Kapitel 35

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Pakunoda hatte heute Morgen meinen Koffer vor Phinks Tür gestellt, sodass ich endlich wieder meine eigenen Kleider anziehen konnte. Nachdenklich kippte ich den gesamten Inhalt auf Phinks Bett.
"Was soll ich bloss anziehen?", murmelte ich vor mich hin.
"Ich glaube, dieses Teil würde dir ganz gut stehen." Phinks hielt grinsend mein rotes Spitzen-Dessous in die Höhe. Gespielt empört nahm ich es ihm aus der Hand. Eine Erinnerung schoss in meinen Kopf. Ich hatte genau dieses Stück getragen, als ich das letzte Mal mit Hisoka geschlafen hatte. Bevor mein Leben eskalierte. Vor dieser waghalsigen Flucht. Mein Körper hatte sich nach ihm verzehrt. Ich hatte es geliebt, spontan eine Nachricht von ihm zu erhalten, im Ungewissen, was mich erwartete. Nichtsdestotrotz wusste ich genau, wie sehr es ihn erregte mich zu dominieren und ich gab mich ihm völlig hin, weil ich ihm vertraute. Plötzlich vermisste ich ihn, seine Berührungen, seinen amüsierten Gesichtsausdruck, seinen Körper nah an meinem. Ich hatte ihm mein Leben anvertraut und nun wollte er es mir nehmen.
"Alles in Ordnung?", holte mich Phinks leise aus den Gedanken. Ich nickte nur und legte die Unterwäsche zur Seite. In meinen Kleidern wühlend fand ich ein rotes Top, das ich mit einer schwarzen Hotpants kombinierte. Eine hellbraun karierte Flanelljacke komplettierte meine Wahl.

Zufrieden mit meinem Outfit ging ich ins Bad, um es anzuziehen. Danach stand ich mit meinem Messer in der einen und einem Kamm in der anderen Hand vor meinem Spiegelbild. Ich hatte meine Haare bisher immer lang getragen. Doch nun war die Zeit der Veränderungen. Zwischen meinen Fingern hielt ich die vorderste Strähne. Ohne darüber nachzudenken schnitt ich sie durch. Auf diese folgten weitere. Lächelnd betrachtete ich das Endergebnis. Jetzt endeten meine Haare ungefähr in der Hälfte zwischen Kinn und Schulter. Mir gefiel diese Länge sehr. Ich drehte meinen Kopf vor dem Spiegel hin und her und liess die kurzen Haare fliegen. Mit Eyeliner und Maskara betonte ich meine Augen. Dann wandte ich mich meinem Schmuck zu. Zwei goldene Ohrringe steckte ich mir an und eine goldene Kette mit einem diamantenbesetzten Stern. Überrascht fand ich einen Ring, der im Gegensatz zu den anderen Schmuckstücken aus echtem Gold bestand. Der rothaarige Magier hatte ihn mir geschenkt, nachdem wir uns das erste Mal vergnügt hatten, weil er kein Geld dabei hatte. Mit einem melancholischen Lächeln streifte ich ihn mir über den linken Zeigefinger. Ich betrachtete mich im Spiegel. Ich sah genau so aus, wie ich mich fühlte. Das bin ich!

Ich verliess das Zimmer und begab mich zum grossen Saal, in dem wir gestern gegessen hatten. Noch bevor ich die Tür dahin öffnen konnte pfiff mir jemand hinterher. Ich drehte mich zerstreut um. Shalnark kam angeschlendert.
"Sieht gut aus" Hinter ihm folgten Shizuku und Feitan, der mir einen seltsamen Blick zuwarf, den ich nicht deuten konnte. Ich bedankte mich höflich und betrat dann gemeinsam mit ihnen den Raum. Die anderen sassen schon am Tisch. Nur Phinks und Uvogin standen am Fenster und diskutierten über etwas, das draussen vor sich ging. Ich schlich mich mit Zetsu an sie ran. Dann sprang ich dem Blonden auf den Rücken. Phinks erschrak so heftig, dass er sich den Kopf an der Scheibe vor ihm anschlug. Lachend rannte ich weg. Er jagte mich ein paar Runden um den Tisch. Ich distanzierte mich aber immer schön auf die gegenüberliegende Seite. Er setzte nach rechts an, also rannte ich nach links. Das Bein, das mir in den Weg gestellt wurde, sah ich zwar, konnte aber nicht mehr reagieren. Ich flog flach auf die Nase.
"Shalnark...", schmollte ich wie ein kleines Kind.

"Könnt ihr euch langsam setzen? Wir haben noch etwas zu besprechen", sagte Chrollo ungeduldig, der ganz oben am Tisch sass. Also platzierten wir uns alle auf den Stühlen und sahen ihn erwartungsvoll an.
"Punkt Nummer Eins: Wir warten mit der Beschaffung des gläsernen Atlas noch mindestens zwölf Wochen. Die Polizei überwacht das Anwesen strengstens. Also lassen wir die Sache eine Weile ruhen. Punkt Nummer Zwei: Bis wir soweit sind, werden wir mit unserem Gast trainieren. Es steht euch frei, ob ihr das tun wollt oder nicht. Was ihr lehren wollt steht euch ebenfalls frei. Wir haben drei Monate Zeit zu verbringen. Punkt Nummer Drei: Unser fehlendes Mitglied wird uns erst in ein paar Wochen mit seiner Anwesenheit beehren."
"Dieser Clown, warum lassen wir uns das gefallen!", fluchte Feitan vor sich her.
"Fragen, Anmerkungen?" Chrollo sah in die Runde.
"Wir übernehmen heute Morgen", stellte sich Phinks bereit und zeigte auf sich und Uvogin.
"Dann organisiere ich den Nachmittag", schlug Feitan vor.
"Am Abend wirst du mit mir trainieren. Dann guten Appetit", verfügte der Boss.

Nach dem Essen folgte ich Uvogin gespannt durch die Gänge. Phinks wollte sich noch umziehen und dann nachkommen. Überrascht stellte ich fest, dass wir an dem Ort ankamen, an dem ich gegen Kasai gekämpft hatte. Seine Leiche lag noch immer da. Ich trat vor sie hin. Obwohl ich versuchte den Gestank des verwesenden Körpers auszublenden, stach er in meiner Nase.
"Bereust du es?", brummte Uvogin.
"Keine Sekunde", antwortete ich ehrlich. Nachdem Uvogin die Leiche weggeräumt hatte, betrat Phinks in einem grünen Gucci Trainingsanzug den Raum. Ich klatschte in die Hände.
"So was machen wir? Fesselst du mich wieder an die Säule und verprügelst mich?", witzelte ich den Blonden an.
"Vielleicht", grinste er zurück.
"Nein, wir bringen dir praktisch die Grundlagen für einen Faustkampf bei." Skeptisch sah ich die beiden an. Sie waren ohne Zweifel die stärksten Mitglieder der Phantom Troupe was Muskelkraft anging.
"Wir halten uns schon zurück", versicherte mir Uvogin.
"Zeig uns mal deine Kampfposition"

Ich stellte mich hin, wie Illumi es mit meinem Körper getan hatte.
"Nicht schlecht, so würde man stehen, wenn man in der linken Hand eine Waffe hätte. Aber wir stehen unserem Gegner unbewaffnet gegenüber. Dann musst du aufrechter stehen, die Hand etwas weiter hoch nehmen und deine Beine noch ein bisschen näher zusammen." Uvogin schritt um mich herum und korrigierte meine Haltung.
"Wenn du es nicht tust..." Er platzierte die flache Hand auf meinem Rücken und drückte kurz zu. Schlagartig fiel ich nach vorne.
"..., dann bist du zu instabil"

Sie erklärten mir die Grundlagen der Haltung und die Arten des Angriffs mit den Fäusten. Aber auch wie ich sie erkannte, parierte und selber Raum für einen Angriff schaffen konnte. Ich war überrascht, wie sachlich die beiden das Thema angingen. Wir kämpften zur Übung in Slow-Motion. So konnte ich mir genau einprägen wie ich zu reagieren hatte.

Mittags war ich schon völlig erledigt. Das Essen war bereits serviert und es duftete herrlich.
"Wer kocht denn hier so gut?", fragte ich erstaunt und holte mir Nachschlag.
"Ich übernehme das Kochen, wenn wir alle zusammen sind", säuselte eine Stimme, die mich in ihrer Zerstreutheit stark an Illumis erinnerte.
"Kortopi das schmeckt genial!", versicherte ich und schlang es in mich hinein.

Vollgegessen lief ich neben Feitan her. Ich wunderte mich, dass er angeboten hatte mich zu trainieren. Vor allem fragte ich mich aber, was er mich lehren wollte. Er führte mich in einen anderen Raum, als seine Kollegen zuvor. Er war um einiges grösser und es lagen viele Geröllhaufen herum. Eine Treppe führte zu einem Balkon, der im Innern lag und nur eine tiefgelegene Eisenstange als Geländer besass. Einige Rohre führten wie wilde Schlangen quer durch den Raum. Unsicher lächelte ich ihn an. Was wird mich jetzt erwarten?

Why him...  // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt