Kapitel 32

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Als ich umgeben von fünf vollbewaffneten Beamten die Treppe hinunterging, sah ich Feitan noch immer in der Schlange stehen. Natürlich starrten mich alle an.  In meinem Kopf spielte 'Happy Face' von Jagwar Twin. Aus Spass starrte ich eine wildfremde Frau an, die mit ihrem kleinen Dackel einige Personen weiter hinter meinem Bekannten stand. Sie sah mich zwar verwirrt an, die Streitkräfte erkannten aber meinen Versuch, mit ihr eine stille Unterhaltung zu führen. Sofort stürzten sie sich auf die ratlose Dame. Der Mann hinter mir stupste mich grob an, dass ich weiterlaufen sollte. Kichernd durchschritt ich die Haupthalle, wurde aber vor dem Eingang wieder ernst. Sowie wir die Türen passierten, umzingelten uns Fotografen und Journalisten. Wir stoppten kurz, damit die Polizisten vor mir einen Weg durch die Presse schlagen konnte. Eine blonde Journalistin hielt mir ihr Mikrofon entgegen.
"Haben Sie der Welt etwas mitzuteilen?"

"They say, 'Put on a happy face!'
Cause we're
Tic tock
Tic tock
Ticking like a time bomb", zitierte ich aus dem Lied, das mir gerade durch den Kopf spukte. Mit einem unbeugsamen Lächeln schaute ich geradewegs in ihre Kamera. Dann wandte ich mich von der verunsicherten Journalistin ab und folgte den Beamten, die es endlich geschafft hatten, einen Durchgang zu bilden. Einen rechts und einen links von mir, sass ich gequetscht in dem vergitterten Polizeiauto. Der Fahrer beschleunigte das Auto sofort und wir bogen auf die Hauptstrasse ein. Keiner Sprach ein Wort.

"Der Boss will sie in die Spezialeinrichtung bringen", sprach plötzlich der Fahrer. Die beiden Männer neben mir murmelten zustimmend. Sie beobachteten mich die ganze Zeit. Gelangweilt gähnte ich und sah aus dem Fenster. Shalnark wird schon einen Plan haben, dachte ich. Der Lenker stoppte den schwarzen Wagen vor einem betonverkleideten Block ohne Fenster. Gleich nachdem der linke Polizist ausgestiegen war, rasten wir wieder los. Durch eine schlingernde Rechtskurve knallte die Tür wieder zu und ich wurde gegen den verbleibenden Beamten gedrückt. In beiden gefesselten Händen, materialisierte ich je ein Messer. Eines schaffte ich ihm in die Seite des Beins zu stossen, das andere fiel aus meiner Hand. Bevor er es gegen mich verwenden konnte, liess ich beide wieder verschwinden. Da der Innenraum zu wenig Platz bot, um das Gewehr zu nutzen, musste er sich mit seinen Händen verteidigen. Ich gab mir allergrösste Mühe, meine essentiellen Organe von ihm abzuwenden, doch egal wo er mich traf, tat er es mit aller Härte. Der Wagen stoppte. In dem kurzen Moment griff er mit beiden Händen nach meinem Kopf und wollte mir das Genick brechen. Er wurde aber unerwartet nach hinten aus dem Auto gerissen. Der Blonde, der ihm draussen den Kopf einschlug, seinen Schlüssel abnahm und seine Leiche dann im Kofferraum verstaute, setzte sich danach neben mich. Der Fahrer fädelte sich wieder in den Verkehr ein.

"Rettung in allerletzter Sekunde!", schnaufte ich erleichtert auf.
"Dann wäre doch ein Danke angebracht", grinste der Mann neben mir und löste meine Handschellen.
"Phinks mein Held, Retter in der Not..." Ich warf mich an seinen Hals und blinzelte zu ihm hoch.
"Mein Leben ist schon an mir vorbeigezogen, aber dank dir, hat es wieder einen Sinn bekommen." Theatralisch hielt ich meinen Handrücken an die Stirn und liess mich auf seine Beine fallen.
"Wie kann ich dir bloss für diese holde Geste danken?" Er lachte kopfschüttelnd. Ich setzte mich wieder auf. Dieser Kampf würde mir einige blaue Flecken hinterlassen.

Wir wechselten das Auto auf einem verlassenen Parkplatz. Shalnark sass auf dem Beifahrersitz eines roten Jeeps. Er bediente mit einer Fernbedienung die Aktionen des Fahrers unseres Autos. Phinks setzte sich hinters Steuer und ich platzierte mich hinter ihm.
"Hast du die Nachricht verstanden?", fragte Shalnark aufgeregt.
"Der Boss?", antwortete ich grinsend. "Niemand nennt den Inspektor Boss! Na klar habe ich das verstanden."
Während uns der Grosse souverän durch den Verkehr chauffierte, leitete Shalnark den anderen Wagen mit etwas Abstand hinter uns her. Wir fuhren gerade über eine Brücke, als das Auto mit einem Affentempo an uns vorbeischleuderte, in die Absperrung prallte und in den Fluss fiel. Sofort begann ein riesiger Aufruhr, lautes Gehupe startete. Phinks liess sich davon nicht beirren. Seelenruhig steuerte er durch die Strassen, bis wir zurück in den Bruchbuden waren. Eine Weile später trafen auch die anderen wieder ein. Uvogin, Franklin, Feitan, Chrollo und Pakunoda entstiegem dem Auto. Ich sah sie grinsend an.
"Ein kleiner Zaubertrick?" Pakunoda lachte.
"Ja. Er hat sich auf jeden Fall gelohnt." Sie klopfte auf eine braune Tasche.

Wir betraten eines der Gebäude. In dem grossen Saal, standen wir interessiert um Chrollo, der vorsichtig den Blood Globe aus seiner Verpackung nahm. Die durchsichtige Kugel besass die Dimensionen eines grossen Kopfes. Er war nicht perfekt rund, sondern hatte ganz im Norden eine kleine Einbuchtung. Auf der südlichen Halbkugel war er komisch deformiert. Durch feine Handarbeit waren vor langer Zeit die Landmassen der ganzen Welt eingeritzt worden.
"Versuchen wirs mal." Chrollo schnitt sich in den Finger und Blut tropfte in das Loch oben. Gespannt beobachteten wir die Kugel. Es geschah...

...absolut nichts. Zehn Minuten warteten wir ungeduldig auf eine Regung, doch nichts passierte.
"Vielleicht fehlt noch ein Bestandteil?", dachte Shalnark laut nach. Ich schlug mir die Hand vor den Kopf und zeigte auf Pakunoda.
"Der gläserne Atlas!", erklärte ich, musste ihrem Gesichtsausdruck nach aber noch spezifischer werden.
"Von der Auktion"
"Natürlich!", erinnerte sie sich geistesgegenwärtig.
"Aber wo hat Kasai den hingetan?"
"Naja, er ist nicht so wertvoll wie der Blood Globe. Also wird er sich eher im Anwesen befinden. Wahrscheinlich im Safe hinter dem Gemälde in seinem Schlafzimmer."

Wir berieten uns, wie wir das fehlende Stück am besten in unsere Hände bekamen. Da es aber langsam spät wurde, verabschiedeten sich die Mitglieder allmählich und verschwanden in ihren Zimmern.
"Theoretisch könntest du im Zimmer unserer Nummer vier übernachten. Aber falls er doch noch auftaucht, würde er dich ohne zu zögern töten", meinte Phinks, als er sich erhob.
"Bei mir bist du natürlich immer herzlich willkommen", zwinkerte er mit einer kleinen Verbeugung.
"Vielen Dank", antwortete ich übertrieben freundlich. Grinsend liess er mich mit Chrollo allein. Ich schaute ihm kurz nach, wandte mich dann aber dem Boss zu. Wir schwiegen uns eine Weile an.

"Materialisation also...", murmelte er.
"Was kannst du?" Verwirrt sah ich ihn an.
"Was kannst du mit deinem Nen?"
"Naja, das Messer" Ich erschuf mein Messer und hielt es ihm hin: "und einmal habe ich versucht eine Blutung zu stoppen. Diese Narbe habe ich noch davon." Er betrachtete nachdenklich mein Wundmal. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit dem Dolch zu.
"Wie viele Messer kannst du maximal erstellen?" Ich zuckte mit den Schultern. Ich erhob mich und drehte mich seitlich zum Tisch. Dann materialisierte ich in beiden Händen ein Messer nach dem andernen und warf sie auf einen Haufen. Mit der Zeit wurde mir schwindelig. Von da an wusste ich, dass ich mein Limit bald erreicht hatte.
"137", meinte Chrollo, der offensichtlich mitgezählt hatte. Ich warf mich ausgelaugt in den Stuhl.
"Damit können wir was anfangen. Aber du solltest dir noch eine persönliche Fähigkeit überlegen, die dir im Kampf einen Vorteil verschafft." Ich nickte erledigt.
"Ich gehe jetzt glaube ich auch schlafen"

Müde schleppte ich mich die schiefe Treppe hoch. Hinter Feitans Tür hörte ich einen leisen Elektrobeat. Die Klinke zu Phinks Zimmer in der Hand, schaute ich auf die geöffnete Tür mit der grossen Vier auf der anderen Seite. Ein Mitglied fehlte, obwohl alle anderen hier waren. Das muss ein eigensinniger Mensch sein, dachte ich. Gähnend betrat ich das fünfte Zimmer. Unschlüssig, ob ich zuerst ins Bad oder mich gleich aufs Bett werfen sollte, stand ich am Eingang. Die Badezimmertür öffnete sich und Phinks kam heraus. Er hatte nur ein Handtuch um die Hüften gewickelt. Ich wandte verlegen meinen Blick ab, musterte ihn aber aus dem Augenwinkel. Phinks ist echt gut gebaut. Damit er sich in aller Ruhe anziehen konnte, bewegte ich mich in den Raum, den er gerade verlassen hatte.

Zehn Minuten später schleppte ich mich kraftlos zum Bett. Phinks sass darin, die Decke bis zum Bauch hochgezogen, las er in einem roten Buch. Zitternd schlüpfte ich zu ihm unter die Decke. Er legte das Buch weg, schaltete das Licht aus und legte sich zu mir gerichtet hin.
"Hast du kalt?", fragte er leise.
"Etwas", gab ich zähneklappernd zurück. Sanft schlang er beide Arme um mich und zog mich an seine nackte Brust. Mein Herz begann schneller zu klopfen. Ich war mir nicht sicher, ob er mehr wollte, als nur mit mir befreundet zu sein. Die wohlige Wärme, die er ausstrahlte heizte rasch meinen kühlen Körper, dennoch ich konnte nicht einschlafen. Die Frage machte mich ganz nervös, aber ich wusste nicht, wie ich sie stellen sollte.
"Phinks", flüsterte ich leise.
"Ja", grummelte er zurück.
"Sind wir Freunde...", begann ich vorsichtig, wurde aber zum Ende meiner Frage hin immer leiser.
"... oder willst du mehr?" Ich hielt angespannt den Atem an.
"Um ehrlich zu sein, du bist nicht ganz mein Typ", murmelte er schläfrig.
"Aber wärmen kann ich dich ja trotzdem." Seine Arme schlossen sich enger um mich. Beruhigt von seiner Antwort kuschelte ich mich an ihn.

Why him...  // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt