Kapitel 28

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Völlig übermüdet und mit verheulten Augen sitze ich auf der Bank in der Tierklinik und lasse mir von Lucian den Kopf streicheln. Ich hatte recht mit der Darmverschlingung und weiß nicht wieso. Nun operieren sie meinen Liebling und ich kann nichts anderes tun als abzuwarten und zu hoffen, dass alles wieder gut wird. der junge Mann der uns her brachte ist bereits nach unserer Ankunft wieder zurück gefahren und ein Team Bodyguards ist angerückt, um den Kronprinzen zu beschützen. Ich habe ewig geweint, bis einfach keine Tränen mehr da waren. Es ist ganz still hier im Raum und ich werde das Gefühl nicht los, dass der Tag heute auch nicht mehr besser wird. Es ist schon weit nach Mitternacht und eigentlich müssten wir in ein paar Stunden aufstehen und uns um die letzten Vorbereitungen für die Feier kümmern. In vier Stunden klingelt der Wecker. Aber das ist mir egal. Ich gehe hier erst weg, wenn ich weiß, dass es Mystic gut geht.
"Ich muss mich mal anders hinsetzen.", murmelt Lucian leise. Ich nehme meinen Kopf von seinem Schoß und richte mich auf. "Alles gut?" Ich nicke und wische mir über das Gesicht. Es fühlt sich an, als hätte mich jemand geschlagen und nun ist alles angeschwollen. Meine Wangen sind ganz warm und meine Augen vom Weinen aufgequollen. Auch Lucian sieht aus, als hätte er die eine oder andere Träne vergossen. Wir beide sind so unsterblich in diesen Hengst verliebt, dass wir es nicht ertragen könnten, wenn er jetzt gehen würde. Aber wir befinden uns in einer ausgezeichneten Klinik und Mystic ist ein Kämpfer. Deswegen wird er es auch schaffen und morgen schon wieder auf den Beinen stehen. "Kann man die Verlobungsfeier noch verschieben?", frage ich leise. Lucian seufzt. "Nein, tut mir Leid." Ich lache freudlos auf. "Dann hoffe ich mal für alle, dass Geoffrey mein Gesicht und meine Haare hinbekommt. Ich sehe wahrscheinlich aufgequollen und zerzaust aus." Der Prinz zieht mich an seine Brust. "Nichts könnte dich entstellen. Für mich bist du die schönste Frau der Welt. Auch jetzt." Wenigstens einer.
Ein weiterer Blick auf die Uhr und ich werde unruhig. "Sie müssen doch langsam fertig sein. Wieso dauert das so lange?" Lucian will gerade etwas antworten, da geht die Tür zum OP auf und der Arzt kommt heraus. Sofort springen wir beide auf. "Die Operation ist gut gelaufen. Aber die kommenden Tage sind entscheidend. Er wird jetzt in eine Aufwachbox gebracht, wo er in Ruhe zu sich kommen kann und morgen werden wir dann sehen, ob er vielleicht versucht aufzustehen. Davon wird alles weitere abhängen. Wenn er nicht von alleine aufsteht, werden wir versuchen zu helfen. Ich kann deshalb jetzt noch nicht sagen, ob er es überstanden hat.", erklärt der Arzt, bevor wir auch nur ein Wort sagen können. Ich seufze erschöpft. "In Ordnung. Wann darf ich zu ihm?", frage ich. "Man wird Sie anrufen. Aber heute nicht mehr, tut mir Leid. Es ist wichtig, dass er viel Ruhe hat. Fahren Sie nach Hause. Soweit ich weiß, soll heute eine Verlobung gefeiert werden. Da sollten Sie ausgeschlafen sein." Er lächelt uns aufmunternd an, aber sowohl Lucian als auch ich sehen diese verdammte Verlobungsfeier als lästig an. Sie ist unwichtig geworden. Dennoch nicken wir ergeben, hinterlassen unsere persönlichen Handynummern, damit man uns direkt erreicht, falls etwas ist und gehen dann zum Auto. Wir steigen hinten ein und einer der Bodyguards startet den Wagen. "Das war eine harte Nacht. Und ich fürchte, dass der Tag jetzt sogar noch härter wird.", murmelt Lucian völlig übermüdet. "Das fürchte ich auch.", stimme ich zu und lehne meinen Kopf an seine Schulter. Es ist jetzt vier Uhr und in vier Stunden werden meine Eltern am Flughafen ankommen. Eigentlich wollte ich mitfahren, um sie abzuholen. Aber jetzt kann ich es mir beim besten Willen nicht vorstellen, in vier Stunden am Flughafen zu stehen und darauf zu warten, dass mein Familie kommt. Anderseits habe ich in ihnen Verbündete, mit denen ich sofort über Mystic reden kann. Ich verziehe das Gesicht. Ich hoffe so sehr, dass er das alles übersteht.

Am Schloss angekommen, öffnet uns einer der Diener die Autotür und ich steige schwerfällig aus. Lucian ergreift meine Hand und führt mich die Treppe zum Eingang hinauf. "Wie sollen wir den Tag nur überleben?", frage ich erschöpft. "Ich weiß nicht. Aber ich denke, dass wir zusammen alles schaffen können. Und vielleicht mit viel Kaffee und Make-up." Ich runzle die Stirn. "Meinst du mit Make-up mich oder uns beide?", "Tatsächlich uns beide.", lacht er leise. Wir gehen hoch in unser Schlafzimmer und schmeißen uns auf das weiche Bett. "Ich kann und werde hier nicht in ein paar Stunden wieder aufstehen." Lucian lacht auf. "Da bist du nicht die einzige. Ich war noch nie so müde." Ich auch nicht. Der Tag war verdammt anstrengend und die Nacht nervenaufreibend. "Ob es sich so anfühlt, wenn man Kinder hat? Dass man kraftlos nebeneinander im Bett liegt und todmüde ist?", frage ich und starre an die Decke. "Vermutlich. Ich könnte mir vorstellen, dass wir nach ein paar schlaflosen Nächten exakt so aussehen wie jetzt.", erwidert Lucian. Ich kichere. "Dann wundert es mich aber, dass es auf dieser Welt nicht nur Einzelkinder gibt. Ich wäre jetzt niemals in der Lage mit dir zu schlafen und ehrlich gesagt ist dein Geruch und dein Aussehen auch nicht sonderlich anziehend." Entsetzt dreht er seinen Kopf zu mir und ich lache los. "Du freches Biest. Ich dachte für einen kurzen Moment, du würdest das ernst meinen.", "Tu ich doch auch. Riech mal an dir und sieh in den Spiegel, dann weißt du wovon ich rede.", ärgere ich ihn weiter. Er schnaubt. "Du siehst auch nicht besonders attraktiv aus mit deinen zerzausten Haaren und den Augenringen.", "Aber ich rieche besser.", antworte ich kichernd. "Frechheit.", lacht Lucian und schüttelt ungläubig den Kopf. "Na schön, war ein Scherz. Kein Mann dieser Welt könnte dir je das Wasser reichen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du gute Karten hättest, The Sexiest Man Alive zu werden. Auch so wie du jetzt aussiehst." Ein schiefes Lächeln stiehlt sich auf seine Lippen. "Ich bin es.", "Was?", frage ich irritiert. "Na The Sexiest Man Alive. Jedenfalls war ich es letztes Jahr." Mir klappt der Mund auf. "Ernsthaft?", "Ja.", lacht er und kreuzt seine Arme hinter dem Kopf, während er amüsiert an die Decke starrt. "Das ist ein Scherz, oder?", "Nein. Sieh doch nach.", antwortet er gelassen. Ich kneife misstrauisch die Augen zusammen. Der lügt doch. Ich drehe mich auf die Seite und greife nach meinem Handy, welches auf dem Nachttisch liegt. Ich entsperre es und suche im Internet nach der Wahrheit. Mir klappt der Mund auf, als ich sehe, dass er letztes Jahr tatsächlich vom Magazin People zum Sexiest Man Alive erklärt wurde. "Na? Fündig geworden?", fragt mein Verlobter mit einem arroganten Grinsen im Gesicht. "Ich fasse es nicht.", murmle ich und lege mein Handy zu Seite. Lucian lacht leise und sieht mich wieder an. "Du wurdest bestimmt nur ausgewählt, weil du ein heißer Prinz bist. Wärst du kein Prinz, hätte man dich nie beachtet.", stichle ich. "Klar.", schmunzelt er und streckt einen Arm aus, woraufhin ich mich an ihn kuschle und er seinen Arm um mich legt. "Es gibt vieles, was ich noch nicht von dir weiß.", bemerke ich leise. "Und ist das schlimm? Ich weiß auch vieles von dir nicht." Ich zucke mit den Schultern. "Sollte man sich nicht in und auswendig kennen, wenn man vor hat zu heiraten?" Lucian zuckt mit den Schultern. "Vielleicht schon. Aber ich weiß auch ohne dich zu hundert Prozent zu kennen, dass ich dich liebe und keine andere Frau als dich heiraten möchte. Außerdem ist unsere Hochzeit erst in ein paar Monaten. Die Verlobungsfeier heute ist nur wichtig, damit es richtig offiziell ist, dass ich dich heiraten werde und nicht Eliza. Außerdem wird es Geschenke geben und auf die freue ich mich jetzt schon." Er grinst verschmitzt und ich runzle die Stirn. "Warum denn das? Das sind doch bestimmt nur bescheuerte Sachen, oder nicht?", "Prinzipiell ja, weil auch viel zu viele spießige alte Leute kommen werden. Aber ich habe ja auch ein paar Freunde in meinem Alter, die mir sicher eins auswischen wollen. Ist so'n Ding zwischen gelangweilten Adelssöhnen. Wer heiratet wird bloßgestellt.", "Und du freust dich auf das Bloßgestelltwerden, weil...?", "Weil es unfassbar witzig ist.", antwortet er lachend. "Ich will aber nicht bloßgestellt werden.", antworte ich entsetzt. "Naja, wir müssen ja nicht laut rufen was es ist. Bei manchen Sachen können wir das natürlich aber die Geschenke meiner Freunde öffnen wir lieber ohne Kommentar. Das wird ein Riesenspaß." Noch immer skeptisch sehe ich ihn an. "Was ist denn da so drin?" Wieder zuckt er mit den Schultern. "Einfache und billige Dinge. Als Freddy sich verlobt hat, habe ich seiner zukünftigen Ehefrau einen Gutschein für einen Abend mit mir geschenkt. Nur für den Fall, dass sie mich lieber in ihrem Bett haben möchte als ihn." Entsetzt klappt mir der Mund auf und Lucian lacht wieder. "Sie hat ihn natürlich nie eingelöst. Aber sein Gesicht war göttlich." Das klingt wirklich nach gelangweilten Adelssöhnen. "Gott, das wird so unangenehm. Man wird mir sofort ansehen, dass in den Geschenken etwas irgendwas peinliches ist. Ich habe nicht so ein Pokerface wie du. Ich werde rot und fange an zu schwitzen.", "Ich werde diese Geschenke einfach aufmachen. Dann weiß ich, ob ich es dir direkt zeigen kann oder lieber erst später. Ich denke du wirst mit einem ähnlichen Gutschein rechnen müssen. In der Regel bekommt jeder etwas ähnliches zurück, was er selber verschenkt hat. Also wird das wohl sehr unangenehmen für uns." Ich schüttle den Kopf. "Du bist unmöglich. Erzähl mir mehr von deinen Geschenken, damit ich mich vorbereiten kann.", "Nein. Umso lustiger wird es.", erwidert er lachend. Gemeinheit. Er weiß genau, was auf ihn zukommen wird und ich werde ahnungslos sein. Aber vielleicht will ich auch wirklich nicht wissen, womit ich es zutun haben werde.
Wir liegen lange einfach im Bett und reden, machen Quatsch und lachen. Eine willkommene Ablenkung nach den Ereignissen der vergangenen Stunden. Ich habe noch immer Angst um Mystic und würde am liebsten direkt wieder zu ihm, um ihn zum Aufstehen zu bewegen, damit er kämpft und wieder gesund wird. Aber Lucian schafft es, dass ich nicht weine und mich auf den heutigen Tag konzentrieren kann. Aber mit unseren Gesprächen vergeht auch eine Menge Zeit und wir sehen einander entsetzt an, als es an der Tür klopft und Lucians persönlicher Assistent das Zimmer betritt, um uns zu wecken. "Guten Morgen, eure Hoheit. Wie ich sehe, sind Sie bereits wach. In zehn Minuten wird Ihnen das Frühstück gebracht. Hinter ihm erscheinen zwei Frauen in Dienstkleidung, die schnellen Schrittes auf die Fenster zugehen zu die Vorhänge aufziehen, ehe sie die Balkontür öffnen, um frische Luft hineinzulassen. "Ähm.", sagt Lucian verwirrt und schaut nach rechts zu seinem Nachttisch, wo ein Wecker steht, der mit roten Ziffern die Uhrzeit anzeigt. Er sieht wieder zu mir und seufzt. "Eine Verlobungsfeier ohne geschlafen zu haben. Das wird super." Ächzend richtet er sich auf und schwingt die Beine aus dem Bett. "Miss O'Brien, Sie werden um sieben Uhr zum Flughafen gefahren, um Ihre Eltern und Ihren Bruder zu empfangen. Sie, Hoheit, haben um sieben Uhr ein Termin zur letzten Absteckung Ihres Smokings für den heutigen Abend. Diesen Termin haben Sie um neun Uhr, Miss O'Brien. Um zwölf Uhr werden Sie alle gemeinsam zu Mittag essen, damit die Familien einander kennenlernen." Er sieht von seinen Unterlagen auf und ich blinzle überfordert. "Wann ist mein Telefontermin mit dem Spanischen König?", fragt Lucian und setzt sich nun in seinen Sessel, woraufhin direkt jemand ins Zimmer kommt und ihm eine Tasse Kaffee in die Hand drückt. "Für Sie auch einen Kaffee, Miss?", fragt sie zierliche Frau mit dem Kaffeewagen und sieht mich strahlend an. "Ja, vielen Dank.", erwidere ich und setze mich in den anderen Sessel, der von nun an meiner zu sein scheint. "Um fünfzehn Uhr.", antwortet Pedro, Lucians Assistent. "In Ordnung.", erwidert der Prinz gelassen und nimmt einen Schluck von seinem Kaffee. Mir wird ebenfalls eine Tasse gereicht, welche ich vorerst auf dem kleinen Tisch vor mir abstelle. Es ist faszinierend, wie schnell Lucian wach ist und sofort in die Rolle des Kronprinzen schlüpfen kann.
Wieder betritt eine Person den Raum. Diesmal von einem jungen Mann, der einen Wagen mit unserem Frühstück vor sich herschiebt. Er stellt alles auf den kleinen Tisch am Fenster, wo Lucian und ich von nun an gemeinsam frühstücken und zieht sich dann wieder zurück. "Alles in Ordnung mit dir?", fragt Lucian mich. Ich sehe zu ihm und lege fragend den Kopf schief. "Du siehst aus als wärst du überfordert.", erklärt er seine Frage. Mein Blick gleitet von der Frau die gerade mein Bett macht zu der Frau mit dem Kaffee, dann zu Pedro und zu dem Mann, der Kleidung für Lucian und mich zurechtlegt. "Das bin ich auch.", murmle ich. "Entspann dich und versuch alle auszublenden. Sonst wird man nämlich irre." Mein Verlobter zwinkert mir zu, dann steht er auf und setzt sich mit seinem Kaffee an den Frühstückstisch. Ich folge ihm. Zwar habe ich in den letzten Tagen bereits gemerkt, dass Lucians Assistent morgens reinkommt und uns jemand Frühstück bringt aber so viel wie hier heute los ist, habe ich noch nicht erlebt. Vielleicht gewöhne ich mich mit der Zeit daran. Vielleicht auch nicht. Aber jetzt freue ich mich erstmal auf das Frühstück und auf meine Familie.

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