ich jemanden wie ihn, einmal lieben konnte.

Energisch schob ich Leon zur Seite und stürmte an ihm vorbei. Ich musste so schnell wie möglich zu Andre und versuchen ihm das alles zu erklären. Falls er überhaupt noch mit mir reden wollte. Ich hätte es ihm nicht verdenken können, wenn nicht. "He, Viola! Beruhig dich doch. Ich hab's ihm nicht gesagt!", rief Leon mir noch lautstark hinterher.

wrong choice | andre schiebler ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt