Teil 17

1.2K 76 17
                                    

Ava zog sich ein wenig in Richtung Couch zurück und dachte noch einmal über das nach, was die alte Dame zuvor zu ihr gesagt hatte. Dann erregte ein Blinken ihre Aufmerksamkeit und sie sah ihr Handydisplay aufleuchten. Tom rief an. Hastig nahm sie den Anruf entgegen und hörte kurzerhand die aufgebrachte Stimme ihres Bruders. Er beschwerte sich, dass sie sich den ganzen Tag nicht mehr gemeldet hatte und er sie fünf Mal anrufen musste, bis sie endlich an ihr Telefon ging. Ava wusste, dass er es nur gut meinte, aber manchmal übertrieb er es in ihren Augen mit seiner Fürsorge. Letztendlich konnte sie es ihm aber nie übelnehmen und so schlimm es sich anhören mochte, war sie froh, dass es ihn gab und sie die Schicksalsschläge in ihrem jungen Leben nicht alleine hatte durchstehen müssen. Denn die Geschwister hatten bereits beide Elternteile verloren. Wahrscheinlich war auch das der Grund für Toms ausgeprägten Beschützerinstinkt, schließlich hatten sie nur noch einander und eine Nonna, die am anderen Ende der Welt lebte.

Tom hatte sich schnell wieder beruhigt und erzählte seiner kleinen Schwester, dass er und Emma Glück gehabt hatten, denn ein paar Straßen von ihrem Haus entfernt hatten die Bewohner keinen Strom mehr. Als er fertig war, erzählt auch Ava von ihrem Tag und dem Abend mit Liesbeth, nur Chris erwähnt sie nicht, denn das würde nur eine unnötige Diskussion mit Tom provozieren und die Tatsache, dass ihr Ex-Freund hier war, nicht ändern können. Allmählich kam ihr Gespräch dem Ende zu und sie vereinbarten, die kommenden Tage zu telefonieren, sobald es wieder möglich und vor allem sicher sein würde, das Haus zu verlassen, damit Ava ihn und Emma wie vereinbart besuchen konnte. Gerade wollten sie sich verabschieden, da fiel Ava noch etwas ein. „Oh fast hätte ich es vergessen. Nonna hat natürlich angerufen und sie war fast so sauer wie du, als ich sie erst nach dem dritten übersehenen Anruf zurückgerufen habe." Tom brach in schallendes Gelächter aus. „Hast du etwas anderes erwartet? Du kennst sie doch. Außerdem bist du nun mal unser Pulcino, da finde ich so eine Reaktion völlig gerechtfertigt." An Avas Schweigen bemerkte Tom, dass etwas nicht ganz stimmte. „Was ist los?"

„Du klangst gerade genau wie Dad, als du gelacht hast..." Jetzt war es Tom, der nicht wusste, was er sagen sollte. „Der viele Schnee hat ihm immer gefallen. Irgendeine Entschleunigung muss es für diese hitzige Stadt schließlich auch mal geben, hat er jedes Mal gesagt. Erinnerst du dich?" Tom stimmte ihr zu und nach einer weiteren kurzen Pause ergänzte er: „Und Mom hat es jedes Jahr aufs Neue gehasst, wenn es so viel geschneit hat. Wie viel sie dann geflucht hat." Der Gedanke an ihre Mutter, wie sie kopfschüttelnd am Fenster stand und auf den Winter schimpfte, heiterte Ava wieder ein bisschen auf.

„Wundervoll, das Stimmungstief des Abends ist erreicht, von jetzt an kann es nur bergauf gehen. Grüße an Emma und wir hören uns Bruderherz", verabschiedete sich Ava und nachdem sich auch Tom verabschiedet hatte, legten sie auf. Ava warf ihr Handy beiseite und starrte gedankenverloren ins Leere. Erst nach und nach nahm sie die Stimmen von Chris und Liesbeth war und sie sah zu ihnen herüber. Inzwischen saßen sie wieder am Tisch und Chris wollte den beiden gerade wieder Wein nachschenken, doch Liesbeth hielt schützend die Hand über ihr Glas. „Langsam mein Lieber. Mein Heimweg ist zwar nicht lang, aber ich will trotzdem noch heil dort ankommen." „Jetzt hören Sie aber auf", erwiderte Chris, „ich werde selbstverständlich sicherstellen, dass Sie unversehrt in ihrer Wohnung ankommen." Liesbeth stand auf und gähnte. „So ein zuvorkommendes Angebot werde ich nicht ausschlagen. Und dann könnten Sie auch gleich noch die Comics unterschreiben, wenn das wirklich kein Problem für Sie ist." Ava stand ebenfalls auf und brachte Liesbeth den Topf, in welchem sie früher an diesem Abend die Zutaten mitgebracht hatte. Ihre Nachbarin bedankte sich und ging mit Chris aus der Wohnung. Im Gang blieb sie jedoch noch einmal stehen, sah kurz von Ava zu Chris und wieder zurück und sagte dann: „Sie beide wissen, was Sie zu tun haben." Aus den Augenwinkeln nahm Ava wahr, wie Chris nickte. Scheinbar hatte Liesbeth auch mit ihm gesprochen, als Ava mit Tom telefoniert hatte. Sie nickte ebenfalls zustimmend und verabschiedete sich dann von Liesbeth. „Das sollten wir wiederholen Nachbarin." Die alte Dame schenkte ihr ein freundliches Lächeln und lief mit Chris den Gang entlang zu ihrer Wohnung.

Nur wenige Minuten später war Chris zurück. „Eine wirklich tolle Frau", sagte er, als er sich neben Ava auf die Couch fallen ließ. „Oh ja, das ist sie."

„Hast du ihre Enkel schon einmal gesehen? Sie hat mir ein Foto gezeigt und die drei sind wirklich süß. Auch zwei Jungs und das Nesthäkchen ein Mädchen, wie die Kinder meiner Schwester. Nur schon ein paar Jahre älter."

„Ja die drei sind wirklich bezaubernd. Wie sieht's aus, hast du Lust auf einen Film?" Chris hob zur Zustimmung den Daumen hoch. „Was willst du ansehen? Warte... warum grinst du so?"

„Oh ich habe da eine Idee. Neulich ist mir ein Film vorgeschlagen worden... Not Another Teen Movie heißt er, wenn ich mich recht erinnere." Chris' Gesichtsausdruck schwankte irgendwo zwischen Fassungslosigkeit und Belustigung. „Ich hasse dich!", sagte er mit zusammengekniffenen Augen, gefolgt von einem tiefen, kehligen Lachen.

„Wirklich? Beim Essen vorhin hast du mich noch geliebt..." Sofort erstarb das Lachen auf seinem Gesicht und er sah sie ernst an. Dieses Mal konnte Ava den Blick nicht erwidern. Betreten sah sie zu Boden, wo sie ein Staubwölkchen, das unter der Couch hervorgekommen sein musste, zwischen den Füßen hin und her schob.

„Stimmt es denn?", fragte sie leise und kickte das Staubwölkchen zurück unter die Couch. „Was du beim Abendessen gesagt hast meine ich."

Chris ließ sich mit seiner Antwort Zeit. Schließlich sagte er: „Kannst du mich auch dabei ansehen, wenn ich dir diese Frage beantworte?" Zögerlich hob Ava den Kopf. Als ihr Blick seine blauen Augen fand, hatte sie das Gefühl, direkt in seine Seele sehen zu können. „Natürlich stimmt es", sagte er ruhig, aber mit Nachdruck. „Ava, ich habe das nicht gesagt, weil ich irgendetwas damit bezwecken wollte. Eigentlich wollte ich es überhaupt nicht sagen, ich habe noch nicht einmal wirklich nachgedacht, es ist mir einfach so rausgerutscht. Und als ich dann im Bad verschwunden bin, weil ich am liebsten auf der Stelle im Boden versunken wäre, ist mir bewusst geworden, dass mir das nur so über die Lippen gekommen ist, weil es der Wahrheit entspricht. Natürlich liebe ich dich noch."

Als Ava das hörte, fühlte sie sich unfähig zu antworten und als hätte Chris ihre Gedanken lesen können, ergänzte er: „Du musst jetzt nichts dazu sagen. Morgen ist auch noch ein Tag und ich glaube, wir haben noch viel zu klären. Lass uns lieber diesen seltsamen Film anschauen, den du vorgeschlagen hast." Auch wenn sie eigentlich nicht lachen wollte, konnte Ava nicht anders. „Bloß nicht. Ich habe ihn schon gesehen und der ist wirklich furchtbar."

Voller Entsetzen sah Chris sie an. „Du hast mir versprochen, dass du das niemals tun wirst", rief er vorwurfsvoll. Entschuldigend hob Ava die Hände. „Es tut mir leid, aber mir war wirklich langweilig."

„Wann?" „An dem einen Wochenende, als du hier warst. Am Samstag hattest du ein Meeting für Before You Go und Sonntag eigentlich frei, aber dann haben sie dich nachmittags angerufen und wollten, dass du noch mal ins Büro kommst." Chris schien es wie Schuppen von den Augen zu fallen. „Das erklärt wenigstens, warum du an diesem Abend die ganze Zeit so komisch gekichert hast." Ava zuckte mit den Schultern und er sah sie immer noch finster an, bis sein Blick ein bisschen weicher wurde. „Wahrscheinlich hätte ich es an deiner Stelle auch gemacht. Aber das heißt nicht, dass ich dir das nicht noch eine ganze Weile übelnehmen werde. Also gut, auf welchen Film hast du dann Lust?"

You would smile and that would be enough (Chris Evans ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt