Kapitel 30

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Durch das halboffene Fenster hörte ich leises Vogelgezwitscher. Ich blinzelte verschlafen an die Decke. Ein muskulöser Arm hielt meine Taille umschlungen. Überrascht drehte ich mich nach links, nur um gleich darauf in Phinks schlafendes Gesicht zu blicken. Der Blonde lag auf dem Bauch und leises Schnarchen ertönte aus seinem offenen Mund. Erledigt vom Vortag schloss ich meine Augen. In meinen Erinnerungen tauchten Bilder auf. Welche von Kasai, wie er blutüberströmt unter mir lag und welche von Hisoka, wie er mich belustigt angriff. Darauf folgte ein Kurzfilm indem sich die beiden auf mich stürzten. Schweissgebadet wachte ich auf. Phinks hatte sich auf die andere Seite gedreht und schlief noch immer tief und fest.

Das Zimmer war nur spärlich eingerichtet. Das Bett, ein Schrank und einen Stuhl mit Tisch befanden sich darin. Eine der beiden Türen führt in den Gang, die andere ins Bad, vermutete ich. Dabei ist es wahrscheinlicher, dass die Tür gegenüber vom Fenster den Zugang zum Flur darstellt. Um meine Theorie zu prüfen öffnete ich die andere und betrat zufrieden das Bad. Meine Kleidung legte ich vorsichtig zusammen und neben die Dusche. Dann zog ich den Vorhang hinter mir zu und liess kühles Wasser über meinen Körper laufen. Die Melodie eines bekannten Liedes spielte in meinem Kopf, so summte ich sie vor mich her.

Ich hatte es nicht eilig, weshalb ich meinen Geist durch die Playlist in meinem Kopf gleiten liess. Over My Head sang ich in voller Lautstärke und seifte mich tanzend in der kleinen Dusche ein. Dabei hörte ich erst, dass jemand das Bad betreten hatte, als der Wasserhahn mit einem Quietschen geöffnet wurde und das Wasser plätschernd ins Waschbecken fiel. Erschrocken stellte ich die Dusche aus und wollte zwischen dem Vorhang und der Wand nach dem Handtuch greifen, das an der Rückwand hing.
"Wenn du ein eigenes willst, kann ich dir eines bringen...", nuschelte Phinks, der sich gerade die Zähne putzte.
"Du kannst aber auch meins nehmen", schmunzelte er. Ertappt starrte ich zuerst den Vorhang an und wollte mich schon entschuldigen, entschied mich dann aber für die rebellische Antwort.
"Vielleicht warte ich ja noch auf dich Schatz", erwiderte ich übertrieben flirtend, zog den Vorhang etwas zurück und streckte eines meiner nackten Beine sexy heraus. Er spuckte lachend den Schaum aus seinem Mund.
"Ich hol dir eines." Mit einem Grinsen verschwand er kurz, nur um darauf mit einem blauen Badetuch zurückzukommen. Ich streckte meine Hand hervor und griff nach dem weichen Stoff. Das Tuch um mich gewickelt zog ich den Duschvorhang zurück. Phinks lehnte sich an den Türrahmen und musterte mich kurz amüsiert. Dann verliess er das Bad und schloss die Tür hinter ihm. Kopfschüttelnd wollte ich meine Kleider wieder anziehen. Doch das Bündel, das ich so schön neben der Dusche platziert hatte, war weg.
"PHINKS", schrie ich verblüfft und rannte ins Zimmer zurück, woher schallendes Gelächter zu hören war. Er hielt meine Kleider in den Händen.
"Wenn du mich fängst kriegst du sie zurück", sagte er verschmitzt. Dann schlüpfte er damit in den Gang. Nur mit dem Badetuch bekleidet folgte ich ihm ungläubig in den Flur. Der Samurai blickte verwirrt dem diabolisch lachenden Phinks hinterher und Feitan schaute durch einen kleinen Türspalt aus einem Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite. Unschlüssig betrat ich den Raum aufs neue und machte die Tür hinter mir zu. Mein Blick fiel auf den Schrank. Vielleicht sind da ja seine Kleider drin. Tatsächlich lagen darin Männerklamotten. Ich zog mir das erstbeste T-Shirt an, das nicht gerade meine nackte Haut durchschimmern liess und eine seiner Boxershorts. Darüber kleidete ich mich mit einer dunklen Hose, die ich einige Male hochrollte, damit ich nicht auf die Enden stand.

Schlagartig hatte ich Lust Phinks zu fangen. In seinen Kleidern rannte ich aus dem Zimmer und direkt in Shalnark. Lachend fing er mich, als ich durch die Schnelligkeit über seine Beine stolperte.
"So stürmisch heute?", schmunzelte er und fügte an: "Neuer Style, steht dir."
"Danke, danke. Weisst du wo Phinks ist? Ich habe noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen."
"Die Treppe da vorne runter und dann in den grossen Saal links" Bevor er den Satz beendet hatte, war ich schon losgerannt.
"Pass auf die Stufen auf, sie sind uneben", warnte er mich. Doch leider verstand ich erst zu spät was er meinte und stürzte die Treppe hinunter. Mit einem lauten Krachen kam ich unten an, rappelte mich aber sofort wieder auf. Phinks wusste jetzt bestimmt, dass ich ihm auf der Spur war.

Vorsichtig spähte ich in den riesigen Raum, konnte aber nur Chrollo, Bonolenov und Feitan ausmachen. Leise drückte ich sie weiter auf. Phinks war doch da. Er stand mit dem Rücken zur Tür und unterhielt sich mit Uvogin. Regungslos überlegte ich, wie ich ihm am Besten meine Kleidung abluchsen konnte. Als mein silberner Blick vom Boden wieder zu den Anwesenden wanderte, starrten mich alle argwöhnisch an. Der Blonde war weg. Ohne ein Wort zu sagen rannte ich durch den Raum, an den Spinnen vorbei und zu der Tür wieder hinaus, die Phinks genommen hatte. Ich sah ihn durch ein Fenster im Vorhof des Hauses stehen. Nach einer Weile hatte ich endlich einen Ausgang gefunden und schritt ebenfalls nach draussen.

"Meine Kleider stehen dir", grinste er und warf das Bündel in seinen Händen hin und her. Natürlich fiel mein schwarzer Stringtanga hinaus. Er bemerkte es zunächst nicht. Als ich auf ihn zu ging, hielt er die Distanz und entfernte sich weiter von dem verlorengegangenen Kleidungsstück.
"Legst du mir eine Fährte?", fragte ich schelmisch und stopfte mein Höschen in die Tasche der Jeans, die ich trug. Phinks lächelte mich entschuldigend an. Dann wich er nicht mehr zurück und übergab mir meine Habseeligkeiten.

Nachdem ich mir dann endlich wieder meine Kleider angezogen hatte, ging ich wieder in den Gang. Phinks hatte sich an eine Wand gelehnt und wartete auf mich. Mit einem Kopfnicken deutete er mir zu folgen. Übervorsichtig krallte ich mich am Geländer fest und trat eine Stufe nach der anderen hinunter. Er führte mich in den Saal, in dem die anderen Spinnen nun an einem grossen Tisch versammelt waren. Darauf stand jedem ein Teller mit frischgekochtem Essen. Stillschweigend setzte ich mich neben Phinks und hoffte, dass dort kein Stammplatz von einem anderen der Troupe war. Alle begannen zu essen. Die Stille, die sich dabei ausbreitete, verbreitete eine düstere Stimmung.

"Warum hast du uns nicht verraten?" Chrollo stützte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab und hatte seine Hände verschränkt. Interessiert blickte er mich an.
"Wir haben alle Arbeitskollegen und Gäste deines Hauses getötet. Welchen Grund hattest du über uns zu schweigen?" Nun starrten mich alle an. Ich schluckte das Essen in meinem Mund herunter. Wehmütig lächelnd verriet ich ihm den Grund.
"Menschen wie Kasai Hideo oder die Polizisten von York New führen Leben, abseits von der Realität in der wir uns befinden. Menschen wie die haben alles, was sie wollen und was sie nicht haben, können sie mit einem Fingerschnippen bekommen. Sie werden nie die Erniedrigungen erfahren, der wir ausgesetzt waren. In ihren Augen sind wir Abschaum. Ob wegen des Berufes oder aufgrund der Verbrechen, die die Ungerechtigkeit des Lebens uns aufzwingt, spielt keine Rolle. Wir werden wir angesehen. Daraus gibt es kein Entkommen mehr. Abschaum wird immer Abschaum bleiben." Ich schaute von meinem Teller auf und mussterte die Mitglieder der Phantom Troupe einer nach dem anderen. Als letzten fixierte ich Chrollo.
"Und der Abschaum dieser Welt sollte zusammenhalten!"

Why him...  // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt