Kapitel 55

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Ich setzte mich vorsichtig auf das Sofa und schlüpfe aus meinen Schuhen, um meine Füße etwas hochzulegen. Die Krone wurde mir abgenommen und gegen ein zierliches Diadem getauscht. Und damit bin ich fertig. Mein Ehemann hingegen zieht gerade seine Uniform aus und als er in Boxershorts mitten im Raum steht, umgeben von zwei weiblichen und zwei männlichen Bediensteten, die unsere Kronen tauschen und beim umziehen helfen, muss ich lachen. Lucian dreht sich zu mir um. "Es ist einfach zu lustig. Ich sollte es nicht gut finden, dass du vor so vielen Leuten blank ziehst aber ich finde es fürchterlich lustig.", kichere ich. Der König verdreht die Augen und nimmt die schwarzen Socken entgegen, die ihm gereicht werden. Er schlüpft hinein, dann reicht man ihm eine schwarze Hose. Ich beobachte ihn beim Anziehen und merke mehr und mehr die Müdigkeit in mir aufkommen. Dem Himmel sei Dank, dass ich bereits schwanger bin und wir nicht gezwungen sind, uns ausgerechnet heute Nacht noch um das Fortbestehen der königlichen Familie kümmern zu müssen. Ich streichle gedankenverloren über meinen Bauch, während ich Lucian beobachte, wie er sich das Hemd zu knöpft. Als ich bemerke, dass eine der Frauen mich beobachtet, halte ich inne. Ein Teil der Belegschaft weiß von meiner Schwangerschaft. Aber nicht alle. Der Koch weiß es, weil er darauf achten muss, dass ich nichts esse, was man während einer Schwangerschaft nicht essen darf. Und natürlich die engsten Angestellten, die sich täglich um uns kümmern. Aber diese beiden Frauen hier kenne ich nicht. Und der Blick der Frau, die mich beobachtet hat, bereitet mir Sorgen. Ich raste aus, wenn sie ihren Mund nicht hält. Mein Blick gleitet wieder zu Lucian, der sich nun Hosenträger über die Schultern zieht. "Ich hätte gedacht, dass du mit Hosenträgern wie ein kleiner Junge aussiehst aber tatsächlich sieht es sehr heiß aus.", sage ich nachdenklich. Lucian grinst mich über den Spiegel an. Dann wird ihm eine ungebunden Fliegen um den Hals gelegt und eine der Frauen will sie gerade binden. "Ich mache das.", beschließe ich und stehe auf. Die Frau macht einen Knicks und geht zur Seite. Daran werde ich mich nie gewöhnen. Ich raffe meinen Rock und gehe zu meinem Mann, der sich nun in meine Richtung gedreht hat. "Kannst du das denn?", fragt er skeptisch. "Natürlich kann ich das. Ich habe Luke auch immer die Fliegen und Krawatten gebunden. Er war immer zu ungeschickt, es selbst zu machen. Es sah immer scheußlich aus. Also habe ich mich Zuhause hingesetzt und beides geübt, bis ich es perfekt konnte.", erzähle ich und binde mit flinken Fingern die Fliege. Ich bin mir sicher, dass er es auch selbst könnte. Lucian ist zu perfekt, um es nicht zu können. "Du warst also mit Luke auch öfter auf Partys und offiziellen Anlässen?" Ich lächle zaghaft. "Nein. Ich habe ihm immer nur geholfen, seine Fliegen und Krawatten zu binden. Er hat mich nie mitgenommen. Er hat mich seinen Eltern zwar mal vorgestellt aber sie haben mir ins Gesicht gesagt, dass ich nicht in ihre Reihen gehöre. Luke haben sie anschließend gesagt, dass er mich bloß nicht zur Gala mitbringen soll, zu der sie am nächsten Tag eingeladen waren. Und zum Gartenfest in der Woche darauf besser auch nicht. Ich würde die Familie zum Gespött machen. Luke ist der Sohn eines Dukes, er sollte sich seine geeignetere Frau suchen. Eine aus ihren Reihen. Mit blauem Blut. Ich war zwar aus reichem Elternhaus, aber nicht reich genug." Ich zucke mit den Schultern, um zu zeigen, dass es mir mittlerweile gleichgültig ist. Zumindest sollte es das. Damals war es das mit Sicherheit nicht. Lucian legt seinen Finger unter mein Kinn und hebt es an, damit ich ihm in die Augen schaue. "Nicht geeignet, die Frau des Sohnes eines Dukes zu werden, hm?" Ich nicke. Mein Mann reckt arrogant das Kinn. "Bist du wirklich nicht. Sieh dich an. Du eine Durchess in spe?" Sein Ton ist sarkastisch und wenn man seinen Humor nicht kennt, könnte man denken, er würde mich gerade beleidigen. Er schnaubt, dann nimmt er meine Hände und hebt sie an seine Lippen. "Der Titel Durchess wäre nicht annähernd genug." Nun ist seine Stimme leise und sanft. Er haucht einen Kuss auf meinen Handrücken. "Zum Glück hat dich ein König geheiratet und nicht so ein langweiliger Sohn eines langweiligen Dukes." Ich muss kichern. "Durchess Charlotte klingt langweilig. Königin Charlotte hingegen zergeht wie die Buttercreme unserer Hochzeitstorte auf der Zunge." Nun muss ich richtig lachen und entziehe ihm meine Hände, damit ich die Fliege an seinem Hals endlich festziehen kann. "So.", sage ich, als ich fertig bin. Er gibt mir einen Kuss, dann setzt er sich, um sich seine schwarzen Lackschuhe anzuziehen. Danach steht er auf und man hilft ihm in das Jackett. Er macht den Knopf zu und dann wird ihm eine schlichtere Krone auf den Kopf gesetzt. Wenn der offizielle Teil beendet ist, so habe ich gelernt, wird die große Krone gegen diese kleine getauscht, so wie meine. Sie zeichnen uns weiterhin als König und Königin, zeigen aber auch, dass nun der entspanntere Teil des Abends beginnt. Ich wende mich an die beiden Frauen. "Ich brauche andere Schuhe. Mit den Absätzen halte ich es nicht länger aus, fürchte ich." Sie sehen einander hilflos an und ich seufze. "Percy weiß doch sicher was zu tun ist.", sagt Lucian und betrachtet sich im Spiegel. Da hat er nicht Unrecht. Kurzerhand gehe ich zum Nachttisch wo mein Handy liegt. Es klingelt nur ein einziges Mal, da meldet Percy sich bereits. "Percy, ich brauche unbedingt flache Schuhe. Diese Absätze bringen mich noch um." Er kichert etwas. "Ich habe natürlich auch für dieses Problem eine Lösung. Neben dem Sofa müsste ein kleiner Karton stehen. Da sind flache Schuhe für dich drin. Ich habe schon damit gerechnet, dass du sie brauchen könntest.", sagt er. Ich lasse meinem Blick durch den Raum schweifen und entdecke schließlich den kleinen weißen Karton. Erleichtert seufze ich. "Ich danke dir, du bist der Beste." Wieder lacht er. "Gern. Ist doch mein Job." Wir legen auf und ich schnappe mir den Karton, um die Schuhe herauszuholen und sie anzuziehen. "Tausend mal besser.", murmle ich. Lucian sieht mich schmunzelnd an, wirft dann aber ein Blick auf die Uhr und mir wird klar, dass wir spät dran sind. "Ich bin fertig. Von mir aus können wir los.", sage ich, bevor er mir mitteilen kann, dass wir wieder runter müssen. "Würdet ihr uns bitte entschuldigen?", fragt Lucian höflich und sofort verschwinden die Männer und Frauen aus unserem Zimmer. "Ich hab die noch nie gesehen. Sind sie neu?", frage ich, als sie alle weg sind. "Verstärkung, weil heute zusätzliche Hände gebraucht werden." Er schlingt seine Arme um meine Taille und ich lege meine Hände auf seiner Brust ab. "Ich bin noch so satt von der Torte. Ich glaube ich kann gleich gar nichts essen. Und schon gar nicht tanzen." Ich ziehe eine Schnute. "Du hast versprochen, meine Schuhe wären nach diesem Abend durchgetanzt. Ich gebe sehr viel auf deine Versprechen, das weißt du." Er grinst mich an. "Wenn ich etwas verspreche, halte ich es natürlich." Langsam beugt er sich runter, um mich zu küssen, aber es klopft an der Tür und wir halten seufzend inne. "Ja?", fragt Lucian etwas barsch. Pedro kommt rein und zieht den Kopf ein, als er Lucians Miene sieht. "Majestät, ich störe wirklich ungern. Schon wieder." Er tippt auf seine Uhr. "Sie müssen wirklich zu Ihren Gästen zurückkehren." Der König verdreht die Augen, küsst mich flüchtig und lässt mich los. "Also schön. Ab morgen haben wir ja Ruhe.", murmelt er, nimmt meine Hand und führt mich raus.

Sei meine KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt