Kapitel 9

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In einem lockeren, dunkelroten Kleid stehe ich vor dem Spiegel und sehe meine glatten, offenen Haare an, die über meinen Schultern liegen. Meine Füße stecken in schwarzen Pumps, die höher als alle Schuhe sind, die ich je in meinem Leben getragen habe. Nun ja, da ich sonst ausschließlich flache Schuhe trage, sind selbst fünf Zentimeter höher als alles was ich sonst trage. Ich lege den Kopf etwas schief und bemerke, dass Janet mich beobachtet. "Sehe ich okay aus? Ich bin so nervös.", seufze ich. "Am besten ist es, wenn du einfach locker bleibst. Natürlich nicht zu locker aber eben nicht angespannt. Schüttle leicht die Hand der Königin und auch des Königs, mach dabei einen kleinen Knicks, so wie ich es dir gezeigt habe und dann wird schon alles werden. Am Anfang sagst du einfach Majestät oder Hoheit. Sollten sie dir ihre Vornamen anbieten, vermeide Hoheit und Majestät, denn in dem Fall wirkst du dann zu förmlich. Du wirst neben Lucian sitzen, der wird dir sicher beistehen, wenn ihr euch so gut kennt." Ich nicke. Dann klopft es an der Tür und mein Herz macht einen Satz. Das wird Lucian sein. Ich schließe die Augen, atme tief durch und öffne die Tür. Lucian steht in einem dunkelblauen Anzug mit schwarzem Hemd darunter vor mir. Sein Blick gleitet an mir auf und ab, dann strahlt er. "Du siehst bezaubernd aus, Lotti." Er umarmt mich fest, dann nickt er Janet zu. "Begleitest du mich?" Prinz Lucian hält mir wie vorhin im Garten seinen Ellbogen entgegen und ich nicke lächelnd.
Der Raum in dem wir essen ist gar nicht so groß, wie ich erwartet hatte. Ein großer Esstisch steht in der Mitte und sieben Plätze sind mit Tellern, Besteck und Gläsern gedeckt. Der König und die Königin stehen am Kopfende und mustern mich neugierig, als ich den Raum betrete. "Mutter, Vater, das ist Charlotte, meine sehr lieb gewonnene Freundin aus England.", stellt Lucian mich vor. "Es ist uns eine Freude, die Frau kennenzulernen, die Lucian dazu bringt, nicht einmal beim Essen das Handy aus der Hand zu legen.", lächelt König Frederick mich an, dann nimmt er meine Hand und drückt Sie freundlich. "Eure Hoheit.", erwidere ich strahlend und mache einen kleinen Knicks, so wie Janet es mir gezeigt hat. "Die Freude ist ganz meinerseits.", "Willkommen in Carwona.", strahlt Königin Marlene und drückt meine Hand mit ihren beiden. Sie sind warm, weich und recht zierlich. "Es ist wunderschön hier. Vielen Dank, dass ich eine Woche hier verbringen darf." Sie nickt einmal, dann richten sich ihre Augen auf etwas, was hinter mir liegt. Lucian dreht sich um. "Lotti, das sind mein Bruder Collin und seine reizende Begleitung ist Amalia." Und das Böse hat ein Gesicht. "Collin, Amalia, das ich Charlotte." Ich lächle die beiden an und reiche ihnen meine Hand. "Lady Amalia.", lächelt sie zuckersüß und falsch, ich könnte kotzen. Sie ist so wunderschön, dagegen komme ich doch gar nicht an. Moment, wieso sollte ich das auch? Ich schüttle innerlich den Kopf über mich selbst. "Maria verspätet sich etwas, setzen wir uns doch schon." Lucian zieht mir einen Stuhl zurück und ich setze mich. "Ich wusste gar nicht, dass Maria auch kommen wird. Bleibt sie länger?", fragt Lucian an seine Mutter gerichtet. "Ja, sie ist gerade wieder in der Stadt, da habe ich sie zu uns eingeladen. Ich dachte das würde dich vielleicht erfreuen. Sie wird wohl die nächsten zwei Wochen hier verbringen, bis sie zurück ins Wohnheim fährt.", antwortet Königin Marlene und nimmt das Weinglas, das eben von einem Bediensteten gefüllt wurde. "Lasst uns schon einmal anstoßen." König Frederick hebt sein Weinglas und prostet in unsere Richtung. Erschrocken sehe ich zu meinem Weinglas und nehme es in die Hand. "Auf unseren Gast. Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl bei uns.", "Vielen Dank, eure Hoheit.", lächle ich, dann heben alle das Weinglas an die Lippen. Verdammt. Ich stelle das Glas wieder hin und weiß nicht recht, was ich tun soll. "Mögen Sie keinen Rotwein? Ich versichere Ihnen, es wird der beste Wein sein, den Sie je trinken werden. Ihnen entgeht etwas.", zwinkert mir Collin zu, der mir gegenüber sitzt. "Oh, doch natürlich, nur nehme ich zur Zeit ein Medikament, da darf ich keinen Alkohol trinken.", sage ich errötend. Lucian beäugt mich skeptisch. "Davon hast du gar nichts erzählt. Ist alles in Ordnung? Bist du krank?" Ich schüttle den Kopf. "Nein, es ist alles in Ordnung.", versuche ich ihn zu beruhigen, doch wirklich überzeugt sieht er nicht aus. "Wollen Sie ein Glas alkoholfreien Wein, meine Liebe? Sie müssen es nur sagen.", "Gerne, vielen Dank.", lächle ich und schon steht vor mir ein neues Glas, wo nun alkoholfreier Wein eingefüllt wird. Ich bedanke mich beim Bediensteten und trinke einen Schluck. "Wow, nicht zu viel versprochen." Lucian lächelt. "Ich sagte doch, wir haben hier den besten Wein." Eine Junge Frau betritt den Raum. Sie trägt eine weiße Bluse und eine dunkelblaue Leinenhose. "Entschuldigt die Verspätung, es gab einen fürchterlichen Stau auf der Autobahn. Ein LKW und ein Kleintransporter sind zusammengestoßen. Vollsperrung für dreieinhalb Stunden.", seufzt sie erschöpft, dann begrüßt sie alle der Reihe nach mit einem Wangenkuss, bis sie bei mir angelangt. "Du bist also Charlotte. Willkommen in Carwona.", begrüßt sie mich. Anschließend setzt sie sich auf den freien Platz und atmet durch. Kaum hat sie sich gesetzt, wird das Essen serviert. Eine kleine Schüssel mit einer rötlichen Suppe steht vor mir, dessen Geruch sofort meinen Magen knurren lässt. "Nun dann, einen guten Appetit euch allen.", wünscht König Frederick und schon beginnen alle zu essen. Zwischendurch gleitet mein Blick immer mal wieder zu Amalia und Maria, die nebeneinander sitzen und sich angeregt unterhalten. Ich könnte mich natürlich an den Unterhaltungen beteiligen, doch da ich von Natur aus eher still bin, halte ich mich zurück und höre eher hier und da mal zu.
Als Hauptspeise wird Rinderfilet mit gedünstetem Gemüse und Kartoffelecken serviert. Es schmeckt so unglaublich gut, so gutes Essen habe ich noch nie zu mir genommen. "Erzählen Sie doch mal ein wenig von sich, Charlotte, wie ist es bei Ihnen Zuhause?", fragt die Königin zwischen zwei Bissen und lächelt freundlich. "Es ist wunderschön auf unserem Gestüt. Man hat unendlich viele Möglichkeiten auszureiten, durch die Arbeit bin ich den ganzen Tag an der frischen Luft und vor allem ist es ein Familienbetrieb, sodass ich meine Familie immer um mich habe. Ich bin mit Pferden groß geworden, schon als Kleinkinder sind mein Bruder und ich immer geritten. Die Dressur ist einfach etwas atemberaubend schönes für mich.", schwärme ich. "Oh das klingt wundervoll. Lucian hat uns die neuen Pferde gezeigt, es sind wirklich einzigartige Tiere, die er da mitgebracht hat. Vor allem der schwarze Hengst. Wie heißt er noch gleich, Lucian?", fragt die Königin. "Mystic King.", antwortet Lucian neben mir. "Oh ja, er ist etwas ganz besonders. Ich habe ihn mit der Flasche aufgezogen, nachdem die Mutter bei seiner Geburt starb. Ich habe ihn auch ausgebildet. Er ist mein ganzer Stolz." Lady Amalia zieht eine Augenbraue hoch. "Habt ihr denn für so etwas keine Angestellten?" Verdutzt sehe ich zu ihr. "Angestellte? Meine Familie leitet den Hof, jeder packt überall mit an. Es sind sehr viele angestellte Leute dort, aber gerade bei solch wichtigen Angelegenheiten, nimmt mein Vater gern selbst alles in die Hand. Die Stute war bereits sehr schwach und allein das Decken hat viel Geld gekostet. Mystic stammt von Totilas ab, er ist etwas besonderes. Und wenn mein Vater so einen wichtigen Fall hat, übergibt er am liebsten uns die Verantwortung, da er uns zu tausend Prozent vertrauen kann. Abgesehen davon war es mir eine Ehre, den kleinen Hengst mit der Flasche aufziehen zu dürfen." Sie lächelt gekünstelt. "Nun ja, ich würde mich ungern in eine Pferdebox setzen, um einem Fohlen die Flasche zu geben." Wieso wundert mich das nicht? "Das ist eben unter anderem mein Job. Und meine Leidenschaft.", erwidere ich. "Natürlich.", antwortet sie gedehnt. Ich sehe Lucian an und hebe eine Augenbraue, woraufhin er die Schultern zuckt. "Finde ich total interessant. Würde ich auch sofort machen. Kleine Fohlen sind einfach mega süß.", grinst Maria mich an. "Und wenn du nicht arbeitest? Was machst du dann so?", fragt Collin und geht nun auch zum Du über. "Naja, viele Möglichkeiten habe ich nicht. Außerdem ist die Arbeit auf dem Hof ein 24-Stunden Job. Auch am Wochenende. Viel Freizeit habe ich nicht. Und selbst wenn ich die mal habe, dann sitze ich auch auf dem Pferd.", "Hast du das gut. Ich verbringe meine Zeit in Vorlesungen und Bibliotheken. Absolut ätzend, wenn du mich fragst." Sie verdreht ihre Augen und grinst. "Aber an den Wochenenden steigen immer viele Partys, da treibe ich mich sehr viel rum. Gehst du auch feiern?" Ich schüttle den Kopf und bin überrascht, dass sie das absolute Gegenteil von der arroganten Amalia ist. "Dann solltest du mich am Wochenende mal begleiten. Unten in der Stadt steigt eine Party und ich werde dort definitiv nicht fehlen. Und dass jemand noch nie feiern war, geht heutzutage absolut gar nicht." Feiern. Oh man, bitte nicht. Lucian bemerkt mein Unbehagen und drückt unter dem Tisch mein Knie. "Ich glaube nicht, dass das etwas für Charlotte ist, Maria." Maria winkt ab. "Wenigstens einmal. Wenn's dir nicht gefällt, können wir wider gehen." Sie ist absolut nicht die Art von Person, die ich am königlichen Abendbrotstisch erwartet hätte. Sie ist so aufgedreht, redet wie eine typische Studentin und nimmt kein Blatt vor den Mund. Jemanden wie sie, hätte ich auf unserem Hof als Angestellte erwartet, aber nicht hier. Aber ihre Anwesenheit beruhigt mich ungemein. Sie lockert die Stimmung hier so sehr auf, dass die Anspannung durch Amalias Anwesenheit von mir abfällt.
Nach dem Abendessen verabschiede ich mich vom König und der Königin, ehe sie das Esszimmer verlassen und zu Bett gehen, da es schon recht spät ist. Collin zwinkert mir zum Abschied zu, Amalia ignoriert mich eiskalt und Maria verspricht mir, mich am nächsten Morgen zu einem Ausritt abzuholen. Erleichtert, dass das Abendessen so gut gelaufen ist, hake ich mich wieder bei Lucian unter, der mich zu meinem Zimmer begleitet. "Und? Was sagst du zu ihr?" Kurz schweige ich und suche nach den richtige Worten, doch ich spüre, dass es Lucian nervös macht, dass ich nichts sage. "Sie ist schon in Ordnung.", antworte ich zögerlich. "Du hasst sie.", seufzt er niedergeschlagen. "Ja.", erwidere ich trocken. "Ich kann absolut nicht nachvollziehen, was deine Mutter denken lässt, dass sie an deine Seite passt. Diese Frau ist die Pest. Arrogant, hochnäsig, herablassend. Das volle Programm. Sagtest du nicht, sie sei freundlich?", "Nun ja, zu mir ist sie freundlich.", erwidert er zögerlich. "Natürlich ist sie das. Sie ist scharf auf dich und will Königin werden. Koste es was es wolle." Er seufzt niedergeschlagen. "Würdest du mir bei der Wahl meiner Frau helfen? Zwar kennen wir uns noch nicht lange, aber ich habe das Gefühl, dass du mich mehr kennst als irgendjemand sonst. Du kannst beurteilen, wer zu mir passt und wer nicht." Mein Herz beginnt zu schmerzen und mein Magen zieht sich zusammen. Ich will ihm gar nicht dabei helfen, vielleicht will ich ja selbst die sein, die an seiner Seite steht. Aber nicht als Königin. Das passt nicht zu mir. Und scheinbar sieht er es genauso, denn sonst würde er mich nicht um so etwas bitten. Ihm liegt viel an mir, das spüre ich, doch leider habe ich so langsam das Gefühl, dass mir noch viel mehr an ihm liegt, als nur eine sehr gute und enge Freundschaft. Ich würde alles für ihn tun und das weiß ich jetzt, da ich bei ihm bin. "Ja, ich helfe dir.", sage ich leise. Er lächelt mich glücklich an, dann bleibt er stehen und nimmt mich fest in den Arm. Sein Duft umgibt mich sofort und meine Knie werden weich. In mir wächst der Wunsch, er würde mich nie wieder loslassen, doch mir ist bewusst, dass dies ein Wunsch ist, der nie in Erfüllung gehen wird, denn im nächsten Moment lässt er mich schon wieder los. Ich zwinge mich zu einem Lächeln, dann gehen wir weiter zu meinem Zimmer. "Wieso hast du keinen Wein getrunken? Was für Medikamente musst du denn nehmen? Und warum?" Erschrocken weiten sich meine Augen. "Ach das ist nichts, ich hatte nur eine Blasenentzündung und musste deshalb Antibiotika nehmen, nicht der Rede wert." Sein Blick ist weiterhin skeptisch, doch er belässt es dabei. "Na gut, dann wünsche ich dir eine gute Nacht.", "Kannst du bei mir bleiben?", frage ich leise und fummel am Saum seines Sakkos herum. "Tut mir Leid, das geht leider nicht. Mutter bekommt schnell was in den falschen Hals und wenn herauskommt, dass ich bei dir schlafe, wird sie sonst was denken.", schmunzelt er und ich hebe eine Augenbraue. "Du hast sicher schon bei einer Menge Frauen übernachten. Eine mehr oder weniger fällt doch da nicht auf." Er lacht leise, dann küsst er meine Stirn. "Gute Nacht." Mit diesen Worten dreht er sich um und geht den langen Gang hinunter, bis ich ihn nicht mehr sehen kann.

Sei meine KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt