Kapitel 12

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Ich spürte eine vorsichtige Berührung an meinem Bein. Müde blinzelte ich. Durch halbgeschlossene Augen sah ich die schwarze Haarpracht des Assassinen. Er sass neben mir auf dem grossen Bett und legte mir rücksichtsvoll einen Verband um.
"Guten Abend", sprach er leise. Ich gab nur ein Grummeln von mir. Der Schmerz in meinen Gliedern raubte mir den Atem.
"Wir besitzen kein Schmerzmittel. Ansonsten hätte ich dir schon welches verabreicht." Illumi sah mich entschuldigend an.
"Schade", keuchte ich.
"Wie spät ist es denn?"
"Kurz nach Zehn."
"Dann habe ich etwa acht Stunden geschlafen", gab ich erledigt zurück.
"Drei Tage", korrigierte mich Illumi.
"Drei Tage und acht Stunden"
Überrascht riss ich die Augen auf. Der Kampf hatte mich wohl noch mehr Kraft gekostet als angenommen.
"War er inzwischen wieder da?", fragte ich vorsichtig. Der Zoldyck schüttelte den Kopf und erhob sich.
"Ich sehe später nochmals nach dir." Somit liess er mich mit meinen Gedanken allein zurück.

Hätte Hisoka mich töten können? Sowohl die Stärke, als auch den Willen hätte er dazu gehabt. Ich war mir nicht sicher, ob Illumi eingegriffen hätte, wenn der Magier sich doch dazu entschieden hätte, mich zu erlegen. Jedenfalls war ich überrascht, als er sich neben mir niederliess. In diesem Moment war er sich wohl auch nicht sicher, ob ich es war, oder Illumi in einer Maskerade gegen ihn gekämpft hatte. Die Schmerzen, denen ich ausgesetzt wurde, erklärten mir Illumis Entscheidung, lieber mich zu kontrollieren, als selbst anzutreten. Immerhin hatte ich ihn in die Sache reingezogen. Noch immer müde, zog ich mir die Decke bis zum Kopf. Seufzend kuschelte ich mich ins Warme.

"Da bist du ja!" Meine Beine wollten vor Angst nicht gehorchen. Der rothaarige Zauberkünstler jagte mit glitzernden Augen auf mich zu. Bei mir angekommen sprang er mich mit ungeheurem Tempo an und schlang seine Arme um mich. In der Luft drehte er uns so, dass ich auf ihm landete. Aber selbst nach dem Aufprall löste er die Umklammerung nicht. Ich krallte meine beiden Hände in sein schwarz-rotes Oberteil. Seinen Duft sog ich bis tief in die Lungen. Wie sehr ich seinen Geruch vermisste. Ich wollte so daliegen, für immer. Doch seine Arme entspannten sich immer mehr. Als ich in sein Gesicht blickte, schaute er nur träge zur Decke.
"Hisoka", sprach ich ihn verwundert an. Ich stützte meine Hände neben ihm auf den Boden und drückte mich hoch. Etwas nasses benetzte meine rechte Hand. Angeekelt verlagerte ich mein Gewicht und zog ich sie zurück. Doch gleich darauf starrte ich auf die rote Flüssigkeit, die von meinen Fingern tropfte.
"HISOKA!" Aus der Wunde in seiner Seite strömte das Blut über den Parkettboden. Zitternd drückte ich meine Hände auf die Verletzung und versuchte mein Nen einzusetzen. Es funktionierte nicht. "Ich werde Hilfe holen!", flüsterte ich ihm mit Tränen in den Augen zu und drückte meine Lippen verloren auf seine Wange. Zitternd stand ich auf und hetzte los. Irgendwo musste doch jemand sein. Ich lief und lief, doch ich konnte niemanden finden. Also rannte ich an den Ort zurück, an dem ich den Magier verlassen hatte. Als ich ankam war niemand mehr da. Nur eine riesige Blutlache war noch zu sehen.
"Hisoka, HISOKA", verwirrt schreiend drehte ich mich im Kreis. Kraftlos sank ich weinend zu Boden.
"Ganz ruhig. Ich bin doch hier", hörte ich seine angenehme Stimme. Eine Hand strich über meine Wange.

Ich fuhr erschreckt aus meinem Bett auf. Erschüttert schweifte mein Blick durch den Raum. Der Traum hatte sich so glaubhaft angefühlt. Ich beruhigte langsam meinen schnellen Atem. Es war nur ein Traum!, redete ich mir gut zu. Fröstelnd bemerkte ich, dass das Fenster offen stand und erhob mich um es zu schliessen. Auf der Fensterbank lag ein kleines Rechteck. Langsam hob ich die rot karierte Karte an. Die andere Seite zeigte den Herz König. Ich legte mich wieder ins Bett. Wehmütig betrachtete ich die Karte. Sie bedeutete wohl, dass der König Gnade hatte walten lassen und mein Leben verschonte. Sie erinnerte mich an den Zauberer. Obwohl mir die parallelen zwischen ihm und dem Joker aufgefallen sind, sehe ich ihn eher als Herz König.

Ich war schon fast wieder eingedöst, als jemand mit einem Ruck meine Tür öffnete.
"Du musst deine Sachen packen", meldete sich der Eindringling ohne umschweife zu Wort.
"Ich habe einen wichtigen Auftrag erhalten und hier bist du allein nicht sicher. Wir brechen in einer halben Stunde auf!" Schon rauschte er wieder aus dem Zimmer. Krächzend machte ich mich an die Arbeit. Die Bandagen um meinen Körper liess ich vorerst an ihrem Platz. Auf die Sekunde genau holte mich Illumi 30 Minuten später ab. Er deutete auf ein schwarzes Auto und setzte sich hinters Steuer.

In einem Affentempo schleuderte er uns durch die Strassen. Entsetzt stellte ich fest, dass ich ihn tatsächlich noch nie habe fahren sehen und einfach angenommen hatte, dass Fahrstunden zu seiner Assassinenausbildung gehörten. Mir war speiübel als wir endlich am Luftschiffhafen ankamen. Sobald das Auto zum Stehen kam, riss ich die Tür auf und stieg aus. Schwankend hielt ich mich an daran fest, um meinen aufkommenden Mageninhalt wieder herunterzuschlucken. Illumi schien das Ganze nichts ausgemacht zu haben. Er schnappte sich sein und mein Gepäck.
"Wir müssen uns etwas beeilen", wies er mich an. Nachdem ich noch ein paar Mal tief Luft geholt hatte, nahm ich ihm meinen Koffer ab und folgte ihm. Vor dem Luftschiff angekommen, welches mich mitnehmen würde, drückte mir ein Ticket in die Hand. Gleich darauf verschwand er in der Masse. So setzte auch ich mich in Bewegung. Der Kontrolleur warf nur einen kurzen Blick auf die Karte und winkte mich sogleich durch. Verblüfft setzte ich mich an den mir zugewiesenen Platz. Das Ticket musste ja echt teuer gewesen sein, wenn ich einen so tollen Sitz dafür bekam. Neugierig zog ich die Karte wieder aus meiner Tasche und staunte nicht schlecht. Illumi hatte mir tatsächlich eine Hunter Lizenz zugesteckt. Dieser Typ hatte echt an alles gedacht. Das Logo auf der Karte erteilte ihrem Besitzer die Zulassung zu einigen vorteilhaften Dingen, wie beispielsweise den Zugang zu kostenlosem Reisen.

Melancholisch sah ich aus dem Fenster. Nun war ich wieder allein. Auf dem Weg in eine Stadt, die ich schon immer hatte besuchen wollen, jedoch aus einem anderen Grund. "In drei Stunden und 32 Minuten erreichen wir den nächsten Halt. Wir wünschen Ihnen einen guten Flug", erklärte eine rauschende Stimme aus einem Lautsprecher. Nervös dachte ich an das Ziel meiner Reise. Illumi meinte, dass dort viele reiche und begehrte Menschen leben. Du kannst sie dir zu nutze machen und dich in einem gut beschützten Haus ansiedeln. Den Charme dazu hatte ich ja.

An der Endstation würde ich aussteigen: York New City.

Why him...  // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt