Kapitel 5

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Die nächsten Tage vergingen ohne spezielle Vorkommnisse. Ich hatte weder Tamaki noch den charismatischen Zauberer wieder gesehen. Pfeifend stand ich in der Küche und goss mir einen Pefferminz Tee ein. Ich hatte mir von der Arbeit eine Auszeit genommen, nachdem diese Sache mit Tamaki passiert war. Die neugewonnene Zeit verbrachte ich mit meinem Training und dem Anatomie Studium, welchem ich mich schon als Kind vollständig verschrieben hatte. Jeden Tag verbesserte ich mein Zetsu und Ren und lernte danach bis tief in die Nacht. Neben den Tee stellte ich nun auch ein Glas Wasser, auf welchem ein Blatt schwamm. Ich wollte nun endlich mit Hilfe des Wasserorakels herausfinden, in welche Richtung ich meine Fähigkeiten ausbauen konnte. Also konzentrierte ich meine Aura auf das Wasser. Eine lange Zeit passierte nichts und ich versuchte noch meine Aura stärker zu aktivieren. Zwei Stunden später lehnte ich mich erschöpft im Stuhl zurück. Warum passierte nichts?! Wütend stand ich auf und wollte das Wasser wegkippen. Doch zwischen dem plätschern des Wassers im Waschbecken, hörte ich leises rieseln. Als ob kleine, harte Objekte auf die Chromstahloberfläche trafen. Verwundert betrachtete ich das Wasser im Glas, in dem nichts zu sehen war. Im Waschbecken lagen kleine durchsichtige Steinchen. Bin ich Typ Materialisation? Überrascht drehte ich mich um, mein Ärger war wie verflogen und ich setzte mich an den Computer. Nach einiger Recherche war ich überzeugt, dass ich meine Fähigkeiten in der Materialisation finden konnte. Aber was sollte ich materialisieren? Waffen, andere Lebewesen, Objekte, es gab so viele Möglichkeiten. Seufzend schloss ich meinen Laptop, stand auf und lehnte meine Stirn ans kühle Fenster. Die letzten Sonnenstrahlen trafen auf die Menschenmenge im Park. Spazierende Ehepaare, lachende Kinder und Jugendliche in grossen Gruppen sassen am Rand des Teiches und hörten Musik. Sie sprachen wild durcheinander, aber bald würden sie alle wieder mit ihren Liebsten zusammen, Zuhause das Abendessen zu sich nehmen und einander erzählen was am Tag passierte. Grummelnd meldete sich mein Magen zu Wort. Mit bedrückter Miene ging ich in die Küche und fragte mich, was ich essen sollte. Schliesslich entschied ich mich für gegartes Gemüse mit Reis. In Gedanken versunken begann ich das Gemüse zu schneiden. Ich dachte an Tamaki. Sollte ich Waffen materialisieren können? Ein Dolch, eine Pistole, oder etwas grösseres? Ein stechender Schmerz unterbrach meine fortschreitende Imagination.

Wie zum Henker hatte ich mir dieses Messer in die Handfläche gerammt!? Ich zog es verwundert raus und hätte mich für meine Dummheit gleich nochmals erstechen können. Blut schoss aus meiner Hand und ich rannte ins Bad. Irgendwo hatte ich doch noch Verbandszeug. Nachdem ich versuchte die Blutung zu stillen und zu desinfizieren, wickelte ich eine Bandage als Druckverband fest um meine Hand und knotete sie zu. Im Spiegel blickte mir ein leichenblasses Selbst entgegen. Mir war bewusst, dass ich gerade die Arterie des Oberflächlichen Hohlhandbogens durchtrennt hatte und dass diese Verletzung mich, unbehandelt, das Leben kosten könnte. Ich versuchte die Nerven zu behalten und streckte die Hand weit nach oben, damit so wenig Blut wie möglich aus mir heraustrat. Ich stöhnte wütend auf. Musste das gerade jetzt sein, an dem Tag an dem ich meinen Nen Typ herausgefunden habe!? Blitzartig schlug eine Idee ein. Ich konnte doch versuchen, die beiden Enden der Arterie mittels Materialisation zusammenzufügen. Dies stellte sich als deutlich schwieriger heraus als zu Beginn gedacht. Durch mein vorangegangenes Training und die unwirkliche Schwere dieser Verletzung konnte ich mich nur schlecht fokussieren. Dennoch spürte ich, wie der Druck auf das umliegende Gewebe langsam abnahm und sich die Arterienteile zusammenschlossen. Erleichtert setzte ich mich auf den Boden, den von Blut durchtränkten Verband nahm ich ab und ersetzte ihn durch einen neuen. Ein Klopfen ertönte, aber ich konnte nicht erraten aus welcher Richtung das Geräusch kam. In meinem Kopf drehte sich alles. Wahrscheinlich waren dies bereits die Auswirkungen des Blutverlustes. Ich schloss die Augen, hörte aber noch wie jemand meine Haustüre öffnete und meinen Namen rief. Dann versank ich in tiefem Schlaf.

Benommen öffnete ich die Augen. Ich lag immernoch in der mittlerweile getrockneten Blutlache. Ich hatte Bärenhunger und meine Beine fühlten sich taub an. Also wartete ich noch eine Weile während ich meine Hand begutachtete. Der Schnitt war noch immer tief, aber die rote Arterie sah gänzlich unberührt aus. Ich versuchte erneut aufzustehen und zu meinem erstaunen gelang es mir diesmal. Der Teppich in meiner Wohnung sah grauenhaft aus. Eine lange Blutspur zog sich von der Küche bis ins Bad. Trotz meiner Erschöpfung ging zum Kühlschrank und holte mir ein vorgekochtes Gericht raus. Ich schickte imaginäre Dankesbriefe an mein vergangenes Ich und wärmte das Essen. Mit den zwei Esstäbchen bewaffnet, setzte ich mich an den Tisch und verschlang die ganze Schale. Ich war vollkommen mit den Resten meines Essens beschäftigt, bis etwas anderes meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein kleiner Zettel lag auf dem Tisch. Ich zog ihn zu mir und las:

"Als ich vorbeikam und das ganze Blut sah, dachte ich zuerst dich habe jemand umgebracht. Wäre schade um deinen schönen Körper gewesen." Wie charmant!
"Aber nachdem ich mich vergewissert habe, dass du überleben wirst, habe ich meinen Tagesplan wieder aufgenommen. Ruf mich an wenn du dich erholt hast. Aber beeil dich.

PS: Ich hab dir trotzdem Geld dagelassen
PPS: Mach dir keine Sorgen mehr um den Hund Tamaki, ich habe mich darum gekümmert"

Die Notiz war nicht unterzeichnet, aber das war auch gar nicht nötig. Hisoka hatte seine unverkenntliche Art in die Notiz gestempelt. Trotzdem lag unter der Notiz eine Karte. Es war die Herz Vier. Ich musste bei ihrer Betrachtung seufzen und dachte an unsere Abmachung: Schaffte ich es die Bedeutung einer Karte zu der gegebenen Situation zu erkennen, so hatte ich bei ihm einen Wunsch frei. Bisher ist mir das jedoch noch nie gelungen. Aber diesmal habe ich wirklich gute Chancen zu gewinnen.

Ich ging zurück ins Bad und stellte mich in die Dusche. Der Verband widerstrebte meinem Versuch ihn zu lösen. Infolgedessen begann die Verletzung von neuem zu bluten. Ich begann leise zu singen, konzentrierte mich, schloss die Augen und versuchte alles, was ich im Studium gelernt hatte abzurufen. Unter grosser Anstrengung schaffte ich ein wenig Gewebe über der Arterie zu verschliessen. Ich wusch das Blut weg und verband die Hand aufs neue. Mir fiel keine Idee ein, wie ich die Fähigkeit nennen wollte. Aber das drängte ja auch nicht. Was ich darüber wusste war bisher nur dass ich es konnte und den Effekt singend verstärkte.

Den restlichen Tag verbrachte ich vor dem Fernseher und schaute mir langweilige Comedy-Serien an. Als die Nachrichten kamen, stellte ich die Lautstärke runter und wollte mir eine Tafel Schokolade holen, als plötzlich ein Bild von Tamaki neben der Reporterin eingeblendet wurde. Ich hastete zur Fernbedienung und stellte lauter.
"... Polizei mitteilte, wurde Hinamura Tamaki vor 6 Tagen als vermisst gemeldet. Nun, 2 Tage nach der grossen Suchaktion in Zaban City und den umliegenden Gebieten, wurde seine Leiche gefunden. Der Polizeisprecher des Bezirks erzählte von solch grausamen Bildern, dass diese der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden können. Niemand scheint Zeuge der Tat gewesen zu sein und auch keine Terrororganisation bekannte sich zu diesem unmenschlichen Mord". Das Bild zeigte die Kamerateams vor Ort, die von der Polizei aufgehalten wurden, den aufgestellten Sichtschutz zu durchqueren. Die Kamera schwenkte zu den Spezialenheiten, die gerade aus schwarzen Lastern stiegen. Man sah im Hintergrund einen Polizisten, der leichenblass seiner Kollegin über den Rücken strich, während sie sich übergab.

Ich schaltete den Fernseher aus und starrte meine Silhouette in der dunklen Scheibe an. Dass ich nicht bemerkte, dass eine Stadtweite Suchaktion durchgeführt wurde, konnte ja noch durch die trostlose Gegend, in der ich wohnte, erklärt werden. Aber weshalb sollte die Polizei nicht bei mir auftauchen, nachdem ich den Morgen vor seinem Verschwinden mit ihm verbrachte? Kaum hatte ich diese Frage zu Ende gedacht, klopfte es an der Tür.

Why him...  // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt