Kapitel 4

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Die Freiheit empfing mich mit tosendem Regen. Ich schloss die Augen und sog die frische Luft bis tief in meine Lungen. Kurz überlegte ich mir ein Taxi zu nehmen, verwarf aber den Gedanken gleich wieder, da keines in Sicht war. Lustlos trat ich meinen Heimweg an und war nach wenigen Metern schon klatschnass. Fluchend verschnellerte ich mein Tempo und zog die Kapuze meiner Jacke tiefer ins Gesicht. Auf einmal hörte ich den Regen auf einen Schirm über mir prasseln. Tamaki lief schief lächelnd neben mir. Enttäuscht schaute ich zurück auf die Strasse und wich einer Pfütze aus.
"Hast du jemand anderes erwartet?", lachte er und wusste offenbar nicht, wie Recht er hatte. Ich hatte schon irgendwie gehofft, dass es Hisoka sei. Genervt von mir selbst verdrehte ich die Augen. Wieso mich der Gedanke an diesen geheimnisvollen, heissen Typen aufregte war ja wohl klar. Tamaki verstummte wieder als ich nicht darauf ansprang.
"Deine Performance heute war eindeutig die beste.", versuchte er erneut ein Gespräch zu beginnen.
"Danke", antwortete ich distanziert und schlang die Arme um meinen frierenden Körper.
"Hier, du kannst meine Jacke haben." Tamaki legte mir sein Jacket um die Schultern und ich bedankte mich erneut. Obwohl ich dachte, dass das ungute Gefühl eines fernen Beobachters mit Tamakis erscheinen, verschwinden müsste, blieb es bestehen.

Vor meiner Haustüre blieb ich stehen und suchte den Schlüssel in meiner Handtasche. Fluchend wühlte ich darin und schob die Dinge hin und her.
"Suchst du das hier?". Tamaki hob die Hand und hielt meinen Haustürschlüssel klimpernd zwischen Daumen und Zeigefinger.
"Ja, danke", mein sarkastischer Ton war kaum zu überhören. Ich hielt die offene Hand unter seine und wartete darauf, dass er ihn losliess. Er lachte nur, schob die Hand hinter seinen Rücken und stützte sich mit der anderen neben mir an die Tür, sodass ich dazwischen eingeschlossen war. Genervt schaute ich ihm in die Augen.
"Hör mal Tamaki, ich habe einen langen Tag hinter mir und will nur nach Hause ins Bett. Wenn du nun so freundlich wärst und mir MEINEN Schlüssel zurückgibst wäre ich dir sehr dankbar." Er schüttelt bloss den Kopf.
"Was willst du dafür?" Tamaki grinste und hielt sein Gesicht dicht an mein Ohr.
"Zwei Dinge ...", begann er.
"Erstens: Du wirst mich an die Auktion begleiten und nicht das Schwein Akiba." Überrascht, dass er seinen Auftraggeber, nein wohl eher Besitzer, so hinterging, zog ich eine Augenbraue hoch.
"Und Zweitens: Ich komme mit in deine Wohnung und nehme dein Bett genauer unter die Lupe.", zwinkerte er mir zu und leckte über meine Ohrmuschel.
"Vergiss es!", winkte ich ab und zog meinen Kopf von ihm weg.
"Ich will das so!", meinte er mit ernster Stimme.
"Aber...", ich verstummte und mein Blick wurde glasig. Typ Manipulation, schoss es mir durch den Kopf. Warum bemerke ich das erst so spät!?
"Meine Fähigkeit: Honest Porcellan Doll!", grinste er böse und richtete sich auf.

Er schloss die Tür auf und widerwillig setzten sich meine Beine in Bewegung. Ich konnte nichts tun. Es war, als würden sie sich von selbst bewegen. Im Lift angekommen, drückte ich ungefragt die Nummer meines Stockes. Ich wollte schreien, ihn schlagen, wegrennen. Doch ich konnte nicht. So musste ich mitansehen, wie er meine Wohnungstüre öffnete und wir eintraten. Tamaki ging umher und schaute in alle Zimmer, ob wir endlich alleine waren. Es war offensichtlich, was gleich passieren würde.
"Setz dich aufs Sofa!", befahl er und ich gehorchte. Innerlich bereitete ich mich bereits auf das unvermeidliche vor. Der grosse Mann mit dem gepflegten Bart, setzte sich neben mich.
"Bin ich nicht attraktiv?", fragte er grossspurig.
"Nein" Sichtlich überrascht, dass dies offenbar meine ehrliche Meinung war, sprang er auf.
"Soll das heissen du würdest gar nicht mit mir schlafen wollen!?", seine wütende Stimme wurde lauter.
"Korrekt"
"Aber ich sehe doch immer wie du auf der Arbeit mit mir flirtest!", schrie er schon beinahe und ich blieb stumm. Was ein Idiot dachte ich, da mit Besuchern flirten offensichtlich zu meiner Arbeit gehörte.
"Ist ja jetzt auch egal", knurrte Tamaki und schubste mich seitlich, dass ich danach auf dem Rücken lag. Er legte sich auf mich und fing an, an meinem Hals herumzusaugen und zu lecken. Angeekelt aber unfähig mich zu rühren, liess ich es geschehen. Er wollte gerade von neuem ansetzen, als ich ein Klopfen an der Türe hörte. Tamaki wies mich an ruhig zu sein, aber es klopfte erneut.
"Du verhälst dich ruhig!", schnauzte er und ging zur Tür. Davor stand meine Nachbarin, Gott sei Dank.
"Entschuldigen Sie bitte die Störung, ich wollte meine liebe Nachbarin bloss fragen, ob sie mir Ihre Sojasauce fürs Morgenessen ausleihen könnte"
"Natürlich" Ich stand auf und ging in die Küche. Das kleine Fläschchen hing schwer in meiner Hand als ich es ihr überreichte. Die Augen der Frau begannen zu funkeln und Aura konzentrierte sich auf ihnen: Gyō.
"Sie sollten jetzt lieber gehen", wandte sie sich bedrohlich an meinen ungewollten Besucher. Ihre Wut erfüllte das ganze Haus.
"Und entfernen Sie ihr Nen von dem Mädchen, ansonsten bekommen Sie es mit mir zu tun!" Widerwillig folgte er den Anweisungen und verliess unter ihrer Aufsicht den Wohnkomplex. Sie kam zurück in meine Wohnung.
"Alles in Ordnung?" Ich nickte, bedankte mich und nahm die Sojasauce wieder an mich.
"Ach Kindchen, ich habe schon manchmal Angst um Sie, seit ich weiss wo Sie arbeiten und mit wem Sie sich treffen." Ich presste meine Lippen zusammen und konnte nicht antworten. Was für eine Antwort würde sie schon haben wollen.
"Schlafen Sie gut", lächelte sie und ging. Ich starrte noch eine Weile die verschlossene Türe an, drehte mich dann aber um und ging ins Bad. Nachdem ich mich abgeschminkt hatte stand ich unter die Dusche. Ich wollte dieses dreckige Gefühl loswerden und schrubbte meinen ganzen Körper mit Seife ein.

Müde warf ich mich ins Bett und liess den Tag nochmals Revue passieren. Ich war frühen Nachmittags aufgestanden, rannte meine übliche Runde im Park und ass eine Nudelsuppe. Dann setzte ich mich an den Computer und lernte. Unerwartet erleuchtete eine Nachricht das Display meines Handys. Sie stammte von diesem rothaarigen Zauberer, der mich gleich darauf besuchte.
"Hisoka...", flüsterte ich und dachte an seinen gottgleichen Körper. Wenn er wüsste, wie ich über ihn dachte, würde er mich sofort töten, überlegte ich. Meine Gedanken schweiften weiter, zur kurzen Unterhaltung mit der Dame, die mir vor kurzem noch meine Ehre und meinen Körper gerettet hatte. Aber der junge Mann mit den roten Haaren, der Sie heute schon wieder besucht hat, ... , strahlt eine sehr gefährliche Aura aus. Sie sollten sich von ihm fernhalten. Doch wie sollte ich mich von ihm fernhalten, wenn meine Gedanken ununterbrochen zu ihm wandern. War meine Beziehung zu ihm wirklich nur des Geldes wegen, das er mir bei unserem ersten Treffen anbot? Darauf kam mir allerdiengs noch eine Aussage in den Sinn, die heute gefallen war. Ihr seid doch eh alles Huren hier, die es sich so richtig besorgen lassen wollen! Für Geld macht ihr doch alles! Der Mann formulierte das so, als ob alle Stripperinnen und Tänzer, die dort arbeiteten auch als Prostituierte tätig waren. Dabei war dies nur ein kleiner Anteil. Oder etwa nicht? War ich nicht auch eine eben dieser. Immerhin bezahlte mich Hisoka ausgiebig für jede unserer Begegnungen. Aber abgesehen von ihm unterhielt ich keine solche Bekanntschaften. Generell gesagt unterhielt ich überhaupt keine Bekanntschaften, ausser die, die für mein Überleben sorgten. Wie würde Hisoka wohl reagieren, wenn er von diesem Vorfall Wind bekäme. Ich wollte es mir nicht vorstellen und war auch zu müde dazu. Hisoka ist und bleibt eine stetige Gefahrenquelle in meinem Leben, das ist mir wohlbewusst. Aber ist es nicht gerade diese Gefahr, die ihn so anziehend macht?


Why him...  // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt