Kapitel 47

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Charlotte

Ich sitze in meinem Bett im Krankenhaus und spiele mit Mom Karten. Lucian musste seine gestrigen Termine nachholen, deshalb ist Mom gekommen und leistet mir Gesellschaft. Heute früh bei der Visite schien wieder alles gut zu sein und wenn morgen früh auch alles gut aussieht, darf ich nach Hause. Vorausgesetzt ich setze mich nicht wieder solchem Stress aus. Aber wie soll ich den vermeiden? Ich heirate in ein paar Wochen. Noch dazu werde ich gekrönt und muss einen Eid sprechen, den ich noch immer nicht kann. "Dein Vater und Jason kommen am Tag vor der Generalprobe.", sagt Mom irgendwann. "Ich will keine Generalprobe.", antworte ich. "Wie bitte?", fragt sie entsetzt. "Ich werde an der Generalprobe nicht teilnehmen. Dass es für die Krönung eine gab, kann ich nachvollziehen. Aber ich werde ganz bestimmt nicht meine Trauung und mein Jawort üben. Es soll etwas besonderes sein und das ist es nicht, wenn ich es einen Tag vorher übe." Mom verdreht die Augen. "Ihr werdet Alltagskleidung tragen und es wird weder Musik gespielt noch sonst irgendwas.", "Dennoch werden wir das Gelübde üben und das will ich nicht. Sollen alle anderen doch Proben, ich werde nicht da sein." Meine Mutter kneift sich in den Nasenrücken. Sie ist absolut in ihrem Element. Der königliche Hof und das Planen meiner Hochzeit sind voll ihr Ding. "Bist du dir sicher? Du wirst einen Prin-", sie hält inne. "Du wirst einen König heiraten. Musst vor ihm einen Eid sprechen und vor der Kirche. Vor dem ganzen Land. Du sagst nicht einfach nur dein Gelübde, es ist auch deine Krönung. Schatz, in knapp sechs Wochen wirst du Königin sein." Ich presse die Lippen aufeinander. Sie soll das nicht dauernd sagen. Der Druck ist zu stark. "Ich lerne den Eid auswendig. Mehr werde ich nicht tun." Mama sieht mich schweigend an. Ich hasse es, wenn sie so guckt. "Weiß Lucian davon?" Ich schüttle den Kopf. "Habe es ihm noch nicht gesagt. Aber ich glaube, dass er ähnlich denkt. Mom, wir heiraten, weil wir es möchten. Weil wir uns lieben. Nicht weil das politische Vorteile für Carwona mit sich bringt. Wenn ich Lucian nicht lieben würde, wäre mir alles egal. Dann hätte ich auf eine Generalprobe bestanden. Aber ich liebe ihn und er mich und deshalb denke ich, dass wir das einfach nicht proben sollten. Der Tag soll einzigartig sein und wenn wir beide Patzer machen oder ich meinen Eid vergesse, ja dann ist das eben so. Ich bin ein Mensch und kein Roboter. Ich möchte dieses Gelübde nur einmal aussprechen. Wenn ich es einen Tag vorher schon aufsage, hat es am Tag der Trauung keine Bedeutung mehr." Ich lege meine Karten auf den Tisch. "Ich habe gewonnen." Mom sieht meine Karten an und runzelt die Stirn. "Na toll.", murmelt sie und schreibt sich eine Menge Punkte auf. Ziel ist es aber eigentlich, so gut wie gar keine Punkte zu kriegen. "Ich verstehe dich ja. Rede am besten mit Lucian darüber. Vielleicht ist die Generalprobe auch Pflicht und du kannst dich gar nicht davor drücken." Na das wärs ja. Ich schnaube. Mir würde schon ein Grund einfallen, wieso ich nicht teilnehmen könnte. Vielleicht geht es mir den Tag plötzlich wieder nicht gut. So wie Eliza und Maria gesagt haben. Ich schiebe die Schwangerschaft als Ausrede vor. Gute Idee. Aber Mom hat recht, ich muss mit Lucian darüber reden. Vielleicht ist es ihm auch wichtig. Wenn dem so ist, bin ich verloren. Wie könnte ich ihm einen Wunsch ausschlagen?

Am Nachmittag kommt eine Schwester herein und begrüßt uns freundlich. Ich habe sie bisher noch nicht gesehen, deshalb denke ich, dass gerade Schichtwechsel war. "Guten Tag. Es wird Zeit, sich ein wenig die Beine zu vertreten. Wenn Sie möchten, können Sie im Park etwas spazieren gehen." Ich verziehe das Gesicht. Richard ist gerade losgegangen, um sich etwas zu Essen zu besorgen. "Ich warte bis mein Geleitschutz wieder da ist. Ist der Park öffentlich zugänglich?", frage ich. Die Schwester sieht mich verwirrt an. "Ähm. Ja ist er. Geleitschutz?" Mom kichert. Jemand der mich noch nicht kennt. Wie cool. "Meinst du nicht, wenn du dir vielleicht eine Sonnenbrille und eine Jacke anziehst, kannst du auch ohne Richard gehen?" Ich sehe Mom entsetzt an. "Auf gar keinen Fall. Das ist viel zu auffällig und Lucian hat mir verboten, ohne Richard das Zimmer zu verlassen. Daran halte ich mich auch." Plötzlich klappt der Schwester der Mund auf. "Ach du Heiliger.", sagt sie. "Schon gut, bitte keinen Aufstand machen.", sage ich schnell, da sie mich nun offensichtlich doch erkannt hat. Als dann auch noch die Tür auffliegt und der König höchstpersönlich das Zimmer betritt, scheint die Schwester beinahe einen Herzinfarkt zu bekommen. "Oh du meine Güte.", keucht sie. Lucian bleibt stehen und sieht sie verblüfft an. "Sie sind der König. Und Sie sind dann... Grund Gütiger.", stottert sie. "Ganz ruhig. Wir sind hier gerade normale Menschen.", sage ich und hebe beschwichtigend die Hände. "Naja, das würde ich so nicht sagen. Ich bin schließlich König dieses Landes.", sagt Lucian gespielt ernst. Ich sehe ihn vielsagend an und er lacht. Arroganter Idiot. "Guten Tag.", sagt er schließlich und reicht der jungen Schwester die Hand. Sie schüttelt sie zaghaft und versucht sich ungeschickt an einem Knicks. Oh je. "Tut mir leid, ich wusste nicht...", sagt sie in meine Richtung. Ich winke ab. "Mir wird ein Spaziergang ans Herz gelegt. Begleitest du mich?", fragt ich meinen Verlobten und schwinge langsam die Beine aus dem Bett. "Ein Spaziergang? Bist du sicher, dass du schon so weit bist?", fragt er besorgt. "Ich muss langsam wieder auf die Beine kommen.", sage ich und schlüpfe in meine Turnschuhe, die Mom mir reicht. "Okay. Ich sage Richard bescheid, dass er seine Leute um den Park postieren soll." Ich werde hellhörig, sage aber nichts, weil die Schwester noch immer im Zimmer steht. Als ich sie ansehe, räuspert sie sich verlegen. "Ich lassen Sie dann mal allein.", sagt sie und verschwindet. "Was ist los? Ist etwas passiert?", frage ich. "Nein, es ist alles in Ordnung. Ich möchte nur nicht, dass dir etwas passiert. In einem öffentlichen Park sind wir ein leichtes Ziel. Aber du hast recht, du musst wieder auf die Beine kommen. Zieh dir eine Jacke über, es ist frisch heute." Mom gibt mir eine Jacke und ich stehe langsam auf, während Lucian mit Richard telefoniert. Nebenbei zerrt er an seiner Krawatte. "Lass mich das machen.", sage ich sanft und gehe zu ihm. Ich löse die Krawatte und nehme sie ihm ab, ehe ich die oberen drei Knöpfe seines schneeweißen Hemdes öffne. Lucian legt auf und lächelt mich an. "Danke, Darling." Er küsst mich auf die Stirn. So nennt er mich nicht oft, aber wenn er es tut, klingt er immer so sanft und liebevoll, dass mir jedes Mal das Herz aus der Brust zu springen droht. Ich liebe ihn so sehr. "Bist du fertig?" Ich nicke und lege seine Krawatte auf meinem Bett ab. "Macht euch einen schönen Nachmittag, ihr zwei. Ich fahre zurück zum Schloss und sehe, was ich dir für Aufgaben abnehmen kann." Mom küsst mich auf die Wange und geht dann. "Ich werde sie vermissen, wenn sie nach der Hochzeit wieder heim fliegt.", seufze ich. "Geht mir ähnlich.", erwidert Lucian. Er liebt meine Familie und meine Familie ihn. Das beruhigt mich sehr. Wir gehen raus aus dem Krankenhaus und vertreten uns im Park die Beine. Hier und da entdecke ich Richards Männer und bin erleichtert, dass sie hier sind. "Wie war dein Tag?", frage ich nachdem wir eine Weile geschwiegen haben. "Anstrengend. Ich bin froh, jetzt bei dir zu sein. Das Bett ist so leer ohne dich." Ich lächle. "Es war doch nur eine Nacht. Und eine weitere heute. Morgen kann ich vielleicht wieder nach Hause kommen." Er nickt erleichtert. "Ist alles in Ordnung? Du machst so einen geknickten Eindruck." Er hadert mit sich. "Ich schlafe einfach schlecht ohne dich. Komm schnell wieder heim.", murmelt er und führt meine Hand an seine Lippen, um sie zu küssen. Ich bleibe stehen. "Du machst mir Sorgen.", sage ich leise. Er dreht sich mir zu. "Das selbe könnte ich über dich sagen." Wir müssen lächeln. "Ich glaube, dass alles wieder gut ist. Ich habe keine Krämpfe mehr." Er nickt erleichtert und ich hake mich wieder bei ihm ein, damit wir weiter gehen können. "Ich hatte vorhin eine kleine Diskussion mit Mom.", "Ach so?", fragt er überrascht. "Es ging um die Generalprobe für die Hochzeit. Und es würde mich interessieren, wie du dazu stehst." Fragend hebt er seine perfekten Augenbrauen. "Ich möchte keine Generalprobe." Er bleibt abrupt stehen. "Was? Aber das ist wichtig.", "Nein ist es nicht. Wie viel bedeutet unser Gelübde, unser Jawort, wenn wir es am Tag vorher schon sagen, um es zu üben? Ich will es nicht aufsagen, ohne es ernst meinen zu können. Ich möchte dir am Tag unserer Hochzeit meine Liebe und meine Treue schwören und nicht sinnlos am Tag vorher." Er seufzt. "Aber es hängt da noch ein bisschen mehr dran. Liebling, du wirst an diesem Tag gekrönt. Das muss geprobt werden. Da reicht es nicht, wenn man dir erzählt, was zu tun ist und was passiert." Ich presse die Lippen aufeinander. "Ist die Generalprobe Gesetz?", frage ich. "Was? Nein, natürlich nicht.", "Na also. Dann muss sie ja auch nicht stattfinden." Lucian fasst sich an die Stirn. "Lotti, das ist wirklich wichtig." Stöhnend fahre ich mir durch die Haare. "Okay, also schön. Wir Proben die Krönung und meinen Eid. Aber ich will weder den Einzug, noch den Auszug oder unser Gelübde üben. Ist das ein Deal?" Lucian lacht und zieht mich stürmisch an sich, um mich zu küssen. "Du bist ein Sturkopf." Ich nicke wissend. "Also schön. Ich lasse nicht zu, dass du ohne Probe gekrönt wirst. Das wird im Fernsehen übertragen, da sollte nichts schief gehen." Ich zucke mit den Schultern. "Fehler sind menschlich. Soll sich die Welt doch das Maul über mich zerreißen." Lucian verzieht das Gesicht. "Früher oder später werden sie das. Ich hoffe wirklich, dass du es verkraftest, wenn es so weit ist." Darüber will ich lieber gar nicht nachdenken. Und ich hoffe auch, dass das noch eine Weile dauert, bis ich von der Presse zerrissen werde. Obwohl es mich wundert, dass nach der Bekanntgabe unserer Verlobung nichts schlechtes geschrieben wurde. Oder als Lucian erklärt hat, dass mein verlorenes Baby von ihm war. Wir haben ihnen schon genug Material gegeben, aber über mich wurde noch nicht ein einziges schlechtes Wort geschrieben. Was also muss passieren, dass es doch noch dazu kommt? Vielleicht die Bekanntgabe meiner jetzigen Schwangerschaft? "Mir fällt da noch etwas ein.", sage ich, als mir ein Gedanke kommt. "Was denn?", fragt Lucian neugierig. "Wir haben gesagt, dass wir die Schwangerschaft bekannt geben, sobald ich die verflixten drei Monate überstanden habe. Aber ich bin jetzt Ende der elften Woche und war im Krankenhaus, weil ich die Kinder beinahe verloren hätte.", beginne ich zögerlich. "Möchtest du noch etwas länger warten?", fragt Lucian und trifft damit den Nagel auf den Kopf. "Wenn es für dich in Ordnung ist? Vielleicht bis nach der Hochzeit?" Lächelnd streicht der König mir ein paar verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Natürlich können wir noch warten. Unsere Familien wissen ja Bescheid und das war das einzige, was mir wichtig war." Ich nicke erleichtert. Er hebt mein Kinn mit dem Finger an und küsst mich sanft. Und wieder bin ich froh, dass er und ich uns gefunden haben.

Sei meine KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt