10 ~ Hajoon

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Sie wirft mir ein Handtuch zu, was ich auf die Schnitte drücken soll, während sie noch nach einem Verband oder ähnlichem sucht. Währenddessen versuche ich das ganze irgendwie zu erklären.

"E-es tut mir so Leid, ich h-habe das nicht mehr ausgehalten. Dieses ewige Anschreien, die Schläge, der Notendruck einfach alles. I-ich wollte nur, dass ich wenigstens kurz an etwas anderes denken kann und mir nicht immer nur Sorgen um alles machen muss. Ich mache das nicht wieder, versprochen!" Das war eine Lüge, aber sie soll sich nicht noch mehr Sorgen machen. Es hilft schon und wenn sie mir jetzt indirekt zeigt, wie man das passend versorgt, kann ich das nächstes mal ja auch selbst.

"D-das will ich hoffen! Jetzt zeig mal deinen Arm, hat es schon aufgehört zu bluten?" Ich strecke ihn ihr wortlos entgegen, die Blutung hat wirklich schon fast aufgehört. Ich habe anscheinend über reagiert, so tief sind die Wunden gar nicht.

"Ich binde dir jetzt erstmal nen Verband drum, mach da morgen früh oder so nochmal Salbe drauf, sonst bleiben da Narben. Ah, was machst du nur für Sachen Hajoon?"

"B-bitte erzähl das nicht unsern Eltern, erst recht nicht unserem Vater, der bringt mich noch um."

"Mache ich nicht, keine Sorge. Aber bitte hör auf damit"

"Ich versuche es, das bringt mich ja doch nicht weiter." Sie nickt mir noch zu und verlässt das Bad, ich höre noch wie sie leicht schluchzt, als sie aus meinem Zimmer geht und dann wird es ruhig. Ich sehe um mich, auf dem Boden liegt ein blutgetränktes Handtuch, mein Pulli ist auch voll damit. Auf dem Boden ist immer noch diese kleine Blutlache, das muss ich jetzt erstmal alles sauber machen. Auch wenn mir noch etwas schwummerig ist, ich werde es wohl schaffen mir einen neuen Pulli anzuziehen.

Nachdem das getan ist, mache ich mich daran, die Blutspuren wegzuwischen. Auch, wenn wir Putzfrauen haben, ich will nicht, dass sie meinem Vater irgendwie mitteilen, dass mit mir etwas nicht stimmt. Ich nehme einfach den schon vollgebluteten Lappen von eben, dann mache ich nicht so viele dreckig. Die Ärmel habe ich jetzt hochgekrempelt, sodass kein Blut an meinen Pulli kommt, den habe ich ja jetzt erst neu angezogen. Ich habe es gerade geschafft, das ganze Blut wegzuwischen und den Lappen in den Wäschekorb zu schmeißen, da reist mein Vater die Tür auf. Ich dachte, ich hätte sie abgeschlossen?

"WIESO HAT DEINE SCHWESTER GEWEINT? Das ist bestimmt wieder deine Schuld, ich habe sie gerade in der Küche getroffen und sie hatte ganz geschwollene Augen. Sie muss doch glücklich wirken, wenn sie in der Öffentlichkeit steht, du kannst sie nicht einfach so zum weinen bringen!"

"Woher willst du denn wissen, dass ich das war? Vielleicht hat sie auch wegen etwas ganz anderem geweint."

"Bitte, das letzte mal als ich sie weinen gesehen habe ist, als du mal dank meiner Schläge ohnmächtig wurdest, es kann nur an dir liegen."

Ich habe ihr nur etwas von-"

"Ich will es gar nicht wissen! Du Nichtsnutz, bring sie nicht wieder zum weinen. Wieso bist du nicht so gut in der Schule wie sie, ist das so schwer? Und was hast du da überhaupt am Arm, ritzt du dich jetzt oder was? So kannst du nie in die Öffentlichkeit."

"Du hast ein Glas nach mir geworfen, was mir in den Arm geschnitten hat, schon vergessen? Daher kommt der Verband!"

Er kommt auf mich zu. Ich glaube ich habe ihn provoziert. Er greift nach meinem Arm, jedoch schaffe ich es einen Aufschrei zu unterdrücken, sonst fällt das noch auf. Jedoch drückt er fester zu, drückt mich mit meinem Arm bis zur Wand. Er schubst mich dagegen, dazu ist aktuell auch nur ein kleiner Schlag gegen meine Brust nötig, dank der Rippe. Ich muss sowieso regelmäßig Schmerztabletten nehmen, aber wenn er dagegen schlägt ist es nicht schwerer auszuhalten. Er schlägt noch mehrmals dagegen, bis ich meine Arme schützend davor ziehe und mich hinhocke. Ich bekomme schlecht Luft. Mein Vater scheint dann fertig zu sein, da ich höre wie sich Schritte entfernen und ich die Tür zufallen höre.

Nachdem ich wieder zu Atem gekommen bin, mache ich mich erstmal auf den Weg in die Küche, ich will nicht nochmal umfallen, das wäre schlecht für meine Rippe. Und auch so für mich.

"Iss nicht so viel, du hast sowieso schon nicht gerade die beste Figur." Na wunderbar, das war ja klar. Er ist natürlich auch in der Küche, er sitzt mit einer Tasse Kaffee am Esstisch. Ich lasse das Brot liegen und gehe nach oben. Wenn er meint, dass es gut wäre wenn ich auch noch Magersüchtig oder so werde, dann bitte. Ich kann ihm ja zumindest vormachen, ich würde weniger essen, vielleicht schlägt er mich dann nicht so oft.

In meinem Zimmer angekommen lasse ich mich auf mein Bett fallen, ohne irgendwas zu tun liege ich jetzt dort.

Irgendwo hat er ja Recht, ich war wirklich nie der dünnste. Ich war immer normal gebaut, allerdings häufig etwas stämmiger als die anderen. Vielleicht sollte ich wirklich einfach etwas abnehmen, so 5 Kilo oder so. Ach, was rede ich da, wieso lasse ich mich von ihm beeinflussen?

Ich entschied einfach, mich schlafen zu legen, es ist eh schon spät und ich muss morgen in die Uni.

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Es ist immer das gleiche, aufwachen durch den Wecker, unter Beleidigungen frühstücken, zur Uni gefahren zu werden, ein ätzender Tag mit Vorlesungen, die mich nicht mal interessieren, da ich nicht mal freiwillig studiere. Inzwischen ist es Mittagspause, wir haben heute Nachmittag auch noch Vorlesungen weshalb ich in der Mensa mit ein paar anderen Studenten aus meinem Kurs esse. Ich esse nicht so viel, nur so eine halbe Portion ungefähr, mir ist heute irgendwie der Appetit vergangen.

Auf einmal wird mir schwummerig, weshalb ich mich entschuldige und schnell auf die Toilette verschwinde und mich einschließe. Meine Atmung wird schneller, ich merke wie ich immer panischer werde, da kommt mir ein Einfall. Die Klinge, ich habe mir eine in den Rucksack gesteckt für solche Situationen, es hilft mir, mich zu beruhigen. Ich muss ja auch nicht tief schneiden, nur so viel, dass ich den Schmerz spüre. Ich krame sie mit zitternden Händen aus der Tasche, rolle meinen Ärmel hoch und wickele ein Stück meines Verbands ab. Ich setze die Klinge über den noch relativ frischen Schnitten an und ziehe ein paar Mal durch meinen Arm, drücke Klopapier auf die Wunden. Ich habe zwischendrin schon gemerkt, dass sich meine Atmung beruhigt, ich mich entspanne. Jetzt bin ich wieder ruhig. Ich habe das öfter, dass ich so in Panik gerate, wenn ich unter zu vielen Menschen bin, woran das liegt weiß ich selbst nicht so genau.

Die blutgetränkten Stücke Klopapier, die ich mir auf den Arm gedrückt habe, werfe ich in die Toilette, den Verband wickele ich mir wieder über die Schnitte, sodass sie nicht meinen ohnehin schwarzen Pulli vollbluten können. Es tut mir ja Leid für meine Schwester, aber es tut nun mal gut, es hilft bei Panikattacken und sowas, ich werde das wohl noch öfter machen.

Nachdem ich alles so weit sauber gemacht habe und die Klinge sicher verstaut habe, begebe ich mich wieder aus der Toilette, ca. passend für die nächste Vorlesung, da es jetzt kurz vor halb eins ist, da beginnt meine letzte Vorlesung für heute. Ich muss es nur noch diese Vorlesung schaffen, nicht meinen Pulli durchzubluten, danach ist es egal, das schaffe ich jetzt auch noch...

Drowned° ~ BTS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt